Im Jahr 1773 wurde der Konflikt zwischen Dänemark und den Gottorfer Herzögen friedlich beigelegt. Es entstand der Dänische Gesamtstaat, zu dem die nun wieder vereinten Herzogtümer Schleswig und Holstein gehörten. In der Folge handelte der Gesamtstaat nach außen neutral, und richtete die Politik darauf aus, das Land im Inneren zu entwickeln. In der Region begann damit eine Phase des Friedens und des Wohlstandes.
Die Aufklärung
In den Städten Schleswigs und Holsteins bildete sich im 18.Jahrhundert eine neue aufklärerische Gesellschaftskultur heraus. Salons entstanden in denen geraucht, Tee und Kaffee getrunken, aber vor allem gelesen und diskutiert wurde. Die alten Gewohnheiten und Rechte wurden zunehmend hinterfragt und es bildete sich ein neues Verständnis von Mensch und Staat heraus. Bedeutend dafür war, neben der Universitätsstadt Kiel, Altona. Die mit 24.000 Einwohnern zweitgrößte Stadt des Gesamtstaates profitierte dabei vor allem von der Freiheit, die sie in Fragen der Religion und der Meinung gewährte. So konnte sie zu einem Zentrum des Austausches der Religionen und Kulturen werden. Zahlreiche Verleger am Orte verbreiteten das neue Gedankengut. Auch wenn zu bedenken ist, dass die Aufklärer nur eine kleine Minderheit der Bevölkerung ausmachten, waren sie politisch bedeutend. Der neue Geist initiierte auch die weitreichenden Agrarreformen. Um den Wohlstand zu erhöhen – damals nannte man das „Wohlfahrt“ – wurde auch das Großprojekt des Baus des Schleswig-Holsteinischen Canals gewagt. Gezielt sollte die heimische Wirtschaft erneuert und gestärkt und damit sowohl die Einnahmen des Staates erhöht, als auch das Leben der Untertanen verbessert werden.
Die Leibeigenen werden „frei“
Handwerk und Handel bestimmten das Leben in den Städten. Beide Wirtschaftszweige lebten in den außenpolitisch ruhigen Zeiten des Gesamtstaates zunehmend auf. Prägend für die Herzogtümer war jedoch nach wie vor die Landwirtschaft. Entscheidend wandelte sich das Leben auf dem Land durch die Agrarreformen. Vor allem änderte sich die Stellung der Landarbeiter durch das Ende der im Geiste der Aufklärung nun als menschenunwürdig wahrgenommenen Leibeigenschaft. Im Dezember 1804 wurde die „Verordnung wegen Aufhebung der Leibeigenschaft für die Herzogtümer Schleswig und Holstein“ veröffentlicht. Der erste Punkt verkündet feierlich: „Die Leibeigenschaft ist in Unsern Herzogtümern Schleswig und Holstein, von dem 1sten Januar 1805 an, gänzlich und auf immer abgeschafft, ohne irgend eine Ausnahme.“ Auch wenn so rund 100.000 Menschen ihre persönliche Freiheit gewannen, verbesserte sich dadurch nicht zwangsläufig ihre ökonomische Situation. Vielen der Befreiten ging es über Jahre und Jahrzehnte schlechter als davor. Die meist adeligen Gutsherren hatten für „ihre“ Leibeigenen bis dahin auch soziale Pflichten. So lag die Reform auch im Interesse der Gutsherren weil das um 1500 entstandene System inzwischen nicht mehr rentabel war. Die ehemals unfreien Bauern wurden nun zu sozial nicht mehr abgesicherten Landarbeitern oder mussten Land teuer pachten. Die neue Freiheit musste mit großer ökonomischer Unsicherheit bezahlt werden. Das Ende der Leibeigenschaft war jedoch auch über die Grenzen der Herzogtümer hinaus ein bedeutendes Signal für mehr Freiheit.
Die Verkoppelung ändert alles
Die Zeit bis 1800 war eine des stetigen Wachstums der Bevölkerung. Von etwa 524.000 Menschen im Jahr 1735 war die Zahl der Menschen in den Herzogtümer im Jahr 1803 auf 630.800 angewachsen. Mit der dadurch steigenden Nachfrage nach Lebensmitteln stiegen auch die Preise rasant: so verdoppelte sich etwa der Getreidepreis in nur fünfzig Jahren. Seit 1766 auch von staatlicher Seite unterstützt, kam es zu der sogenannten Verkoppelung. Das bis dahin genossenschaftlich genutzte und jährlich neuverteilte Land wurde nun fest an einen Besitzer gegeben. Das Kalkül dahinter: Das eigene Land sollte intensiver und damit effektiver genutzt werden. Die gewünschten Mehrerträge stellten sich ein, es veränderte sich aber auch das Zusammenleben im Dorf: Mit dem Wechsel von gemeinsamer zu individueller Landwirtschaft entstanden Konkurrenz und Gefälle zwischen den schlechter und besser Wirtschaftenden. Der Nachbar wurde nun weniger als den gleichen Umständen ausgesetzter Leidensgenosse, denn als ein um die besten Böden und höchsten Erträge streitender Rivale verstanden.
Die Umwelt wandelt sich
Der Mensch veränderte nun bewusst und gezielt seine Umwelt. Am augenfälligsten passierte das im östlichen Hügelland durch die Verkoppelung. Weil das Anlegen von Zäunen erhebliche Mengen des knappen und teuren Holzes erforderte, wurden auf den neuen Ackergrenzen Erdwälle angelegt und bepflanzt. Die Wallhecken oder Knicks entstanden, insgesamt etwa 80.000 Kilometer. Die Knicks grenzten nicht nur das Eigentum ab, sie lieferten auch das knappe und teure Brennholz. Im Zuge der Verkoppelung änderte die schleswig-holsteinische Landschaft in nur wenigen Jahrzehnten ihr Gesicht. Um mehr Land unter den Pflug nehmen zu können und den wachsenden Bedarf, vor allem an Getreide, zu befriedigen, wurden in der Marsch weitere neue Köge eingedeicht. Auch wurde begonnen, die großen Moore trocken zu legen, um die Flächen nutzbar zu machen. Gleichzeitig ging für den Haus- und Schiffbau der Raubbau an den ohnehin schon geringen Waldbeständen weiter.
Die Kartoffel prägt den Speiseplan
Die Kartoffel war innerhalb weniger Jahre zum Volksnahrungsmittel geworden. Wie auch Schwarzbrot galt sie als das Essen der Ärmsten und war deshalb wenig beliebt. Jedoch erlaubte der Kartoffelanbau der ländlichen Unterschicht eine gewisse Selbstständigkeit: Sie war relativ einfach zu kultivieren und nicht nur sehr nahrhaft, sondern ermöglichte dazu auch das Halten von Tieren wie Schweinen und Hühnern. Wer es sich leisten konnte, verzichtete aber aus Gründen des Prestiges bewusst auf sie. Er hielt sich an andere Gerichte wie Mehlspeisen und Grützen oder solchen mit Rüben, Kohl, Bohnen und Erbsen. Gerade die Menschen auf dem Land wollten essen, was sie gewohnt waren. Die Abneigung gegen die Kartoffel ging soweit, dass Tagelöhner und Knechte auf Höfen im Bereich der reichen Elb- und Nordseemarschen protestierten. Sie drohten damit, ins nahe Hamburg abzuwandern. So setzten sie durch, dass ihnen keine Kartoffeln mehr vorgesetzt wurden und sie zwei Mal pro Tag Fleisch bekamen. Wo die Gefahr der Landflucht geringer war, hatten die Tagelöhner jedoch weniger Einfluss, und mussten meist deutlich einfacher essen – und somit auch oft Kartoffeln.
Das Familienleben lockert sich
Die typische Familie hatte zwei, manchmal drei Kinder. Auf dem Land lebten, sowohl bei den weitgehend besitzlosen Kätnern, als auch bei den Hufnern, durchschnittlich in einem Gebäude etwa acht Personen. Doch während sich die Kätner ihre kleinen Häuser (Kate) häufig mit anderen Familien teilen mussten, lebten die Hufnerfamilien in geräumigeren Häusern mit ihren Knechten und Mägden zusammen. Für die Zeit um 1800 ist ein deutlicher Anstieg bei unehelichen Geburten zu erkennen. Auch wenn diese mit noch unter fünf Prozent der Neugeborenen nur einen kleinen Anteil der Bevölkerung ausmachten, lässt sich durch ihre Steigerung auf größere individuelle Freiheiten schließen. Die Klassenschranken verloren an Bedeutung und Moden und einschränkende Normen wurden hinterfragt. Damit begannen sich auch die strengen familiären Regeln zu lockern.
Bela Haensel (1015)
Literatur: Bohnen, Klaus/Jørgensen, Sven-Aage (Hgg.): Der dänische Gesamtstaat. Kopenhagen, Kiel, Altona. Tübingen 1992 (Zentren der Aufklärung 4).
Cord, Alix Johanna: Der Strukturwandel in der ostholsteinischen Gutswirtschaft um 1800. Dargestellt am Beispiel der adligen Güter Rixdorf und Salzau. Neumünster 1997 (Studien zur Wirtschafts- und Sozialgeschichte Schleswig-Holsteins 28).
Gehrmann, Rolf: Leezen 1720-1870. Ein historisch-demographischer Beitrag zur Sozialgeschichte des ländlichen Schleswig-Holsteins. Neumünster 1984 (Studien zur Wirtschafts- und Sozialgeschichte Schleswig-Holsteins 7).
Rheinheimer, Martin (Hrsg.): Der Durchgang durch die Welt. Lebenslauf, Generation und Identität in der Neuzeit. Neumünster 2001 (Studien zur Wirtschafts- und Sozialgeschichte Schleswig-Holsteins).
Lehmann, Hartmut/Lohmeier, Dieter (Hgg.): Aufklärung und Pietismus im dänischen Gesamtstaat. 1770-1820. Neumünster 1983 (Kieler Studien zur deutschen Literaturgeschichte 16).
Kraack, Detlev/Lorenzen-Schmidt, Klaus-Joachim (Hgg.): Essen und Trinken. Zur Ernährungsgeschichte Schleswig-Holsteins. Neumünster 2010 (Studien zur Wirtschafts- und Sozialgeschichte Schleswig-Holsteins 46).
Bildquellen: Knop/Verkoppelung: Schleswig-Holsteinische Landesbibliothek; Karikatur 1774: aus Tine Damsholt „Fædrelandskærlighed og borgerdyd, Kopenhagen 2000