Heide Simonis, erste Ministerpräsidentin in der Bundesrepublik, scheiterte am 17. März 2005 an einer Stimme

Nach den Landtagswahlen vom 20. Februar 2005 wurde es für die seit 1988 regierende SPD in Schleswig-Holstein eng. Obwohl die CDU mit 40,2 Prozent vor der SPD mit 38,7 Prozent lag, wollten die Sozialdemokraten weiter regieren. Ministerpräsidentin Heide Simonis (*1943-2023†) war mit den Grünen (6,2 Prozent) eine Koalition eingegangen und hatte sich versichert, durch den Südschleswigschen Wählerverband (SSW) toleriert zu werden. Damit schien eine Mehrheit von einer Stimme gesichert, als am 17. März 2005 die Ministerpräsidentenwahl im Landeshaus an der Förde anstand. Im ersten Wahlgang fehlte eine Stimme, dasselbe wiederholte sich im zweiten, dritten und schließlich auch im vierten Wahlgang. Am Ende gab Heide Simonis entnervt auf. Simonis zog ihre Kandidatur zurück und blieb bis zur Wahl von Peter Harry Carstensen (CDU) (*1947) am 27. April 2005 geschäftsführend im Amt. Bis heute ist nicht bekannt, wer aus welchen Motiven Heide Simonis die Stimme verweigert hat und so zum „Heidemörder“ wurde.

„Häuptling Flinke Zunge“ muss gehen

Nach 13 Jahren verließ am 27. April 2005 die leidenschaftliche Debattenrednerin auch den Schleswig-Holsteinischen Landtag. Häuptling „flinke Zunge“ war länger im Amt als sämtliche männlichen Vorgänger und übertraf sogar die CDU-Legende Gerhard Stoltenberg (*1928-2001†). Zuvor hatte sie nach dem Verlust der absoluten Mehrheit 1996 zusammen mit den Grünen regiert. Als 2005 die Zahl der rot-grünen Mandate nicht mehr reichte, bot der SSW an Rot-Grün zu tolerieren. Schnell war das Wort von der sogenannten „Dänen-Ampel“ erfunden, die es dann nach 2012 unter Ministerpräsident Torsten Albig (SPD) wirklich gab. 

Eine beispiellose Karriere

Mit der Niederlage im Landeshaus endete eine beispiellose politische Karriere. Diese begann Anfang der 1970er Jahre in Kiel, wo die Diplom-Volkswirtin nach Arbeitsaufenthalten in Afrika und Asien als Berufsberaterin arbeitete. 1972 wurde sie für die SPD Mitglied der Ratsversammlung, 1976 wechselte sie als Bundestagsabgeordnete nach Bonn. Nach der Barschel-Pfeiffer-Affäre holte sie 1988 der neue SPD-Ministerpräsident Björn Engholm (*1939) als Finanzministerin nach Schleswig-Holstein. Engholm selber scheiterte im März 1993 an der sogenannten Schubladenaffäre. Diese beendete abrupt die politische Karriere von Björn Engholm, der für die Bundes-SPD eigentlich auf dem Weg ins Kanzleramt sein sollte. Er trat am 3. Mai 1993 zurück. Heide Simonis wurde am 19. Mai 1993 zu seiner Nachfolgerin gewählt und war damit die erste Ministerpräsidentin in der Bundesrepublik Deutschland. Mit dem 20. Februar 2005 endete die politische Karriere von Heide Simonis. Ein halbes Jahr später übernimmt sie den Vorsitz von UNICEF Deutschland. Um für das Kinderhilfswerk Spenden zu generieren, nimmt sie 2006 an der „RTL-Schow Let’s Dance“ teil und wird von der „Bild“-Zeitung als „Hoppel-Heide“ diffamiert. 2008 gibt sie den UNICEF-Vorsitz ab. Als erste Frau wird sie 2014 Ehrenbürgerin des Landes Schleswig-Holstein. In dem Jahr gibt sie auch bekannt, dass sie an Parkinson leidet. Nach langer Krankheit und umsorgt von ihrem Mann Udo Simonis stirbt sie am 12. Juli 2023 in Kiel.

Michael Legband (1021*/0723)

Quellen: Landtagssitzung vom 17.03.2005

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