Am 12.1.1867 verleibte sich das Königreich Preußen die Herzogtümer Schleswig und Holstein durch Annexion als eine Provinz ein. König Wilhelm I. (*1797/1861-1888†) versprach, „eine zweckmäßige und energische Verwaltung“ zu schaffen. Es ging um nicht weniger als die „Entwirrung chaotischer Zustände“, wie ein preußischer Gutachter 1866 festgestellt hatte. Die Preußen fanden eine „kleinststaatliche“ Gliederung vor. Zumindest für das Herzogtum Schleswig war 1853 noch der Versuch unternommen worden, etwas Struktur in die öffentliche Lokalverwaltung zu bringen. Die Gutsbezirke waren aufgehoben und das Land in Syssel aufgeteilt worden, die aus mehreren Harden bestanden. Verwaltung und Justiz waren jedoch noch nicht vollständig getrennt. Das traf auch auf Holstein zu. Die Landesteilungen von 1490, 1544 und 1581 hatten zu einer Vielzahl von Organisationsformen geführt. Es gab Vogteien, Drosteien, Kirchspiele, Landschaften und Gutsbezirke sowie Sonderrechte für kirchliche Ländereien. Fast spätmittelalterliche Verhältnisse, die fast 100 Jahre dänischen Gesamtstaat überdauert hatten.
Ein Versuch, das zu erklären, ist der, dass die für die Herzogtümer zuständige Deutsche Kanzlei in Kopenhagen bewusst darauf verzichtet haben soll, den Verwaltungsaufbau zu modernisieren, weil die eigentümlichen Strukturen auch dazu beitrugen, die traditionellen Rechte gegenüber dem Gesamtstaat zu konservieren (Heino Schröder, 1967). Während der Schleswig-Holsteinischen Erhebung ab 1848 setzte sich die provisorische Regierung für eine Reform ein. Ziel war es vor allem, Justiz und Verwaltung auch auf lokaler Ebene zu trennen. In den Kriegswirren konnte aus der Absicht kein Plan werden. Trotzdem hatte es Vorarbeiten gegeben. Etwa die des Syndikus des Klosters Uetersen Carl Friedrich Hermann Klenze. Er konnte jedoch seine Überlegungen 1849 nur „privatim“ zu veröffentlichen.
Ein Schritt vor, einer zurück
Interessant sind die „Privatgedanken“ Klenzes, weil die bereits am 22.9.1867 in Kraft gesetzte „Kreis- und Distriktsordnung“ der Preußen im Kern das Land aufteilte, wie er es vorgeschlagen hatte. Ziel war es, nach preußischem Vorbild Kreise zu schaffen, die zwischen 570 und 850 Quadratkilometer groß waren und 40.000 bis 60.000 Einwohner hatten. 19 sollten es ursprünglich sein. Da die bis dahin eigenständige Landschaft Eiderstedt nicht in den Kreis Husum wollte, wurden es 20. Es entstand eine Struktur, die in ihren Grundzügen bis heute gilt. Im Bereich des ehemaligen Herzogtums Schleswigs wurden die Kreise Apenrade, Eckernförde, Eiderstedt, Flensburg, Hadersleben, Husum, Schleswig, Sonderburg und Tondern gebildet.
In Holstein waren es der Stadtkreis Altona, die Landkreise Kiel, Oldenburg, Pinneberg, Plön, Rendsburg, Segeberg, Steinburg, Stormarn sowie Süder- und Norderdithmarschen. Die Preußen trennten Justiz und Verwaltung. Doch für die neue Provinz Schleswig-Holstein wurde auf alte und veraltete Strukturen für die Kommunalverwaltung zurückgegriffen. Das hatte innerpreußische Gründe. 1848 war eine fortschrittliche Kreisordnung entstanden. Sie sah unter anderem die mittelbare Wahl des Kreistages aus den Gemeinden heraus sowie die des Landrates aus der Mitte des Kreisausschusses vor. Eingeführt wurde jedoch die seit 1853 wieder geltende altpreußische Kreisordnung, die sich auf einen ständischen Kreistag stützte. Ein Drittel der Stimmen entfiel dabei auf die Großgrundbesitzer. Der Landrat wurde vom König ein- oder vorgesetzt. Bei Stimmengleichheit im Kreisausschuss als Exekutivorgan gab sein Votum den Ausschlag. Im Kreistag wurden Beschlüsse mit einfacher Mehrheit gefaßt. Die Ausnahme waren solche Entscheidungen, die zu höheren Ausgaben führten, sie erforderten eine Zweidrittelmehrheit.
Landräte mit Januskopf
Mit der Kreisordnung von 1867 wurde die Rolle des Landrates in Schleswig-Holstein bis heute bestimmt. Er ist seitdem von Amts wegen Diener zweier Herren. Er muss die Beschlüsse der kommunalen Selbstverwaltung umsetzen und ist zugleich untere Landesbehörde, muss also Vorgaben, Gesetze und Verordnungen der Provinz beziehungsweise heute des Landes umsetzen. Der Landrat in Schleswig-Holstein hat so einen Januskopf (einen mit zwei Gesichtern). Erst mit der neuen Kreisordnung vom 1.4.1889 wurde der Landrat nicht mehr vom König eingesetzt, sondern aus der Mitte des Exekutivorgans, des Kreisausschusses, gewählt.
Auch wurde die ständische Ordnung durch eine Repräsentativordnung nach dem Dreiklassenwahlrecht abgelöst, das bis 1925 bestand. Danach hatten Männer und Frauen ab dem 20. Lebensjahr das kommunale Wahlrecht. Gewählt wurde nach dem Verhältniswahlrecht auf vier statt der bisher üblichen sechs Jahre. Nach der Machtübernahme durch die Nationalsozialisten wurden auch die Kreise „gleichgeschaltet“. Am 17.7.1933 wurden die Kreistage aufgelöst. Seit 1939 lag die Kommunalverwaltung auf dem Lande allein bei den Landräten, die de facto die Vorgaben von Reichsregierung und Partei umzusetzen hatten.
Neuanfang nach 1945
Die britische Besatzungsmacht wollte auch in Schleswig-Holstein eine Kommunalverwaltung nach angelsächsischem Vorbild einführen. Die „community“ sollte ihre eigenen Belange aus sich selbst heraus verwalten. Die ersten Kreistagswahlen fielen noch vor der Bildung des neuen Bundeslandes auf den 13.10.1946. Erst als die Bundesrepublik schon gegründet war, verabschiedete der Landtag in Kiel am 27.2.1950 die neue Kreisordnung. Darin waren die Aufgaben klar getrennt: Das Land setzte den Rahmen, die Kreise verwalteten vor Ort. In der Folgezeit wurde das Prinzip immer weiter ausgehöhlt. Es entstand ein Dualismus zwischen staatlichen und kommunalen Aufgaben. Das Land schuf zunehmend eigene Verwaltungen, die bis auf die örtliche Ebene durchgriffen.
1977 wurde die Kreisordnung novelliert, der Widerspruch zwischen örtlicher Selbstverwaltung und Wahrnehmung von Landesaufgaben wurde dadurch jedoch nicht aufgehoben, sondern verstärkt. Auch mit dem Wechsel der Regierungsverantwortung von der CDU auf die SPD 1988 änderte sich daran nichts. Mit der Kommunalreform von 1995 werden die Landräte seit 1998 direkt gewählt. Die erst 1998 vollendete Kommunalreform wird von allen Fraktionen der Landtages als nicht ausgewogen eingeschätzt; auch gibt es das Ziel, wieder mehr Aufgaben auf die kommunale Ebene zurückzuübertragen. Erörtert wurde vor allem die Frage der Stellung der hauptamtlichen Verwaltungschefs, weil in Städten und Landkreisen die Rolle der ehrenamtlichen Vertreter seit der Aufwertung von Landräten (und hauptamtlichen Bürgermeistern) durch die Direktwahl unterbewertet erscheint.
Kreisreform
Während die Zusammenfassung von Gemeinden bis heute in Ansätzen stecken geblieben ist (Gebietsreform), gelang eine Reform der Kreise von 1970 bis 1973. Seit der Kreisordnung von 1867 war kaum Grundsätzliches passiert. 1876 war das Herzogtum Lauenburg als 21. Landkreis zur preußischen Provinz gekommen. Altona war bis dahin der einzige Stadtkreis, 1883 wurden Kiel und 1888 Flensburg Stadtkreise. 1901 wurden Wandsbek aus dem Kreis Stormarn und Neumünster aus dem Landkreis Kiel ausgegliedert. 1907 fasste man das verbliebene Umland Kiels zum Kreis Bordesholm zusammen. Mit der Grenzlandabstimmung 1920 (Abstimmungsgebiet) verlor Schleswig-Holstein die nordschleswigschen Kreise Apenrade, Hadersleben sowie den größten Teil des Kreise Tondern. Nachdem 1932 für ein Jahr Süder- und Norderdithmarschen sowie Husum und Eiderstedt zusammengeführt wurden, ergaben sich die größten Änderungen 1937 aus dem Groß-Hamburg-Gesetz. Die Stadtkreise Altona und Wandsbek gingen an Hamburg verloren.
Der Oldenburger Landesteil Lübecks (Fürstbistum Lübeck) wurde zum Kreis Eutin. Als die Kreisreform begann, gab es vier kreisfreie Städte (Lübeck, Kiel, Flensburg und Neumünster) sowie 17 Kreise. Trotz großer Widerstände vor Ort wurden Norder- und Süderdithmarschen zum zweiten Mal seit 1581 (Dithmarschen) vereint, Südtondern, Husum und Eiderstedt zum Kreis Nordfriesland, Oldenburg und Eutin zum Kreis Ostholstein, sowie Rendsburg und Eckernförde zum Kreis Rendsburg-Eckernförde zusammengefasst. 1973 schließlich wurden die Landkreise Flensburg Land und Schleswig zum Kreis Schleswig-Flensburg vereinigt. Damit war, begleitet von erheblichen Protesten, die sich vor allem auch an der Frage der Wahl der Kreisstädte entzündeten, die noch heute gültige Struktur von elf Kreisen und vier kreisfreien Städten entstanden.
Kleine Dörfer, große Kreise
Aufgrund der naturräumlichen Gegebenheiten und der Siedlungsdichte sind die Kreise in Schleswig-Holstein unterschiedlich geschnitten. So hat der Kreis Pinneberg nur 662 Quadratkilometer Ausdehnung, jedoch über 260.000 Einwohner. Dithmarschen hat nur 127.000 Einwohner, aber weitaus mehr Fläche als der dichtbesiedelte Kreis Pinneberg. Größter Kreis ist der ebenfalls nur dünn besiedelte Kreis Nordfriesland mit über 2.000 Quadratkilometern. Mit einem Durchschnitt von 177.000 Einwohnern und 1 400 Quadratkilometern liegen die Kreise in Schleswig-Holstein heute weit über dem Durchschnitt des Bundesgebietes.
-ju- (TdM 0701/0801/1003 /0721)
Tipp: www.sh-landkreistag.de
Quellen: Alfons Galette, Seite 7 ff., in :”125 Jahre Kreise in Schleswig-Holstein”, herausgegeben vom Schleswig-Holsteinischen Landkreistag, 1992, Neumünster, ISBN 3-529-02724-3; ”Einführung in die ersten Jahre der preußischen Verwaltung in Schleswig-Holstein” Werner Franz, Zeitschrift der Gesellschaft für Schleswig-Holsteinische Geschichte (ZSHG), Bd. 82 und 83, 1959
Bildquelle: ”125 Jahre Kreis in SH” s.O., Vignette: Logo des Landkreistages