Lorenbahnen ermöglichten das Mergeln im großen Umfang. Dabei wurden auch – wie auf dieser Aufnahme, die um 1907 in der Nähe des nordfriesischen Ladelund entstand – Arbeiter aus Polen und Galizien eingesetzt
Lorenbahnen ermöglichten das Mergeln im großen Umfang. Dabei wurden auch – wie auf dieser Aufnahme, die um 1907 in der Nähe des nordfriesischen Ladelund entstand – Arbeiter aus Polen und Galizien eingesetzt

Ein Gemenge aus Ton mit darin fein verteiltem Kalk wird als „Mergel“ bezeichnet. Er ist in Schleswig-Holstein vor allem im östlichen Hügelland, unter den Sanderflächen und in den Altmoränen der hohen Geest im Westen des Landes (Naturräume) weit verbreitet. Im 18. Jahrhundert wurde erkannt, dass erschöpfte, entmineralisierte Ackerflächen und bis dahin unfruchtbare sandige und moorige Böden durch das Untermischen von Mergel in Kultur gebracht werden konnten. Mergel liefert die Stoffe, die den armen Böden der Geest fehlen: Pflanzen können wieder gedeihen, weil die feinen Tonteile das Wasser im Boden halten und der Kalk den Ph-Wert erhöht und damit in der Lage ist Säure zu binden. In der zweiten Hälfte des 18. und zu Beginn des 19. Jahrhunderts begannen einzelne Bauern mit dem Mergeln. Hatten diese privaten Initiativen Erfolg, fanden sie Nachahmer. Der Abbau des Mergels aus den offenen Gruben auf dem Hügelland sowie vor allem der Transport in die Heide- und Moorgebiete (Moor) waren allerdings zu dieser Zeit technisch und finanziell nicht zu leisten. Erst Ende des 19. Jahrhunderts ermöglichten es Lorenbahnen und andere Geräte, große Flächen zu mergeln. Um sie einsetzen zu können, wurden die Kräfte in Mergelgenossenschaften gebündelt und vom preußischen Staat finanziell unterstützt. Erst dadurch gelang es, Böden im großen Umfang zu verbessern (Melioration). Von 1894 bis 1914 wurden allein auf der schleswigschen Geest 100.000 Hektar „bemergelt“. Während das die Struktur der Böden verbesserte, sorgte schließlich der im Zuge der Industrialisierung verfügbare „Kunstdünger“ dafür, dass die Nährstoffe in das Erdreich kamen, die reiche Ernten möglich machten.

Wie der Mergel entstand

Erdgeschichtlich ist das heutige Gebiet Schleswig-Holsteins zu über 80 Prozent reines Eiszeitland. Drei Eiszeiten sind nachweisbar. Jeder der mächtigen Vorstöße des Eises aus Skandinavien hinterließ im Boden Mergel. Am weitesten verbreitet ist der feste Geschiebemergel mit seinen beigemengten Steinen aller Größen. Er erstand aus eben dem Gesteinsschutt, den das Gletschereis mitschleppte und unter hohem Druck zermahlte und zerrieb. Seltener ist „Mergelton“. So bezeichnet man Mergel, der von Schmelzwasser ausgewaschen wurde und sich als feines Sediment in Stillwasserbereichen ablagerte. Die meisten oberflächennahen Vorkommen von Mergel in den Altmoränen der hohen Geest im Westen des Landes (und übrigens auch auf Helgoland) sind Überreste der vorletzten, der Saaleeiszeit. Die Gletscher der letzten, der Weichseleiszeit, bedeckten nur noch den Osten des Landes und schufen die Jungmoränen des heutigen Hügellandes. Erneut lagerte das Eis Schichten von Geschiebemergel fast flächendeckend ab. Im eisfreien Westen sorgte allerdings Erosion dafür, dass Kalk aus dem alten Mergel herausgelöst wurde und bis über zwei Meter mächtige reine Lehmschichten zurückblieben.

Spurensuche

In den Feldmarken auf den Altmoränen und im Hügelland finden sich noch heute die Reste zahlreicher Mergelgruben. Wo ein lokales Vorkommen von dichtem Mergel in der Erde liegt, erodiert der Boden weniger als in dessen Umfeld. So bilden sich  im Laufe der Zeit Kuppen. Deshalb wurde dort auch besonders häufig nach dem Bodenverbesserer gesucht. Viele ehemalige Gruben liegen so, mit Wasser gefüllt und gesäumt von Bäumen, erhöht in der Landschaft. Auch wenn Toteislöcher und im zweiten Weltkrieg dann Bomben ähnliche Krater hinterließen, sind Mergelgruben leicht erkennbar: Weil der abgebaute Mergel über eine Rampe aus der Grube gefahren werden musste, haben sie meist ein Ufer, das besonders flach ist.

-ju- / Horst Weinhold (0304/0804/0113 /0721)

Quellen: Dr.Horst Weinhold, Dr. Sven Christensen, Landesamt für Natur und Umwelt, Flintbek; Professor Dr. Eckart Dege, Geographisches Institut CAU, Kiel; Fritz Scheffer, Lehrbuch der Bodenkunde, Scheffer/Schachtschnabel, 15. Auflage, erweitert und neu bearbeitet, 2002, Heidelberg, Spektrum Verlag, ISBN 3-8274-1324-9; Carl Schott, die Naturlandschaften Schleswig-Holsteins, in 1 . Lieferung „Geschichte Schleswig-Holstein“ 1955, herausgegeben von der Gesellschaft für Schleswig-Holsteinische Geschichte, 1956, Neumünster, Wachholtz Verlag, ISBN 3-529-05101-2; Jürgen H.Ibs/Björn Hansen/Olav Vollstedt, Historischer Atlas Schleswig-Holstein – 1867 – 1945, Herausgeber Gesellschaft für Schleswig-Holsteinische Geschichte, 2001, Neumünster, Wachholtz, ISBN 3-529-02446-5; Christian Degn/Uwe Muuß, Topographischer Atlas Schleswig-Holstein, herausgegeben vom Landesvermessungsamt, dritte Auflage, Neumünster, 1966, Wachholtz-Verlag

Bildquelle: Raiffeisenbank Süderlügum e.G.