Besonders rund um die Flensburger Förde grüßten bis in das 20. Jahrhundert hinein von den Ufern die Schornsteine von bis zu 60 Ziegeleien. Hier gab es die größte Konzentration im Norden. Backsteine wurden zuerst in Italien gebrannt und kamen in der zweiten Hälfte des 12. Jahrhunderts auch in den Ostseeraum. Einer der ersten Backsteinbauten war die seit 1160 errichtete Waldemarsmauer im Danewerk. Erst vor allem als Material für den Bau von Kirchen und Repräsentationsgebäuden eingesetzt, lösten Ziegel zunehmend das immer knapper werdende Holz, dazu Schilf sowie Lehm als Baumaterialien ab. Ziegeleien entstanden überall dort, von es toniges Rohmaterial gab. Das waren Lehmvorkommen auf der Geest und dicke Kleischichten in der Marsch. Ziegeleien arbeiteten bis weit in das 19. Jahrhundert hinein vor allem ortsnah. Damals gab es in Schleswig-Holstein 600 Ziegeleien. Bis sich nach 1858 der von Friedrich Hoffmann (*1818-1900†) erfundene Ringofen verbreitete, war die Produktion von Ziegeln eine rein handwerkliche Arbeit. Mit den neuen Öfen wandelte sich die Produktion zur Baustoffindustrie. Gab es früher fast überall, wo Ton anstand, Ziegeleien, so produziert heute in Schleswig-Holstein nur noch ein Werk bei Glückstadt.
Feldziegeleien auf dem Ton
Ton als Rohmaterial gewinnen, reinigen und aufbereiten, zu Ziegeln formen, die weichen „Formlinge“ trocknen und schließlich der Brand. Diese Schritte bei Herstellen von Ziegeln haben sich seit Anbeginn nicht verändert. Die Ziegeleien waren dabei zuerst kleine, handwerkliche Betriebe. Zwei- bis achttausend Formlinge wurden rund zu einem Meiler gestapelt, der von außen mit Lehm abgedichtet wurde. In der Mitte blieb eine Öffnung, durch die der Rauch des zwischen den lose gestapelten Ziegeln brennenden Torfs – oder in Küstennähe auch Steinkohle – abziehen konnte. Eine Woche wurde gebrannt, fast genauso lange musste der Meiler auskühlen. Da sich die Hitze nicht gleichmäßig verteilen konnte, entstanden im „Erdbrandverfahren“ zu viele, nur schwach gebrannte Ziegel, die mit Verlust nur preiswert als Hintermauerwerk verkauft werden konnten. Das Erdbrandverfahren wurde noch bis ins späte 19. Jahrhundert z.B. auf Fehmarn betrieben, war aber längst nicht mehr konkurrenzfähig.
Mehr Ziegel aus der Kammer
Schon im 18. Jahrhundert wurde Holz immer knapper und teurer. Der Massivbau wurde deshalb immer bedeutender. Dazu kam vor allem im 19. Jahrhundert das rasante Wachstum der Bevölkerung. Es wurde überall gebaut. Die dafür benötigten Ziegel ließen sich im alten Verfahren nicht mehr herstellen. Die Erdöfen wurden durch Kammeröfen (auch „Deutsche Öfen“ genannt) ersetzt. Fünf Meter hohe, rechteckige Schächte mit Mauern von eineinhalb Metern konnte mit bis zu 60.000 Formlingen befüllt werden. Von unten beheizt mit zwei bis drei Torfsoden pro Mauerstein erreichte die Temperatur zwischen den gestapelten Ziegeln zwischen 800 und 1.200 Grad. Versuche, die Kammeröfen zu vergrößern, scheiterten, weil nun wieder zu viel minderwertige Ware entstand. Ziegeln war ein Saisonbetrieb. Die Kammeröfen brannten zwischen Ostern und Michaelis (29. September) zwei bis zehn Mal.
Ziegeln war Saisonarbeit
Der Lehm für das kommende Jahr wurde im Tagebau im Spätsommer gegraben. Auf Haufen „kochte“ die Sonne nun den Ton durch, der Frost machte ihn geschmeidig. Im Frühjahr kam alles in Sumpfgruben und wurde lange von den Arbeitern mit nackten Beinen getreten und geknetet. Diese Arbeit wurde im ersten Mechanisierungsschritt dann in runden flachen Sumpfgruben von Ochsen und Pferden übernommen. Sie zogen die schweren Karren im Kreis und homogenisierten so den Lehmbrei. Die weiche Masse wurde auf einem Streichtisch von Ziegelstreichern in einen Holzrahmen geschlagen und mit einem Rundholz abgezogen. Ein Mann schaffte so pro Tag 3.000 bis 5.000 Ziegel. Die weichen „Frischlinge“ wurden zum Trocknen weggelegt und nach einigen Tagen auf die Kante gestellt. Wo es sie gab, standen die Rohziegel in luftdurchwehten Trockenscheunen. Nach vier bis acht Wochen war ein Viertel des Wassers aus dem Ton und es konnte gebrannt werden. Zum Beginn der Ziegelsaison im Frühjahr kamen dann verstärkt von der Mitte des 19. Jahrhunderts an Wanderziegler aus Lippe-Detmold nach Schleswig und Holstein. Engagiert von Agenten bildeten sie für je einen Betrieb eine „Ziegelkommune“ mit genossenschaftlicher Organisation. Solche Gruppen kamen dann oft aus einem Dorf. Erst mit Beginn des 20. Jahrhundert hörte mit dem immer mehr verbreiteten Ringofen und der zunehmenden Mechanisierung der Betriebe der jährliche Zug der Wanderziegler nach Norden auf.
Der Ringofen als Revolution
Auch wenn es am Ende noch Patentstreitigkeiten gab: Friedrich Hoffmann gilt als der Erfinder des Ringofens. 1858 erstmals patentiert revolutionierte er das Ziegeleiwesen. Das Geheimnis waren zwölf, später auch 16 und mehr Brennkammern,
die im Ring um einen zentralen Schornstein angeordnet waren. Der Ofen musste nicht mehr nach jedem Brand komplett auskühlen. Das Feuer wanderte nun von außen reguliert von Kammer zu Kammer. Die Frischluft erwärmte sich dabei an den gebrannten Steinen und trocknete damit die in der nächsten Kammer auf den Brand wartende Rohlinge. Damit konnte kontinuierlich produziert und es wurden zwischen 60 bis 70 Prozent des bisher benötigten Brennstoffs eingespart. Bis in die Mitte des 20. Jahrhunderts waren die Ringöfen bestimmend. Erst seitdem werden die noch leistungsfähigeren und Arbeitskraft ersparenden Tunnelöfen eingesetzt.
Harte Arbeit – wenig Lohn
Die Arbeitsplätze in den Ziegeleien gehörten zu den schlechtesten in der gesamten Industrie der Herzogtümer. Ein Streicher arbeitete zwölf Stunden, in denen der 5.000 Ziegel in Form brachte. Dafür musste er 23.000 Kilogramm Ton bewegen. Auch die Einsetzer an den Ringöfen arbeiteten zwölf Stunden. Dabei bewegten sie bei 50 bis 70 Grad durch einen von Staub und Rauch gefüllten Tunnel pro Tag 14.000 Ziegel, was etwa 40 Tonnen entsprach. Chronischer Husten, Bronchialkatarrh und Lungenentzündungen waren die Folge. Auch Frauen und Kinder arbeiten in den Ziegeleien. Sie wurden meist zur Produktion von Dachziegeln und Verladearbeiten eingesetzt oder wendeten die trocknenden Ziegel.
Boom und Niedergang
1865 gab es in den Herzogtümern ziemlich gleichmäßig über das Land verteilt etwa 600 Ziegeleien. Nach der Annexion durch die Preußen begann in der neuen Provinz ein Bauboom. Dazu trugen nicht nur Wohnungsbauten bei, sondern auch die neu entstehenden Bahnhöfe, Fabriken und Hafenanlagen und von 1887 an besonders der Bau des Nord-Ostsee-Kanals. Als Folge davon entstanden neben den vielen kleinen Ziegeleien auch drei Fabriken. Es waren die Dampfziegelei Festge in Brunsbüttel, die 100 Leute beschäftigte und jährlich zwölf Millionen Ziegel herstellte; auf neun Millionen kam das Friedrichsruher Tonwerk im Sachsenwald mit seinen 130 Mitarbeitern; zehn Millionen Stück produzierte die Ziegelei Rennberg. Sie hatte mit 150 bis 200 Arbeitern die größte Belegschaft. Das lag auch an der breiten Palette von Produkten, zu denen neben Dachziegeln noch Formsteine, Fliesen und Terrakotten sowie glasierte Tonprodukte gehörten. Im Ersten Weltkrieg musste über die Hälfte der Ziegeleibetriebe schließen. 1938 gab es noch 101 Ziegeleien in der Provinz. Nach dem Zweiten Weltkrieg nahmen 81 Betriebe die Arbeit wieder auf. Die Kriegsschäden und der Bau von Wohnungen für Flüchtlinge verursachten einen erneuten Boom. Doch mit dem Einsatz von Kalksandsteinen als Hintermauerwerk, des Betons und des Kunststoffs (der auch das Herstellen von Drainagerohren aus Ton beendete) begann der Niedergang der Ziegeleien. 1975 waren noch 13 Betriebe – nun vorwiegend mit Tunnelöfen – auf dem Markt, sechs hielten noch bis in die 1990er Jahre durch. Heute gibt es nur noch die Marschenziegelei Blomsche Wildnis bei Glückstadt. Sie gehört seit 2019 zu einem belgischen Konzern.
Zeugen einer großen Tradition
An den Stränden rund um die Flensburger Förde und auch an der Schlei sind noch heute oft gelbe Ziegel aus den zahlreichen Ziegeleien zu finden. Gerade die Flensburger Förde eignete sich besonders, da sie einerseits reichlich Ton als Rohmaterial bot und andererseits am Wasser gelegen sowohl den Transport des Brennstoffes wie auch der Ziegel erleichterte. Im heute dänischen Egernsund produzieren aktuell noch zwei Ziegeleien. Bei Broaker auf einer Halbinsel in der Förde steht die alte Ziegelei Cathrinesminde. Sie produzierte von 1732 bis 1968 und ist heute ein Ziegeleimuseum. Neben den Gebäuden von Ziegeleien erinnern die meist mit Wasser gefüllten alten Lehmkuhlen oder Flurnamen an die Tradition. So in Nordfriesland auf Plattdeutsch „Tegelbarg“ (Ziegelberg) und „Tegelifenn“ (Ziegelwiese) oder Friesisch „Limköl“ (Lehmkuhle) und „Stinown“ (Steinofen).
Werner Junge (1222*/0424)
Literatur: Hans-Kai Möller, Vom Meilerofen zur Backsteinfabrik. Die Entwicklung der Ziegeleien in Schleswig-Holstein, in: Rundbrief des AK für Wirtschafts- und Sozialgeschichte Schleswig-Holsteins 125, 2020, S. 41-53; Jochen Bracker, Ziegelei, in: Schleswig-Holstein Lexikon, hgg. von Klaus-Joachim Lorenzen-Schmidt und Ortwin Pelc, 2. verbesserte Auflage, Wachholtz Verlag, Neumünster 2006, S. 631f., ISBN 9-783529-02441-2; Inge Adriansen u.a., Tegelværker ved Flensborg Fjord, Gråsten 1984; Martin Pries, Die Entwicklung der Ziegeleien in Schleswig-Holstein, Schöning Verlag, Paderborn 1989, ISBN-13: 9-783506-73645-1; Gerd Kühnast; Ziegeleien, in „Der Maueranker – Zeitschrift der IG Baupflege“, 03.2012
Abbildungen: Vignette/Kollmar: Museum für Hamburgische Geschichte; Ziegelei Poppenbüll: Ortschronik Poppenbüll; Streichtisch Ekensund: Foto – Richard Jepsen Dethlefsen; Ringofen:Sammlung Hans-Kai Möller; Catherinesminde: Postkarte; Ziegel: Foto – Werner Junge