Diana Gräfin von Reventlow-Criminil ging als die „Halliggräfin“ in die Geschichte ein

Die Halliggräfin

Diana Gräfin von Reventlow-Criminil (*1863 -1953†) stammte aus einer alten holsteinischen Adelsfamilie. Ihr Vater war Gutsbesitzer auf Emkendorf, ihre Mutter kam aus Schottland. Mit 47 Jahren zog sie nach Südfall, eine der zehn Halligen im Wattenmeer. In die Geschichte Nordfrieslands ging sie als die „Halliggräfin“ ein, um die sich an der Westküste bis heute viele Geschichten ranken. 

Flucht nach Südfall

Geboren wurde Diana Gräfin von Reventlow-Criminil am 29. Mai 1863 in Preetz. Sie reiste in jungen Jahren viel, wird als schön, extravagant und unnahbar geschildert. Trotz „standesgemäßer“ Heiratsanträge blieb sie ledig. Zeitweise sorgte sie für die Erziehung der drei Kinder ihres Bruders, als dessen Ehefrau gestorben war. Aber sie wurde des höfischen Lebens überdrüssig und tauschte es 1910 gegen die Einsamkeit der Hallig Südfall ein. Sie erwarb das kleine Eiland und verbrachte hier in einem gar nicht halligtypischen Haus fortan die Sommermonate, später zog sie ganz dorthin. Auf der Püttenwarft in der Nordstrander Trendermarsch, fast in Blickweite zur Hallig, besaß sie zusätzlich einen Hof. Ihre Nichte Cecilia Sternberg schrieb: „Bei den Menschen dieses eintönigen, windumtosten Küstenstrichs (fand sie) Qualitäten, die ihr den höchsten Respekt abnötigten: Beharrlichkeit, Mut und unabhängiges Denken.“

Das gar nicht „halligtypische“ Haus der Gräfin auf Südfall

Höfischer Luxus und Hühnerstall

Im Haus auf der einzigen Warft der Hallig lebte sie von ihrem Vermögen mit Köchin, Hausmädchen, Kutscher und Gouvernante, mit zwei Hunden sowie Pferden und Hühnern. Der frühere Bürgermeister von Nordstrand, Willi Hansen (*1933-1988†), berichtete: „Comtesse ließ sich in allem bedienen; sie ließ sich kämmen, waschen und anziehen, aber täglich um drei Uhr griff sie in den Halligalltag ihrer Dienerschaft ein: Sie fütterte selbst ihr geliebtes Hühnervolk.“ Jeden Morgen badete sie in einer Wanne mit frischem Nordseewasser, das ihr der Kutscher in Eimern holte. Bis wenige Tage vor ihrem Tod hielt sie daran fest, genauso wie an ihren täglichen Spaziergängen über die Hallig und das Watt.

Diana und der Hahn

Dass die Gräfin Sinn für Humor hatte, zeigte Willi Hansen mit dieser Anekdote: Ein Schiffer von Pellworm namens Julius Hahn taufte sein Boot auf den Namen „Diana“ und erhoffte sich nun ein Patengeschenk der Gräfin, dies sei in Nordfriesland so üblich. Sie sagte ihm auch zu, sich etwas Passendes ausdenken zu wollen. Bei seinem nächsten Besuch auf Südfall erinnerte Hahn sie an ihr Versprechen. Die Gräfin zeigte ihm nun einen prächtigen Hahn, den sie von Nordstrand bekommen hatte. Da sie so viel von ihm halte, habe sie ihn „Julius“ genannt. „Sie sind jetzt, mein lieber Hahn, Pate zu meinem Hahn von Nordstrand, und somit sind wir quitt.“

Auf Spurensuche mit Andreas Busch

Den Nordstrander Bauern Andreas Busch (*1883 -1972†) unterstützte sie in den 1920er-Jahren bei seinen Forschungen nach dem bei der Sturmflut 1362 untergegangenen Rungholt. Auch ihr Neffe Victor von Reventlow-Criminil (*1916-1992†), zeitweise Landtagsabgeordneter des Südschleswigschen Wählerverbandes, kam später mehrfach nach Südfall, um Siedlungsspuren im Wattenmeer zu suchen. Es wird berichtet, dass die 73-jährige Gräfin bei der Sturmflut am 18. Oktober 1936 bei ihren Pferden im Stall stand, bis zum Bauch im Wasser, um sie zu beruhigen. Dem Nationalsozialismus soll sie Verachtung entgegengebracht haben. Aus Husum ist die Episode überliefert, dass sie beim Betreten eines Geschäftes mit „Guten Morgen!“ grüßte, ihr aber ein lautes „Heil Hitler!“ entgegenscholl. Sie soll gefragt haben: „Was hat der damit zu tun?“ 

So sah es auf der Hallig Südfall um die Zeit aus, als die Gräfin 1910 dorthin zog

Südfall als Fluchtort

Den Maler Gustav Mennicke (*1899 -1988†) lud sie bereits 1932 zu sich ein. Er fühlte sich auf Südfall und Nordstrand frei und sicher vor der sich abzeichnenden Kunstdiktatur der Nationalsozialisten. Einem im Watt bei Südfall abgestürzten britischen Flieger bot sie im Zweiten Weltkrieg einige Wochen lang Asyl. Er soll, so erzählte man sich, 1943 oder 1944 im Schlick eine Flöte gefunden haben, die von Rungholt stammte, eine Okarina. Als er darauf spielte, wurde Diana auf ihn aufmerksam und rettete ihn. Das Motiv griff Alfred Andersch (1914–1980), einer der namhaften deutschen Schriftsteller der Nachkriegszeit, in seiner Erzählung „Diana mit Flötenspieler“ auf. Die Geschichte ist jedoch ein Produkt der Phantasie, zumindest was die Okarina betrifft.

Die Püttenwarft auf Nordstrand war der sichere Wohnort der Gräfin.

„… seltsam, wie sie geliebt wurde“

Ihren 90. Geburtstag beging man in großer Gesellschaft auf Südfall. Aus nah und fern kamen die Gäste. „Unglaublich“, schrieb ihr Neffe Victor, „wie sie von allen Leuten gefeiert wurde. Wenn man bedenkt, dass sie nie einen Menschen geliebt hat, ist es doch seltsam, wie sie geliebt wurde …“ Wenige Wochen später starb sie am 5. August 1953 auf ihrer Hallig. Der Leichnam wurde auf einem von vier Pferden gezogenen Wagen durch das Watt gefahren. Ihr Grab befindet sich in der Emkendorfer Pfarrkirche in Westensee. Die Erben der Gräfin verkauften die Hallig 1954 für 20 000 DM an das Land Schleswig-Holstein. Der Nordstrander Landwirt Ernst August Dethleffsen nahm die Hallig in Dauerpacht. Er war ein Freund des Vogelschutzes und bahnte gemeinsam mit dem Verein Jordsand und dem Landesnaturschutzbeauftragten Walther Emeis (*1891-1973) den Weg zur Ausweisung der Hallig als Naturschutzgebiet im Jahr 1959. Seit 1985 gehört Südfall zum Nationalpark Wattenmeer. Das alte Hallighaus wurde 1959 wegen Baufälligkeit abgerissen und durch ein Gebäude mit Schutzraum ersetzt. Die Gräfin hatte über ihren Tod hinaus ihrer Betreuerin und ihrem Kutscher Wohnrecht eingeräumt.

Im Nachruf ihrer Bediensteten auf der Hallig hieß es: „Jahrzehntelang war sie uns allen eine stets hilfsbereite Arbeitgeberin und mütterliche Freundin. (…) Und wie den Menschen ihrer näheren und weiteren Umgebung galt ihre Fürsorge auch allen Tieren. (…) Ihr Andenken wird nie erlöschen.“

Prof. Dr. Thomas Steensen (1022*)

Dieses Porträt war Teil einer Serie, die im Vorfeld des 4.“Tages der Schleswig-Holsteinischen Geschichte“ am 2. September 2023 in Reinbek entstanden ist. Wie der Tag ist auch der Tagungsband „(UN)SICHTBAR – Frauen in der Geschichte Schleswig-Holsteins“ überschrieben

Literaturhinweis: Der Text folgt weitgehend der Darstellung in: Thomas Steensen: Nordfriesland – Menschen von A bis Z, Husum, 2020, Husum Druck- und Verlagsgesellschaft, ISBN 978-3-96717-027-6

Abbildungen: Vignette/Porträt: Nissenhaus Husum; Südfall um 1910: Kreisarchiv Nordfriesland; Haus und Fething: Foto: Theodor Möller aus Bestand Landesdenkmalamt SH; Püttenwarft: Thomas Steensen