348 Jahre Herrscher über Holstein

Das gezackte Schild der Schauenburger Grafen Gerhard I. und Johann I. von Holstein auf deren Siegel. Daraus sollte im Laufe der Jahrhunderte das holsteinische "Nesselblatt" werden
Das gezackte Schild der Schauenburger Grafen Gerhard I. und Johann I. von Holstein auf deren Siegel. Daraus sollte im Laufe der Jahrhunderte das holsteinische „Nesselblatt“ werden

Im Jahre 1111 ernannte Sachsenherzog Lothar von Supplinburg (*1075-1137†) seinen Lehnsmann Adolf von Schauenburg (*vor 1106-1131†)(in Niedersachsen und Westfalen Schaumburg genannt) zum Nachfolger des im Kampf gegen Slawen 1110 gefallenen Grafen Gottfried von Hamburg. Damit begann die Ära der Schauenburger, die 348 Jahre lang die Geschicke Holsteins, später auch die Schleswigs, prägen sollte. Allerdings gelang ihnen erst im Laufe der Zeit, sich als Landesherren in Nordelbien durchzusetzen und eine feste Machtbasis zu gewinnen. 1131 starb Adolf I. ihm folgte sein jüngerer Sohn Adolf II. (*1128-1164†), der 1164 in der Schlacht von Demmin gegen die Slawen fiel. Sein Tod bedeutete einen schweren Verlust – nicht nur für die Grafschaft Holstein, sondern auch für seinen Lehnsherrn, den Sachsenherzog Heinrich den Löwen (*1129 o.1135-1195†).

Die Wende in Bornhöved

Begünstigt durch die innerdeutschen Wirren nach dem Sturz Heinrich des Löwen 1181, gelang es den dänischen Königen Knut VI. (*1162 o.1163/111882-1202†) und Waldemar II.(*1170/1202-1241†) zwischen 1200 und 1203, Holstein und Stormarn sowie die Städte Hamburg, Lübeck und Ratzeburg zu erobern. 1201 wurde Adolf III.(*1160-1225†) gefangen genommen und musste auf seine Grafschaft verzichten. Nach seinem Sturz zog sich Adolf III. auf die Schaumburg, dem Stammschloss seines Geschlechts an der Weser, zurück. Dort starb er 1225. Sein Sohn Adolf IV.(*vor1205-1261†) kehrte zwei Jahre danach an der Spitze einer Koalition aus norddeutschen Adligen, der jungen Reichsstadt Lübeck und der Dithmarscher in den Norden zurück. Bei Bornhöved besiegte er 1227 das Heer König Waldemars II. Die dänische Niederlage war ein Wendepunkt in der Geschichte Nordeuropas. Sie ließ das dänische Ostseeimperium kollabieren. Mit seinem Sieg hatte sich der Schauenburger nicht nur der dänischen Oberherrschaft entzogen, er war faktisch auch nicht mehr von der Lehnsherrschaft der Sachsenherzöge abhängig. 1239 dankte er ab und wurde Mönch. Damit soll er ein Gelöbnis eingelöst haben, das er im Fall des Sieges erfüllen wollte. Vormund seiner beiden Söhne Gerhard und Johann wurde sein Schwiegersohn, Herzog Abel von Schleswig. 1237 hatte Abel Adolfs IV. Tochter Mechthild geheiratet. Damit waren die Schauenburger Grafen und das „Geschlecht Abels“ dynastisch verbunden. Für die Schauenburger Grafen von Holstein war das Herzogtum Schleswig ein willkommener „Puffer“ zwischen ihrem holsteinischen Territorium und dem mächtigen dänischen Nachbarn. Zugleich entwickelte sich allmählich über die Reichsgrenzen hinweg eine enge Zusammengehörigkeit zwischen dem dänischen Schleswig und dem zum deutschen Reich gehörigen Holstein.

Der Griff nach Schleswig

Siegel des holsteinischen Grafen Gerhard III. genannt auch "der Große Gerhard"
Siegel des holsteinischen Grafen Gerhard III. genannt auch „der Große Gerhard“

Durch Landesteilungen der Schauenburger zerfiel Holstein im Lauf des 13. Jahrhunderts in fünf Teilgrafschaften. Bereits 1261, nach dem Tod Graf Adolfs IV., hatten seine beiden Söhne Gerhard und Johann die Grafschaft Holstein geteilt. Johann regierte von Kiel aus, während Gerhard in Itzehoe residierte. Nach dem Tode Johanns im Jahre 1263 wurde die Grafschaft Kiel in die Linien Kiel und Segeberg geteilt. Als Gerhard im Jahre 1290 verstarb, teilten seine drei Söhne wiederum das Territorium. Es entstanden die Teilgrafschaften Plön, Pinneberg und Rendsburg. 1304 trat mit Gerhard III.(*um1293-1340†) von Rendsburg ein außergewöhnlich tatkräftiger Schauenburger auf die politische Bühne. Im Bündnis mit seinem Vetter Johann III. (*ca.1297-1359†) in Kiel baute er, auch auf Kosten der Pinneberger Linie der Schauenburger, seine Macht in Holstein aus. 1326 eröffnete sich ihm die Chance, auf das Herzogtum Schleswig zuzugreifen. Nachdem der dänische König Christoph II.(*1276/1320-1326 und 1329-1332†) vom dänischen Adel vertrieben worden war, beanspruchte Gerhard III. den dänischen Thron für seinen noch unmündigen Neffen, den Herzog von Schleswig Waldemar IV. aus dem Hause Abel. Er wurde schließlich als Waldemar III. (*1314/1326-1329König/1329Herzog-1364†) 1326 zum König gewählt. Gerhard ließ sich von ihm noch im gleichen Jahr mit dem Herzogtum Schleswig belehnen. Drei Jahre danach setzte sich sein Bruder Johann III. von Plön – mit kaiserlicher Unterstützung – erfolgreich für die Rückkehr Christophs II. auf den dänischen Thron ein. Gerhard III. stellte sich auf seine Seite. Für ihre Dienste ließen sich die beiden Schauenburger und ihre verbündeten Ritter mit Pfandrechten auf das gesamte dänische Reich belohnen. Faktisch hatte Gerhard III. damit die Herrschaft über das in Wirren verstrickte Dänemark übernommen und regierte mit harter Hand. Besonders die von ihm erhobenen Steuern führten immer wieder zu Aufständen. Um diese niederzuwerfen, zog Gerhard III. auch 1340 bis Randers. Dort wurde er von einem dänischen Ritter erschlagen.

Das Ende der Schauenburger

Seit Gerhard VI. auch das Herzogtum Schleswig für die Schauenburger gewinnen konnte, benutzten sie ein viergeteiltes Siegel im dem neben dem "Nesselblatt" auch zwei Löwen stehen. Es sind zwei der drei Löwen aus dem dänischen Wappen. Wie üblich wurde das Wappen des Lehnsherren -also des dänischen Königs - "gemindert übernommen". Unsere Abbildung zeigt die Zeichnung des Siegels von Gerhard VIII.
Seit Gerhard VI. auch das Herzogtum Schleswig für die Schauenburger gewinnen konnte, benutzten sie ein viergeteiltes Siegel im dem neben dem „Nesselblatt“ auch zwei Löwen stehen. Es sind zwei der drei Löwen aus dem dänischen Wappen. Wie üblich wurde das Wappen des Lehnsherren -also des dänischen Königs – „gemindert übernommen“. Unsere Abbildung zeigt die Zeichnung des Siegels von Gerhard VIII.

Die Nachfolger Gerhard III. – der in seiner Residenzstadt Rendsburg bis heute als „De grote Geerd“ gilt – zogen sich aus Dänemark zurück. Sie hatten nun genug zu tun, Schleswig gegen die Versuche der dänischen Könige zu behaupten, das Herzogtum zurückzuerobern. Um 1430 setzte sich die Rendsburger Linie der Schauenburger nach jahrzehntelangem Kampf in Schleswig durch. Zu dieser Zeit herrschten die Brüder Adolf VIII. (*1401-1459†) und Gerhard VII.(*1404-1433†) gemeinsam als Herzöge von Schleswig und Grafen in Holstein. Gerhard starb 1433. Adolf herrschte danach allein. Er bekam 1435 im Frieden von Vordingborg seine Stellung als Herzog von Schleswig auch von den Dänen bestätigt. Nachdem Erich von Pommern abgesetzt war, übertrug der neue dänischen König Christoph III. Adolf 1440 endgültig das Herzogtum Schleswig als erbliches und dienstfreies Lehen. Adolf VIII. starb 1459 ohne Erben. Schleswig und Holstein drohten wieder auseinanderzufallen. Die Macht lag beim holsteinischen Adel, der durch Landbesitz auch in Schleswig starke Interessen hatte. Um zu verhindern, dass Schleswig und Holstein wieder auseinanderfielen, wählten seine vornehmsten Repräsentanten deshalb 1460 den seit zwölf Jahren Dänemark regierenden Neffen Adolfs VIII. aus dem Hause Oldenburg-Delmenhorst zum Herzog von Schleswig und Grafen von Holstein. Christian I. (*1426/1448-1481†) stellte im Gegenzug in Ripen am 5.3.1460 eine Handfeste aus. Im sogenannten Privileg von Ripen wurde der Ritterschaft zugesagt, dass Schleswig und Holstein in Zukunft unter einer gemeinsamen Herrschaft stehen sollten. Das Privileg und seine in Kiel am 4. April 1460 unterzeichnete „Tapfere Verbesserung“ schufen eine Union besonderer Art von Schleswig und Holstein mit Dänemark, die bis 1864 Bestand haben sollte.

Die Anteile der Rendsburger, Plöner und Pinneberger Linie um 1326 (nach Biernatzky)
Die Anteile der Rendsburger, Plöner und Pinneberger Linie um 1326 (nach Biernatzky)

Die Pinneberger Linie der Schauenburger dagegen herrschte noch bis zu ihrem Aussterben im Jahre 1640 in der Grafschaft Holstein-Pinneberg und in den schauenburgischen Stammlanden an der Weser.

Jann Markus Witt (1202 /0721/0122)

Quelle: Jann Markus Witt und Heiko Vosgerau, Schleswig-Holstein von den Ursprüngen bis zur Gegenwart – Eine Landesgeschichte, Hamburg, 2002, Convent-Verlag, ISBN 3-934613-39-X;Ulrich Lange (Herausgeber), Geschichte Schleswig-Holsteins – von den Anfängen bis zur Gegenwart, 2. Auflage 2003, Neumünster, Wachholtz-Verlag, ISBN 3-529-02440-6

 

Bildquellen: Siegel: Zeichnungen nach den Originalen, Landesarchiv Schlesig (LAS); Karte aus: Erich Hoffman, Spätmittelalter und Reformationszeit, Geschichte Schleswig-Holsteins, Gesellschaft für Schleswig-Holsteinische Geschichte, vierte Band, Teil II, Erste und zweite Lieferung, 1981, Wachholtz-Verlag