“Roth weiß blau lebe!”

Stempelpapier der Glückstädter Regierungs- und Justizkanzlei 1700
Stempelpapier der Glückstädter Regierungs- und Justizkanzlei 1700

Lange bevor die Herzogtümer Schleswig und Holstein per Bindestrich geeint wurden, entstanden die Symbole für die beiden Landesteile. Schleswig übernahm die Löwen des dänischen Lehnsherren. Drei davon zieren noch heute das Staatswappen unseres nördlichen Nachbarn. Als Zeichen, dass die Schleswiger Löwen nur für einen Teil des Königreiches standen, wurde ein im Mittelalter übliches Verfahren gewählt, man „minderte“ das Wappen der Herrschaft. Aus den drei dänischen wurden so die zwei schleswigschen Löwen. Auch in Holstein prangte ursprünglich ein Löwe im Wappen der Schauenburger. Seit Anfang des 12. Jahrhunderts verschwand er jedoch aus dem Wappen. Im überlieferten Siegel blieb nur der gezackte Rand des Schildes. Er erinnerte an die Form eines Nesselblattes. Als solches wurde er schließlich gedeutet. Löwen und Nesselblatt kamen erstmals 1386 im Wappen Gerhards VI.(*um 1367-1404†) zusammen, als der holsteinische Graf von der dänischen Herrscherin Margarethe I.(*1353/ 1412†) auch mit dem Herzogtum Schleswig belehnt wurde. Das Wappen war jedoch noch in vier Felder geteilt. Nur noch zwei Felder, fast schon die heutige Form, sind auf dem Stempelpapier der Glückstädter Kanzlei 1689 zu finden. Ab 1837 findet sich das Wappen auch auf den Knöpfen und Epauletten der schleswig-holsteinischen Ritterschaft; während der Erhebungszeit ab 1848 ziert es Uniformen. Als Detlev von Liliencron 50 Jahre nach der Erhebung 1898 sein Buch „up ewig ungedeelt“ schrieb, erklärte er wieder ein altes Wappen mit noch vier Feldern zu eigentlich richtigen Landeswappen . Als 1867 die Herzogtümer Schleswig und Holstein durch die Annexion eine Provinz Preußens wurden, behielten die dieses Wappen bei. Die Preußen drehten jedoch die Löwen um. Sie sehen seitdem nicht mehr aus dem Schild heraus, sondern auf das Nesselblatt. Damit wurde es einmal heraldisch korrekt und unterstrichen, dass es sich um ein Allianzwappen handelt.

Lied und Flagge

Landeswappen
Landeswappen

Am 5. März 1460 erlangte die Ritterschaft in Ripen ein Privileg vom dänischen König Christian I., das unter anderem festlegt, daß das Herzogtum Schleswig (als dänisches) und die Grafschaft Holstein (als deutsches Lehen) „bliven ewich tosamende ungedelt“. Es ging dem Adel auch in diesem Passus des Privileges darum, angesichts der eigenen, verwobenen Interessen im Herzogtum und der Grafschaft (siehe Herzogtümer) sicherzustellen,  dass beide Gebiete unter einer einheitlichen von ihnen mitbestimmten Herrschaft standen. Im Rahmen der aufkommenden Einheits- und Unabhängigkeitsbewegung in Schleswig und Holstein von den 1830er Jahren an wurde der Passus verkürzt auf „up ewig ungedeelt“. Er wurde neu interpretiert, als „historischer“ Beleg für einen Anspruch auf Einheit und Eigenstaatlichkeit. Vieles spricht dafür, daß es sich schon damals um ein politisch gewolltes „Missverständnis“ der „Schleswigholsteiner“ handelte. Das „up ewig ungedeelt“ spielte in seiner propagandistischen Neuinterpretation von den 1830er Jahre an eine entscheidende Rolle im politischen Streit. Es hält sich wie andere historische Mythen (zum Beispiel dem, das Helgoland gegen Sansibar getauscht wurde, siehe Helgoland-Sansibar-Vertrag) bis heute. Forum der Bestrebungen für ein geeintes und deutsches Schleswigholstein waren von etwa an 1840 Volksfeste. Das Sängerfest in Schleswig vom 24. Juli 1844 wird landläufig als Geburtstag der blau-weiß-roten Landesflagge angesehen. Richtig ist, das Schleswig-Holstein-Lied hatte an diesem Tag seine Premiere. Der Kantor Carl Gottlieb Bellmann schrieb dazu die Musik, der Advokat Matthäus Chemnitz den Text. Die Damen der Schleswiger Sänger steuerten eine Vereinsfahne bei. Blau-weiß-rot wehte zum ersten Mal und wurde überall im Lande begeistert übernommen – so die schöne Geschichte. Es ist jedoch wirklich nur eine nette Geschichte. Rot-weiß-blau wurde bereits ein Jahr früher auf dem Apenrader Volksfest gezeigt. Dieselben Farben führte ein Corps Kieler Studenten schon 1829. Der älteste Hinweis findet sich sogar noch sechs Jahre früher. Im Karzerbuch der Universität ist der trotzige Ausruf eines Studenten notiert: „Roth weiß blau lebe!“

Gelb verschwindet

Gottorfer Seeflagge von 1696
Gottorfer Seeflagge von 1696

Wie das „Schwarz-Rot-Gold“ der deutschen Bundesflagge haben die Farben Schleswig-Holsteins ihren Ursprung in der nationalen und liberalen Bewegung der Studenten am Anfang des 19. Jahrhunderts. Die Abfolge der Farben stand dabei nicht von Anfang an fest. Da die Farben, gelb und blau für das Herzogtum Schleswig und rot und weiß des Herzogtum Holsteins die Grundlage bildeten, tauchte lange auch Gelb (in Flaggen steht es für Gold) als vierte Farbe auf. 1843 hatte es beim Volksfest in Apenrade auch den Versuch gegeben, die alte Gottorfer Seeflagge von 1696 wieder einzuführen. Sie zeigt das weiße Nesselblatt auf rotem Grund, darin die beiden blauen Schleswiger Löwen auf Gelb. Doch sie verschwand bald wieder.

Die Flagge macht Pause

Landesflagge
Landesflagge

Blau-weiß-rot setzte sich am Ende als Symbol der gewünschten Einheit von Schleswig und Holstein durch. Die neuen Farben schmückten nicht nur Sängerfeste, sondern wurden bald im ganzen Land zum Ausdruck der neuen Gesinnung. Die Regierung in Kopenhagen sah darin eine Gefahr für den dänischen Gesamtstaat. Am 31. Juli 1845 wurde die Flagge verboten. 1848 bis 51 wurde sie neben Schwarz-Rot-Gold zum Symbol der Erhebung gegen Dänemark. Danach, auch von 1867 an unter preußischer Herrschaft, kehrte sie im Unterschied zum Wappen als offizielles Symbol nicht zurück. Erst mit dem Ende des preußischen Staates nach dem Zweiten Weltkrieg und der Gründung des Bundeslandes Schleswig-Holstein wurde blau-weiß-rot durch eine gemeinsame Erklärung des Landtages und der Landesregierung zu den Landesfarben. Am 18. Januar 1957 schließlich verabschiedete der Landtag ein Gesetz, das Wappen und Flagge festlegte.

Werner Junge  (0401 / 0822 / 0223)

Quellen: Henning Unverhau, Landeszeitung 120795; Rüdiger Wenzel, Schleswig-Holstein, eine politische Landeskunde, Landeszentrale für politische Bildung, 1992

Bildquellen: Landesarchiv