Nördlich der Elbe – in Nordelbien – stehen heute mehr als 1.000 Kirchen. Die ersten wurden im 9. Jahrhundert gebaut, als, ausgehend vom 832 gegründeten Missionsbistum Hamburg, die Christianisierung des Nordens begann. Erst im 12. Jahrhundert begann der Kirchenbau überall im Norden. In nur zwei Jahrhunderten entstand fast ein Drittel aller Kirchenbauten. Es war auch die Zeit, als der Norden mit der Backsteingotik seine eigene Formensprache fand, die bis heute Bestand hat und die Eigenart der sakralen Bauten prägt. Die 1542 mit der lutherischen Kirchenordnung vollzogene Reformation war anders als im Süden nicht mit „Bilderstürmerei“ verbunden. So haben die alten Kirchenbauten Nordelbiens noch weitgehend ihre vorreformatorische Gestalt bewahrt. Was im übrigen auch dazu geführt hat, dass – im Gegensatz zum Süden – sich noch heute auf den Türmen evangelischer Kirchen Hähne im Wind drehen, während die vor allem nach dem Zweiten Weltkrieg neu entstandenen Kirchen ein schlichtes Kreuz schmückt.
Etwas Vorgeschichte
Die ersten Kirchen im Mittelmeerraum waren bescheidene Privathäuser in landestypischer Bauweise, in denen Räume für Abendmahlsfeier und Taufe ausgesondert wurden. Seit dem 3.Jahrhundert erlangten christliche Gemeinden Zugriff auf größere Privathäuser oder öffentliche Zweckbauten. Sie ließen es zu, dass die Bereiche für Klerus und Laien getrennt werden konnten. Nachdem zu Beginn des 4. Jahrhunderts das Christentum Staatsreligion des römischen Reiches geworden war, nahm eine rege Bautätigkeit ihren Anfang. Als repräsentatives christliches Gotteshaus wurde die ”Basilika”, deren Wortstamm ”königlich” bedeutet, übernommen. In den folgenden Jahrhunderten entstanden rund um das Mittelmeer und schließlich auch nördlich der Alpen Sakralbauten. Dabei handelte es sich keineswegs nur um Großbauten. Die neuen Gemeinden erstellten zahlreiche kleinere Kirchen – Kapellen und die späteren Pfarrkirchen. Der Typus war relativ einfach: ein rechteckiger Saal mit hervorgehobenem, eventuell eingezogenem Ostteil, dem Chor, manchmal eine halbrunde oder vieleckige Altarnische, die Apsis. Häufig war die Taufstelle, das Baptisterium, noch ausgegrenzt, erst allmählich rückte sie in das westliche Kirchenschiff. Bis in die Karolingerzeit um 800 war die kirchliche Landschaft zwischen Alpen und Nordsee überschaubar. Das Christentum blieb auf wenige Zentren konzentriert. Zu denen gehörten neben den frühen Städten die Klöster, im Norden bis Corvey an der Weser, deren Mönche sich der Mission verschrieben hatten.
Der Beginn in Holstein
In Holstein entstanden zu Beginn des 9. Jahrhunderts die ersten christlichen Kirchen da, wo fränkische Vorposten die Grenze gegen Dänemark sicherten. 832 wurde das Erzbistum Hamburg gegründet, das als Missionsbistum weit in den Norden hineinwirken sollte. Vermutlich ließ der erste Hamburger Erzbischof Ansgar (*801-865†) wenige Jahre später in Haithabu, dem damals bedeutenden Handelsplatz der Wikinger an der Schlei, ein Holzkirchlein bauen. Von den ersten Bauten ist nichts erhalten. Ob sich an der Kirche von Schenefeld nördlich von Itzehoe Mauerreste aus karolingischer Zeit nachweisen lassen, ist umstritten.
Die Unsicherheit in den folgenden zwei Jahrhunderten war groß, noch war den ersten christlichen Missionaren nördlich der Elbe wenig Erfolg beschieden. Erst im Laufe des 10. Jahrhunderts konsolidierte sich das Christentum in Mittel- und Westholstein. In Ostholstein dauerte es 200 Jahre länger, bis gegen 1150 die slawischen Polaben und Abodriten endgültig zum christlichen Glauben bekehrt werden konnten. Erst danach setzte im gesamten Gebiet nördlich der Elbe massiv der Bau von Kirchen ein.
Die Landkirchen entstehen
Mit der Schlacht von Bornhöved 1227 waren die politischen Verhältnisse geschaffen, die bis 1864 die Geschichte Nordelbiens bestimmen sollten: Holstein und später auch Lauenburg waren deutsches, der Landesteil Schleswig dänisches Lehen. Der Ausbau einer Pfarrorganisation sowie der Bau von Gotteshäusern verliefen südlich und nördlich der Eider in etwa parallel. Die zahlreichen erhaltenen Landkirchen aus dem 12. und 13.Jahrhundert in Schleswig und Holstein bilden bis heute ein bemerkenswertes kulturelles Erbe: Natürlich ist kein Gotteshaus in seinem ursprünglichen Zustand erhalten, jede Generation hat gebaut und verändert, im Äußeren wie Inneren. Doch wo anderenorts vor allem die Barockzeit die kirchliche Architekturlandschaft grundlegend überformt hat, sind im Norden noch vielerorts Spuren der romanischen und gotischen Architektur deutlich ablesbar. Einigen der frühen Steinkirchen in den nördlichen Landesteilen sind hölzerne Bauten vorausgegangen. Archäologische Funde zeugen von einer virtuosen Holzbehandlung der wikingischen Baumeister. Weiter südlich, in Holstein, verbaute man im beginnenden 12.Jahrhundert den reichlich vorhandenen Feldstein, der mit Kalkmörtel zusammengefügt wurde.
In den Marschen wurde rheinischer Tuffstein benutzt. Er kam als Rückfracht mit den Küstenschiffen, die den Überschuss der fruchtbaren Marschen exportierten. Die Steine wurden als Ballast gefahren und an der Westküste sowie der Eider entladen und über Land zu den Kirchenbaustellen transportiert. Bereits in dieser frühen Phase setzte sich nördlich der Elbe ein Grundrisstyp durch, wie er für die meisten Landkirchen des Mittelalters typisch blieb: ein rechteckiger Saal mit je einem Nord- und Südportal, dazu der eingezogene, fast quadratische Ostchor, beide mit steilem Satteldach. Den Chor mit Priestertür schließt manchmal eine Apsis. Bemerkenswert ist in vielen dieser Kirchen der Chorbogen, der nicht nur das Kirchenschiff vom Altarraum trennt, sondern überdies der Gemeinde die Einsicht in den Altarraum als Ort der heiligen Handlung erschweren sollte. Türme waren keineswegs die Regel. Vielerorts werden die Kirchenglocken bis heute von freistehenden hölzernen Glockenstapeln getragen.
Der Backstein erobert den Norden
Neben dem Bau aus unbehauenen Feldsteinen entwickelte sich im Laufe des 12. Jahrhunderts in Jütland und im Landesteil Schleswig der Granitquaderbau. Das Behauen der Felsblöcke erforderte enorme Anstrengung und vorzügliches Werkzeug. Doch gegen Ende des Jahrhunderts setzte sich ein neuer Baustoff durch, der Backstein. Die Fähigkeit, Ton zu Ziegeln zu brennen, ist Jahrtausende alt. Bemerkenswert ist, dass sich im 12. Jahrhundert ein einheitliches Format dieses Formsteins etablierte, das jede Ziegelei landauf, landab übernahm: das sogenannte Klosterformat. Für den mittelalterlichen Baubetrieb stellte das einen enormen Fortschritt dar. Bereits in Feldstein- oder Quaderbauweise begonnene Kirchen wurden nun mit Ziegeln vollendet, erweitert oder ausgebessert. Insbesondere die Herstellung konstruktiv schwieriger Teile, wie Fenster- und Türbögen, wurde durch die Backsteinbauweise erleichtert.
Die Anfänge des Backsteinbaus in Schleswig verbinden sich mit einem militärischen Bauwerk, dem Danewerk als dänische Grenzbefestigung zum Deutschen Reich aus dem letzten Viertel des 12. Jahrhunderts, und – etwa zur gleichen Zeit – mit dem Schleswiger Dom. Etwas früher war der Backsteinbau in Holstein eingeführt worden. Backsteine waren das Material, um den slawischen Wenden endgültig die Überlegenheit des Christengottes vor Augen zu führen. Die Stiftskirche zu Segeberg, der Dom zu Lübeck und – am besten erhalten und wiederhergestellt – der Ratzeburger Dom sind Höhepunkte des frühen Backsteinbaus im Lande.
Backstein und Gotik fusionieren
In der europäischen Architektur bildet die Gotik eine Zäsur, weil sie völlig neue architektonische, technische und gestalterische Lösungen ermöglichte. Von Frankreich ausgehend, erreichte die gotische Formensprache Mitte des 13. Jahrhunderts das Land nördlich der Elbe. Eine Folge war, dass Pläne für Kirchenbauten, an denen teilweise bereits seit Jahrzehnten gearbeitet worden war, völlig umgestoßen wurden. Dieser Planwechsel läßt sich an vielen Bauten deutlich erkennen, etwa am Dom zu Schleswig, vor allem aber an der Marienkirche in Lübeck. Unter Leitung eines in Frankreich geschulten Baumeisters wurde sie nach 1260 zur ersten hochgotischen Kirche des Ostseeraums umgebaut. Sie folgte konsequent dem in Frankreich entwickelten so genannten ”Kathedralschema”: ein mehrschiffiger kreuzförmiger Bau mit vieleckigem Chor und Chorumgang mit Kapellenkranz im Osten, sowie einer Fassade mit Portalanlage und zwei Türmen im Westen. Die Lübecker Marienkirche hat über die hansischen Handelswege bis nach Polen und in das Baltikum hinein als Vorbild für zahlreiche Kirchen im Ostseeraum gewirkt.
Der gotischen Formensprache kam die Backsteinbauweise zweifellos entgegen, ermöglichte sie doch die jetzt geforderten konstruktiven Lösungen für Fenster, Gewölbe, Raumhöhe und Wandgliederung. Nicht nur in den Städten, sondern überall auch auf dem Land wurden Kirchen – zumindest teilweise – eingerissen, umgebaut und erweitert. Dabei entwickelte sich der Backstein im Norden rasch über einen bloßen Werkstein hinaus, er wurde eigenständiges Gestaltungselement. Bauplastiken und farbige Gliederung der Wände durch unterschiedlichen Ton und Glasur begründen den hohen Rang der norddeutsche Backsteingotik, die ihre Vollendung in den Hansestädten des Ostseeraumes erlebt hat, deren Qualität sich jedoch auch an vielen kleineren Kirchen in Schleswig-Holstein ablesen läßt.
Kirchenbau als Gemeindeangelegenheit
Bis zum Beginn der Zeit der Reformation waren die Innenräume der Kirchen fast alle ausgemalt. Der Eindruck war überwältigend und sollte es sein. Not, Leid und Vergänglichkeit waren im Alltag immer allgegenwärtig, in der Kirche sollte das Geheimnis des Glaubens offenbar werden und eine Ahnung der Ewigkeit entstehen. Mit dem Schritt durch das Kirchentor sollten die Menschen in eine andere Welt eintreten. Jede Kirche, auch die kleinste Dorfkirche, hatte mehrere Altäre, in den großen in den Städten konnten es Dutzende sein, so genannte ”Vikarien”, von denen zahlreiche Geistliche lebten. Die Altäre selbst, gemalte und geschnitzte Flügelaltäre, die den liturgischen Erfordernissen entsprechend geöffnet oder geschlossen wurden, erzählten in vielfältigen Bildern biblische Geschichte, ebenso Kirchenfenster, die es freilich nur in großen Stadtkirchen oder reicher ausgestatteten Landkirchen gab. Im Mittelalter wurden Kirchen nicht durch die Herrschenden, sondern durch die Gemeinde gebaut. Ihr Bau dauerte Generation und wurde oft nie beendet. Vermächtnisse, Gelübde, Stiftungen, aktive Hilfe beim Bau brachten die Arbeit voran. Diese Tradition hat sich mancherorts bis auf den heutigen Tag erhalten.
Reformation ohne Bilderstürmer
Die Reformation in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts hat in Nordelbien keinen eigenen Beitrag zum Neubau von Kirchen geleistet, allerdings die vorhandener Bauten verändert. Die lutherische Reformation im Norden führte keinen Bildersturm im Programm, insofern blieb ihre Ausstattung meist unangetastet. Allerdings verschwanden die zahlreichen Altäre aus den Kirchen. Es blieb nur der Hochaltar als Ort des gemeinschaftlichen Heiligen Abendmahls. Vielerorts wurden Chorbögen aufgebrochen, um den Altarraum stärker für die Gemeinde zu öffnen, oder die Trennung von Chorraum und Kirchenschiff wurde ganz aufgegeben und die Kirche als Saalraum umgestaltet. Im Mittelpunkt des lutherischen Gottesdienstes steht die Predigt. Deshalb erhielten die Kirchen Kanzeln hoch über der Gemeinde, damit Gottes Wort das gesamte Kirchenschiff erfüllen konnte. Von dem mittelalterlichen Inventar sind Altargerät, Leuchter, Abendmahlskelche und der ein oder andere Altar erhalten geblieben. Wandmalereien sind im Laufe der Jahrhunderte meist verschwunden, mit Glück lassen sie sich teilweise restaurieren. Heute stammen die ältesten Kanzeln, Altäre, Emporen aus der Renaissancezeit, dem 16. Jahrhundert, häufiger noch aus der Zeit des Barocks, dem 17. und 18. Jahrhundert. Der Barock in Schleswig-Holstein blieb in seiner Formensprache bescheiden, war selten überladen wie im Süden. Dadurch passt er harmonisch in die mittelalterlichen Kirchenräume.
Altes neu bauen: der Historismus
In Nordelbien war mit dem Ende des 13. Jahrhunderts der Höhepunkt kirchlichen Bauschaffens überschritten. In den folgenden 500 Jahren wurden weniger als einhundert neue Kirchen errichtet. Das bedeutete keineswegs, dass die Bautätigkeit ruhte. Feuer, Stürme und Sturmfluten, Kriege oder Verfall machten Reparaturen, Um- und Neubauten vorhandener Kirchen erforderlich. Mancherorts wurden die Kirchen durch neue Türme oder Dachreiter weit im Land sichtbar. Die Industriezeit, der Einzug der Moderne, änderte im 19.Jahrhundert das Leben der Menschen in einem bis dahin unvorstellbaren Tempo. Zum Ende des Jahrhunderts kam es zu einer geistigen Gegenbewegung. Heimatvereine entstanden und Zeugnisse vorindustrieller regionaler Handwerkskunst wurden gesammelt. Kunsthistorisch begann die Phase des vom neu erwachten Nationalstolz beeinflussten Historismus. Das hatte unterschiedliche Konsequenzen: Gerade auf dem Land wurden Kirchen zurückgebaut, um wiederherzustellen, was man für romanisch oder gotisch hielt.
Der Historismus verstand sich als eine Art “Denkmalpflege”, der es erlaubt war, alte Bausubstanz „aufzuwerten“ oder gar neu zu schaffen (siehe: Denkmalschutz). So bekam der Schleswiger Dom 1894 einen neuen, prächtigen Turm. Der schlichte Backsteinbau des so genannten „Meldorfer Doms“ (es gab in Dithmarschen nie einen Bischof) wurde von 1879 bis 1892 komplett im neugotischen Stil überformt, fast „kathedralisiert“. Nicht nur die Ansgarkirche in Kiel, sondern auch Dorfkirchen, wie beispielsweise Lebrade oder Hansühn, wurden im historisierenden Stil völlig neu gebaut. Diese neuen alten Gotteshäuser folgten häufig der 1861 im ”Eisenacher Regulativ” fixierten Vorgabe, den Bau an der Liturgie zu orientieren. Das verlangte einen hohen, feierlichen Raum möglichst in Kreuzform mit erhöhtem Chor. Als Material kamen neben dem Backstein auch wieder die alten Feldsteine und Granitquader zu Ehren.
Heimatschutz und Heimatstil
Die Kirche von Pahlen in Dithmarschen ist eines der wenigen Beispiel für „Heimatschutzarchitektur“ im Kirchenbau
Als erneute Gegenbewegung zum im Ergebnis wieder national egalisierenden Historismus entwickelte sich Anfang des 20. Jahrhunderts die Heimatschutzarchitektur. Sie wollte nicht tradierte regionale Bauformen kopieren, sondern etwas Neues planen, das den Bedürfnissen der Zeit entsprach, und dabei in schlichten Formen und mit wenigen Materialien die alte Hauslandschaft harmonisch fortentwickeln. Vertreter dieser Ideen näherten sich Ende der 1920er Jahre der Blut- und Bodenideologie der Nationalsozialisten an, die daraus den „Heimatstil“ machten. Das Zitat „typischer“ alter Bauformen trat damit in den Vordergrund. Der Grundsatz „Form folgt Funktion“ wurde aufgegeben, es entstanden auch wenig zweckmäßige Bauten (siehe Adolf-Hitler-Koog). Beispiel für die wenigen Sakralbauten der Heimatschutzbewegung sind die fast zeitgleich zwischen 1926-1928 aufgeführten Kirchen in Harrislee und Laboe sowie die Lutherkirche in Lübeck und – als eine der wenigen Kirchen, die in der NS-Zeit gebaut wurden -, die von List auf Sylt.
Der letzte Boom
Nach dem Zweiten Weltkrieg begann die vorerst letzte große „Kirchenbaukonjunktur“. Es ging einmal darum, die verheerenden Folgen des Bombenkrieges zu beseitigen. Dass dabei neue Raumlösungen entstehen konnten, lässt sich besonders gut am Lübecker Dom erkennen. Hier hat der Architekt das Kirchenschiff als Gottesdienstraum um eine neue Mitte geordnet, während der riesenhafte Chorraum für andere Zwecke abgesondert worden ist. Meist wurde jedoch versucht – natürlich mit den modernen Möglichkeiten der Bautechnik – den Kirchen ihre Gestalt vor der Zerstörung wiederzugeben. Beispiele sind die Lübecker Marienkirche und die Nikolaikirche in Kiel. Neue Gotteshäuser – erstmals seit der Reformation auch wieder katholische in größerer Zahl – wurden gebaut, um den Flüchtlingen und Vertriebenen ein kirchliches Zuhause zu schaffen. Während bis Ende der 1950er Jahre vor allem Kirchen entstanden, die reine Räume für den Gottesdienst sein sollten, wurde in den beiden folgenden Jahrzehnten meist Kirchen geplant, deren sakraler Raum so angelegt ist, dass er auch für andere Zwecke genutzt werden kann. Erwähnt werden muss schließlich das vom Kirchenbauverein Schleswig-Holstein in den 1960er Jahren angeregte “Kapellenbauprogramm”, in dessen Rahmen etwa 100 neue Gotteshäuser entstanden. Viele Neubauten aus der 2. Hälfte des 20. Jahrhunderts blieben zweckmäßig und unspektakulär. Doch es entstanden auch interessante neue Kirchen, die geistliche Tiefe repräsentieren. In modernen Architekturformen, beispielsweise an der 1959 erbauten Thomaskirche in Molfsee-Schulensee, erscheinen die Motive von Schiff und Zelt, Metaphern für die christliche Gemeinde auf dem Weg durch die Zeit.
Was ist, was bleibt
Von den etwa 1.000 Kirchen und Kapellen der Nordelbischen Kirche stehen 520 unter Denkmalschutz. Das ist eine enorme Verpflichtung und Belastung. Neubauten entstehen kaum noch, selbst der Erhalt ihrer Kirchen ist für manche Gemeinden schwer zu bewältigen. Es wird immer wichtiger, dass Menschen Kirche für sich neu entdecken; nicht in einem abstrakten Sinne, sondern als ihr eigenes Haus, fest gegründet, Zeichen ihrer Identität im eigenen Lebensraum. Nur so können die Bauwerke erhalten werden, die seit Jahrhunderten das Land prägen.
Wolf Werner Rausch (TdM 0104 / 0721)
Literatur: Artikel ”Kirchenbau”. In: Die Religion in Geschichte und Gegenwart, 4. Aufl., 4. Bd., Sp. 1059-1159, Tübingen 2001, Mohr Siebeck-Verlag, ISBN 3-16-146944-5. – Claus Rauterberg, Der Kirchenbau des Mittelalters in Schleswig-Holstein, in Schleswig-Holsteinische Kirchengeschichte, Band 2, Anfänge und Ausbau Teil II, S. 71-135, Neumünster 1978, Wachholtz Verlag, ISBN 3-529-02827-4 – Claus Rauterberg, Evangelischer Kirchenbau in Schleswig-Holstein in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts, in: Kirche, Kiel 2000. Niederdeutsch in Schleswig-Holstein, hrsg. von der Landesgeschäftstelle des Schleswig-Holsteinischen Heimatbundes, Heft 1+2/2000, S. 14-19. – Dirk Jonkanski/Lutz Wilde: Dorfkirchen in Schleswig-Holstein, Neumünster 2000, Wachholtz Verlag, ISBN 3-529-02845-2; Robert Atzorn/Ekkehardt Sachse: Anmut der Stille. Landkirchen in Schleswig-Holstein, Neumünster 1981, Wachholtz Verlag, ISBN 3-529-02664-6; Willy Weyres und Otto Bartning, Kirchen – Handbuch für den Kirchenbau, 1959, München, Verlag Georg D. Callwey.
Bildquellen: Nordelbisches Kirchenamt; Landesamt für Denkmalpflege; Robert Atzorn/Ekkehardt Sachse: Anmut der Stille. Landkirchen in Schleswig-Holstein, Neumünster 1981, Wachholtz Verlag, ISBN 3-529-02664-6; Dirk Jonkanski/Lutz Wilde, Dorfkirchen in Schleswig-Holstein, Neumünster 2000, Wachholtz Verlag, ISBN 3-529-02845-2; Deutsche Stiftung Denkmalschutz, Alfred Kamphausen, Die Kirchen Schleswig-Holsteins, 1955, Schleswig, Verlag Hildegard Bernaerts