Mit über 4.200 Hektar Anbaufläche gibt es im Landkreis Pinneberg das größte geschlossene Baumschulgebiet der Welt. Die Kunst, kräftige Gehölze durch das mehrmalige Umsetzen von Setzlingen, das sogenannte „Verschulen“, zu ziehen, haben wahrscheinlich schon die Römer in den Norden gebracht. Im Mittelalter pflegten vor allem Klöster den Gartenbau. Erst seit dem 14. Jahrhundert und besonders in der Renaissance erwachte das „Naturgefühl“. Leitbilder wurden die „Fürstengärten“, wie der 1565 bis 1568 von den Gottorfer Herzögen vor Schleswig angelegte. Nach dem Dreißigjährigen Krieg (1618-1648) wurde zum ersten Mal begonnen, die Wälder systematisch durch Setzlinge zu verjüngen. 1737 erließ König Christian VI. eine „Holtz- und Jagdverordnung“. Darin wurde schon für die Anlage „lebender Hecken“, der Knicks, geworben, die im Zuge der Verkoppelung bald das Landschaftsbild Ostholsteins und der Geest prägten. Allein durch die Entnahme von Wildpflanzen aus Wäldern konnten sie nicht mehr begrünt werden. An der Kieler Förde in Düsternbrook entstand 1785 eine „praktische Hilfsanstalt zur näheren Kenntniß der einheimischen und fremden Holzgewächse“. Neben der Forstbaumschule wurde ein Jahr später die „Fruchtbaumschule“ von dem Kieler Professor Hirschfeld gegründet. Sie war die erste Obstbaumschule in den Herzogtümern.
Die „ornamented farm“
Der entscheidende Impuls ging jedoch von dem Hamburger Kaufmann Baron Caspar Voght (1752-1839) aus. Er holte 1795 den schottischen Gärtner James Booth (1772-1811) auf sein Anwesen nach Klein-Flottbek vor den Toren Altonas. Booth legte auf dem 200 Hektar großen Gelände eine öffentlich zugängliche „ornamented farm“ mit einer Baumschule an. Dort wurden auch Pflanzen und Gehölze für den Verkauf gezogen. Mit Voght und Booth begann das Beratungswesen. 1798 eröffnete Booth eine eigene Handelsbaumschule. Sie bestand bis 1884. Um den wachsenden Bedarf zu decken, schlossen Booth und seine Nachfahren Lieferverträge mit Bauern aus der Umgebung und bildeten Baumschuler aus. So wurde der Betrieb zur Keimzelle des Baumschulgebiets. Besonders das Klima und der sandig-lockere Boden der Geest, verbunden mit einem guten Zugang zur Eisenbahn, bildeten dafür ideale Bedingungen.
Der Boom der Gründerzeit
1870 wurden erstmals auch südlich der Elbe Pflanzen ausgeliefert. Immer mehr Baumschulen entstanden. Sie profitierten von einem sprunghaft gewachsenen Bedarf. Der hatte vielfältige Gründe: Einer war das Umdenken in der Forstwirtschaft. Die setzte vermehrt darauf, ihre Bestände systematisch mit Setzlingen zu verjüngen. Im Zeichen der Industrialisierung wuchsen zudem die Städte sprunghaft. Erstmals wurde für die neuen Quartiere im großen Umfang „öffentliches Grün“ gebraucht. Neue Kunden gewannen die Baumschulen auch durch die rund um die Städte entstehenden Schreber- oder Armengärten. So lohnte es seit 1887 auch, Rosen in Großbetrieben zu vermehren. Um 1900 schließlich begann die Landwirtschaftskammer auch Obstbaumkulturen zu fördern. Die Baumschulen breiteten sich auf diese Weise rasch aus und prägten schon vor dem Ersten Weltkrieg um Halstenbek und Rellingen die Landschaft.
Zwei Kriege: zweimal Aufbau
In den 1920er Jahre wurde längst nicht mehr nur innerhalb Deutschlands versandt. Auch der Export blühte. Und die harten Devisen aus Skandinavien, Großbritannien und den Niederlanden halfen den Baumschulen auch über die Inflation hinweg, nicht jedoch über die Weltwirtschaftskrise 1929. Erst nach der Machtübernahme durch die Nationalsozialisten ging es wieder bergauf. Auch wenn der „Reichsnährstand“ nun die Preise festlegte, stieg der Bedarf durch den öffentlichen und militärischen Bau immer weiter. Schon 1936 wurden fast 3.000 Hektar bewirtschaftet und damit die doppelte Fläche wie noch im vorangegangen Jahrzehnt. Daran änderte auch der Zweite Weltkrieg nichts. Kriegsgefangene und Zwangsarbeiter wurden eingesetzt und noch 1944 allein auf dem Halstenbeker Bahnhof 25.000 Tonnen Pflanzen verladen. 1945 waren es nur noch 3.000 Tonnen. In ihrer Anordnung Nr. 4 verfügten die britischen Besatzungsbehörden Ende 1945 angesichts des Nahrungsmangels, 80 Prozent der Baumschulflächen seien in Gemüsefelder umzuwandeln. Bis 1946 sollten 1.200 Hektar gerodet werden. Doch es gelang, die Briten umzustimmen. Unter anderem rechnete man ihnen vor, der Erlös von einem Hektar Rosenkultur reiche, um 750 Zentner Weizen zu kaufen. Im Frühsommer 1946 wurde darauf die Verordnung Nr. 4 wieder aufgehoben.
Baumschulen unter Druck
Mit dem Wiederaufbau in der Bundesrepublik erholten sich die Baumschulbetriebe. Erstmals wurde jedoch die menschliche Arbeitskraft knapp und teuer. Maschinen wurden entwickelt und Pflanzenschutzmittel eingesetzt, wo bisher Menschen per Hand Unkraut gejätet hatten. Wendeten die Baumschuler 1950 pro Jahr und Hektar gut 5.000 Mark auf, verzehnfachte sich der Kapitaleinsatz bis 1960. Zehn Jahre später wurden die Betriebe plötzlich als Umweltverschmutzer öffentlich kritisiert. Grund waren die immer höheren Mengen der sich im Grundwasser anreichernden Reste von Pflanzenschutzmitteln.
Viele Brunnen mussten stillgelegt werden. Die Baumschuler fühlten sich zu Unrecht an den Pranger gestellt, hatten sie doch behördlich genehmigte und damit anscheinend unbedenkliche Mittel eingesetzt. Seitdem werden die Techniken des sogenannten integrierten Pflanzenschutzes immer weiter entwickelt, um dadurch auf den Einsatz chemischer Stoffe verzichten zu können. Ein ungelöstes Problem bleibt der wachsende Siedlungsdruck. Immer mehr Menschen ziehen vor die Tore Hamburgs. Deswegen müssen angestammte Baumschulbetriebe inzwischen schon aussiedeln. Sorgen bereitet das, weil gerade durch die enge Nachbarschaft der Betriebe eine Angebotsbreite durch Tausch organisiert werden kann, die das Gebiet im harten internationalen Wettbewerb bestehen lässt. Seit den 1960er Jahre ist diese Kooperation in einer Baumschulbörse organisiert. Noch beschäftigen die gut 400 Pinneberger Baumschulen gut 3.000 Menschen und produzieren jährlich rund eine Milliarde Pflanzen, darunter auch ein Drittel aller Gehölze in Deutschland. Das hat dem Gebiet den Beinamen „Wiege des Deutschen Waldes“ eingebracht. Dass diese ausgerechnet im waldärmsten deutschen Flächenland steht, ist nicht Schuld der Baumschuler.
-ju- (0503*)
Tipp: In Pinneberg gibt es das Deutsche Baumschulmuseum: www.baumschulmuseum.de. Weitere Informationen beim Landesverband im Bund deutscher Baumschulen LV-SH@bund-deutscher-baumschulen.de. Auf der Internetseite des BdB www.bdb-schleswig-holstein.de sind auch aktuelle Grunddaten zu den Baumschulen im Lande zu finden
Quelle: Landesverband Schleswig-Holstein im Bund deutscher Baumschulen e.V., Chronik der Baumschulen in Schleswig-Holstein, 1994, Pinneberg
Bildquellen: alle Bilder sind der Chronik entnommen