Ins 13. Jahrhundert, in die Zeit der Stadtgründungen, fällt auch die Anlage Kiels. Seit 1238 wurde der Ort auf einer etwa 17 Hektar großen Halbinsel tom Kyle mit einem planmäßigen Grundriss in der Nähe der landesherrlichen Burg angelegt. 1242 erhielt Kiel die Stadtrechte vom Holsteiner und Schauenburger Grafen Adolf IV. (*vor 1205-1261†) verliehen. 1301 war die neue Stadt befestigt und seit 1329 mit einem Mauergürtel umgeben. Sie gehörte vom Spätmittelalter an zur Hanse. Zu einem ernsthaften Konkurrenten für Lübeck konnte sich die Stadt an der Förde nicht entwickeln. Sie schied schon 1518 wieder aus der Hanse aus. Nicht nur der Fernhandel rund um die Ostsee hatte nicht den gewünschten Erfolg. Die Wirtschaft der Stadt litt unter dem starken Eigenhandel der die Stadt umgebenden Güter. Belebend wirkte sich dagegen aus, dass Kiel zu einem zentralen Ort des politischen Lebens in Holstein wurde. 1460 wurde dort die „tapfere Verbesserung“ des Privilegs von Ripen unterzeichnet. Um den Einfluss Lübecks zu begrenzen, wurde 1496 das Vierstädtegericht gegründet und tagte danach meist in Kiel.
Landtage und Kieler Umschlag
Seit dem 15. Jahrhundert war Kiel der häufigste Tagungsort der Landtage und der Geldumschlagplatz des holsteinischen Adels. Der Kieler Umschlag in der Woche nach dem Dreikönigstag am 6. Januar blieb bis in die Neuzeit ein bedeutender Termin vor allem für Kreditgeschäfte. 1544, nach der Landesteilung, wurde die Stadt Herzog Adolf I. von Gottorf (*1526/1544-1586†)zugeschlagen. Der Adel baute in den folgenden Jahren in der Stadt zahlreiche Palais. Die Burg wurde in der 1580er Jahren umgebaut zu einem Renaissanceschloss. Versuche jedoch, Kiel am Fernhandel teilhaben zu lassen, schlugen fehl. 1665 wurde die Christian-Albrechts-Universität gegründet. Nach dem Verlust der schleswigschen Besitzungen des Hauses Schleswig-Holstein-Gottorf wurde Kiel 1721 zur deren Hauptresidenz. Sie verfiel jedoch, nachdem Karl Peter Ulrich (*1728-1762†) als russischer Thronfolger (später: Zar Peter III.) nach St. Petersburg ging. Kiel blieb für viele Jahre ein Verwaltungszentrum mit schwacher Wirtschaftskraft. Daran änderte auch der 1784 vom dänischen Gesamtstaat in Betrieb genommene Schleswig-Holsteinische Canal wenig.
Aufschwung durch die Eisenbahn
Erst die 1844 eröffnete erste Bahnlinie in den Herzogtümern von Altona nach Kiel belebte Handel und Gewerbe in der Kleinstadt. Danach setzte rasch die Industrialisierung ein. Während der schleswig-holsteinischen Erhebung 1948 bis 1851 spielte Kiel durch seine Universität, als zeitweiliger Regierungssitz und als Heimathafen der schleswig-holsteinischen Flottille ein Schlüsselrolle. Schon zwei Jahre vor der Annexion der Herzogtümer Schleswig und Holstein durch Preußen wurde Kiel 1865 dessen Flottenstation. Später wurde die Stadt Sitz des Marine-Oberkommandos Ostsee des Reiches (was sie bis 1945 blieb). Zahlreiche Werften entstanden und gaben der Stadt ein industrielles Gepräge. Die Zahl der Einwohner entwickelte sich rasant (1840: 12.300, 1871: 31.000, 1890: 70.000, 1910: 212.000). Die Stadt wuchs über ihre Grenzen hinaus, und zahlreiche umliegende Gemeinden gingen in ihr auf.
Matrosenaufstand und Olympiade
Nach dem Ersten Weltkrieg verlangsamte sich vor allem durch eine schwere Krise im Schiffbau die Bevölkerungszunahme. Der von zahlreichen sozialen und infrastrukturellen Problemen begleitete Aufschwung der Stadt liess es angemessen erscheinen, Kiel zur Hauptstadt der Provinz zu machen. Wie schon in der kurzen Spanne von 1867 bis 1879 wurde der Sitz des Oberpräsidenten 1917 wieder von Schleswig nach Kiel verlegt. November 1918 begann in Kiel der Matrosenaufstand. Er löste die Revolution in Deutschland aus, die zum Ende des Kaiserreiches und zur Gründung der Weimarer Republik führte. 1936 wurden die olympischen Segelwettbewerbe vor Kiel (Olympiade) ausgetragen. Durch die Aufrüstung während der nationalsozialistischen Zeit erholte sich der Schiffbau wieder. Die Werften und der Marinestützpunkt machten Kiel im Zweiten Weltkrieg zum Ziel von 90 Bombenangriffen der Alliierten, die 2.600 Tote forderten und 36.000 Wohnungen sowie zahlreiche öffentliche Bauten in Schutt und Asche legten. Da zusätzlich ein enormer Zustrom an Flüchtlingen einsetzte, wurden die ersten Jahren nach dem Zweiten Weltkrieg für alle Bewohner der zerbombten Stadt zu einer Zeit der bitteren Not.
Wiederaufbau als „Landeshauptstadt“
Obwohl Lübeck zur damaligen Zeit größer war, wurde Kiel 1949 zur Hauptstadt des nach der Auflösung Preußens durch die Briten neu geschaffenen Bundeslandes Schleswig-Holstein. Ob der Wiederaufbau der neuen “Landeshauptstadt” nach dem Krieg als gelungen bezeichnet werden darf, darüber streiten sich die Geister. Die Werftindustrie wurde nach dem Krieg wieder aufgebaut und ist bis heute prägender Faktor des Wirtschaftslebens. Kiel entwickelte sich zu einer Einkaufsstadt mit einem großen Einzugsgebiet. Während es Kiel trotz der günstigen Lage und des Nord-Ostsee-Kanals nie schaffte, zum Universalhafen aufzusteigen wie Lübeck, liegt die Stadt bei den von den Skandinaviern eingeführten Ro-Ro-Fährlinien (roll-on-roll-off) mit knapp 1,6 Millionen Passagieren (2020) vor der Hansestadt. Zum Fährverkehr in der Linienfahrt von Kiel nach Göteborg in Schweden, Oslo in Norwegen und auch zu baltischen Häfen kommt zunehmend die Kreuzfahrt. Nachdem 1997 der Norwegenkai an der Hörn den Oslokai ersetze und dieser 2007 als Ostseekai speziell für die Belange der Kreuzfahrer umgebaut wurde, nimmt die Zahl der Kiel anlaufenden Schiffe ständig zu. 2012 haben 120 Kreuzfahrer mit rund 150.000 Passagieren in Kiel Station gemacht. 2019 (vor der Corona Pandemie) waren es schon 803.000 Kreuzfahrtpassagiere. Neben der Christian-Albrechts-Universität beherbergt die Stadt zahlreiche bedeutende Landes- und Bundesbehörden und Banken. 1972 wurde Kiel zum zweiten Mal seit 1936 Austragungsort der olympischen Segelwettbewerbe (Olympiade). Im Vorfeld entstand die „moderne“ Verkehrsinfrastruktur mit Autobahnanschluss, grossen Umgehungsringen sowie der Olympiahafen Schilksee vor den Toren der Stadt. Die Stadt gilt seit der ersten Kieler Woche 1894 als die Segelhauptstadt Deutschlands. Im Rahmen des 2012 gescheiterten Anlaufs erneut Ausrichter der Segelolympiade zu werden wurde das Projekt „sailing City“ aufgelegt. Kiel hat heute 246.600 (Stand: Dezember 2020) Einwohner und ist eine der vier kreisfreien Städte im Bundesland Schleswig-Holstein. Aktuelle Informationen zur Landeshauptstadt unter www.kiel.de.
-ju- (0301/0203/0613/ 0721)
Quellen:Klaus-Joachim Lorenzen-Schmidt und Ortwin Pelc (Herausgeber), Schleswig-Holstein Lexikon, 2. erweiterte und verbesserte Auflage, 2006, Neumünster, Wachholtz-Verlag, ISBN 13: 9-783529-02441-2; Jürgen Jensen und Peter Wulf (Herausgeber), Geschichte der Stadt Kiel, Neumünster 1991, Wachholtz, ISBN 3 529 02718 9
Bildquellen: Stadt Kiel; Stadtarchiv; WappenLAS