Etwa 600 vor Christi Geburt gelang es den Persern, kristallinen Zucker herzustellen. Sie gossen dazu heißen Zuckerrohrsaft in kegelförmige Gefäße mit einem Loch in der Spitze. Der Sirup läuft ab, der Zucker kristallisiert zu einem Kegel, dem Zuckerhut. Erst 1.700 Jahre später lernten Europäer auf den Kreuzzügen Zucker kennen. Er wurde zum Luxus von Königen und Fürsten. 1506 brachte Kolumbus auf seiner zweiten Reise das Zuckerrohr in die „neue Welt“. Vor allem auf den westindischen Inseln entstanden danach immer mehr Zuckerrohrplantagen. So auch auf den dänischen Inseln St. Thomas, St. Jan und St. Croix. Mitte des 18. Jahrhunderts bekamen Flensburg und Altona vom dänischen König das Privileg, den Handel mit den dänisch westindischen Inseln aufzunehmen. 1755 brachte die „Neptunus“ als erstes Schiff Rohzucker an die Förde. Weitere folgten, bald gab es 13 Zuckerraffinerien in Flensburg. Sie stellten aus dem braunen, feuchten Rohzucker eine ganze Palette von Produkten vom Kandis bis zum Puderzucker her. Mit den neuen Kolonialgetränken Tee, Kaffee und Kakao – allesamt bitter – wuchs der Bedarf am Luxusgut Zucker. Er bescherte Flensburg einen Boom. Die Zahl der Einwohner allein stieg bis 1800 auf 11.000 an und hatte sich damit innerhalb weniger Jahrzehnte mehr als verdoppelt.
Der Siegeszug der Rübe …
1800 wurden weltweit schon 250.000 Tonnen Rohrzucker verbraucht. Doch noch war er kostbar. Ein Arbeiter musste etwa fünf Stunden arbeiten, um sich ein Kilo Zucker leisten zu können. Durch die Kontinentalsperre im Zuge der Napoleonischen Kriege stoppte die Einfuhr von überseeischem Rohrzucker in der Herzogtümern. Zudem wurde Zucker vor allem durch Sklavenarbeit gewonnen. Die Sklaverei geriet jedoch zunehmend in die Kritik. Deshalb suchte man eine Alternative zum Rohrzucker. Die hatte der deutsche Chemiker Andreas Sigesmund Marggraf (*1709-1782†) schon aufgezeigt, als er darauf hinwies, das Rohr- und Rübenzucker identisch sind. Nach dessen Tod griff sein Schüler Franz Karl Achard (*1753-1821†) die Idee auf. Es gelang ihm zwar, den Zuckergehalt der Rüben auf fünf Prozent zu steigern (heute bis zu 20 Prozent), er scheiterte jedoch bei dem Versuch, Zucker aus Rüben industriell zu gewinnen. In Deutschland sollte es noch einige Jahrzehnte dauern, bis der Rübenzucker sich durchsetzte. Bis 1914 entstand dann eine weltbeherrschende deutsche Rübenzuckerindustrie.
… auch in Schleswig-Holstein
1869 begann der in Itzehoe lebende Belgier Charles de Vos (*1810-1889†) mit einer Fabrik in Wesselburen in Dithmarschen die Rübenzuckerproduktion in Schleswig-Holstein. In der gesamten Provinz bauten immer mehr Bauern Zuckerrüben an. Obwohl die neue Feldfrucht umstritten war, herrschte eine Art Aufbruchstimmung. Innerhalb weniger Jahre (1883 bis 1883) entstanden vor allen in Dithmarschen und Ostholstein mehrere Großbetriebe. Doch inzwischen wurde weltweit zu viel Zucker produziert und die Preise stürzten rapide. Das trieb die meisten Fabriken in den Konkurs. Nur die Raffinerien in Wedel (gegründet 1890) und St. Michaelisdonn (1880) überstanden den ersten Weltkrieg. Wedel musste 1932 schließen, St. Michaelisdonn produzierte bis 1995. Danach bestand nur noch die 1953 gegründete Fabrik in Schleswig. Sie wurde 2002 geschlossen. Die verbliebenen Rübenanbauer liefern nun nach Niedersachsen.
-ju- (0406/0721)
Quellen: Jutta Glüsing/Susanne Grigull/Stefanie Robl, Flensburger Schiffahrtsmuseum; Deutsches Museum – Schätze der Bibliothek, Buch des Monats, Januar 2000, Franz Carl Achard, die europäische Zuckerfabrication aus Runkelrüben, auf <www.deutsches-museum.de>; Stefanie Goldschneider, Rohrzucker – Geschichte von Zuckerrrohr Saccharum officinarum; Stefan Wendt in Klaus-Joachim Lorenzen-Schmidt und Ortwin Pelc (Hrsg.), Schleswig-Holstein Lexikon, Neumünster, 2000, Wachholtz Verlag, ISBN 3-529-02441-4; K.Göhwer, Die Zuckerraffinerie Chs. De Vos & Co Itzehoe, 2004, Itzehoe