Das Dampfschiff, die Eisenbahn und rauchende Schornsteine waren die Symbole des Industriezeitalters
Das Dampfschiff, die Eisenbahn und rauchende Schornsteine waren die Symbole des Industriezeitalters

Ausgehend von England begann Ende des 18. Jahrhunderts die Industrialisierung. Sie erreichte das landwirtschaftlich geprägte Schleswig-Holstein spät. Gründe dafür waren neben dem Mangel an industriell nutzbaren Rohstoffen mit Ausnahme von Ton (für Ziegel) und Kreide (für Portlandcement) auch die wirtschaftlich schlechte Lage nach dem dänischen Staatsbankrott von 1813. Zudem befand sich das dänische Königreich in einem Umbruch von einer merkantilistischen Staatswirtschaft zu einer frühliberalen Individualwirtschaft. Folge war, dass viele staatswirtschaftliche Regelungen noch Bestand hatten, die zünftische Ordnung für Handwerk und Handel erhalten blieb, andererseits jedoch auch Sonderregelungen für neue Industriebetriebe erlassen wurden. Die ersten Jahrzehnte des 19. Jahrhundert nach den Napoleonischen Kriegen waren zudem überschattet von einer Krise der Landwirtschaft.

Vorboten einer neuen Zeit

Arbeitsende in der Netzfabrik Engel in Itzehoe um die Jahrhundertwende. An den Webmaschinen waren vor allem Frauen beschäftigt
Arbeitsende in der Netzfabrik Engel in Itzehoe um die Jahrhundertwende. An den Webmaschinen waren vor allem Frauen beschäftigt

Trotzdem erreichten die Vorboten der neuen Zeit, der ”industriellen Revolution”, auch die Herzogtümer. 1819 verkehrte das erste Dampfschiff, die ”Caledonia”, zwischen Kiel und Kopenhagen. 1824 schnaufte in der Textilfabrik Renck in Neumünster die erste Dampfmaschine, 1827 entstand mit der Carlshütte in Büdelsdorf (Eisengießerei) der erste Großbetrieb in den Herzogtümern. Neben dem Mangel an Rohstoffen behinderten vor allem die schlechten Verkehrsverbindungen den Aufbau industrieller Betriebe. Erst 1832 wurde die gepflasterte Chaussee zwischen Altona und Kiel fertiggestellt, 1844 fuhr parallel die erste Eisenbahn im dänischen Gesamtstaat. Nun erst konnten industriell gefertigte Produkte nach und nach handwerkliche Waren verdrängen. Für den Bau, die Landwirtschaft und den Haushalt lieferte die Carlshütte Eisengerät, Textilien und Leder kamen aus Neumünster, in Itzehoe wurde der erste Zucker industriell raffiniert. Bis 1845 ergänzte die industrielle Produktion nur das handwerkliche Angebot.

Aufschwung nach 1867

Der nächste Schub der Industrialisierung setzte erst nach der Annexion der beiden Herzogtümer durch die Preußen nach 1867 ein. Besonders die Werft- und die Nahrungsmittelindustrie nahmen großen Aufschwung. Auch setzte einmal durch den Zuwachs der Bevölkerung, aber auch den Eisenbahnausbau sowie besonders mit dem Bau des Nord-Ostsee-Kanals ein Boom der Baustoffindustrie ein. In der Hochzeit gab es allein in der Provinz Schleswig-Holstein 600 Ziegeleien. Die „standen“ meist auf dem Ton, die Standorte der weiteren neuen Industrie beschränkten sich im wesentlichen auf die größeren Städte. Das waren einmal die alten Zentren. Doch wuchsen auch Flecken wie Elmshorn, Wandsbek und besonders Neumünster als „Manchester Holsteins“ durch die Industrialisierung von Flecken schnell zu Städten heran. Das Land blieb jedoch vorwiegend kleingewerblich und landwirtschaftlich geprägt. Besonders nach der Reichsgründung 1871 fand jedoch immer mehr Industrieware den Weg nach Schleswig-Holstein. So veränderten Gußeisen, Dachpappe und Wellblech das Bauen auf dem Lande, regionale Architektur wurde auch in den ländlichen Kleinstädten durch ”Gründerzeitarchitektur” verdrängt. Wie überall fanden Konsumgüter auch in Schleswig-Holstein ihre Abnehmer. Mit der Gründerzeit setzte in der preußischen Provinz eine Angleichung ein, denn überall gab es nun die gleichen Waren zu kaufen – damit schwand für die Menschen fühlbar auch ein Teil der regionalen Identität. Als Reflex darauf bemühte sich vor allem das Bürgertum, regionale Traditionen zu bewahren. Heimatvereine wurden gegründet und Museen aufgebaut wie in Altona, Flensburg und Meldorf, in denen Muster der tradierten regionalen künstlerischen und handwerklichen Traditionen gesammelt wurden.

-ju- (0201/0703/0721/1222)

Tipp: Das  von der Stiftung Schleswig-Holsteinische Museen neugestaltete Eisenkunstgussmuseum neben der alten Carlshütte in Büdelsdorf vermittelt die Bedeutung des Eisengusses für die Industrialisierung und was sich mit der damals neuen Technik verwirklichen ließ . <www.das-eisen.de>

Quelle: Klaus-Joachim Lorenzen-Schmidt und Ortwin Pelc (Herausgeber), Schleswig-Holstein Lexikon, 2. erweiterte und verbesserte Auflage, 2006, Neumünster, Wachholtz-Verlag, ISBN 13: 9-783529-02441-2

Bildquellen: Vignette/Industrialisierung, Schleswig-Holsteinische Landesbibliothek (Ausschnitt), Netzfabrik: Gemeinsames Archiv des Kreises Steinburg und der Stadt Itzehoe