Der Ruf nach eine eigenen Flotte war im deutschen Revolutionsjahr 1848 neben dem nach nationaler Einheit sowie der Lösung der „Schleswig-Holstein-Frage“ eine der populärsten Forderungen. Ausgelöst wurde sie durch die dänische Blockade der deutschen Küsten in Folge der schleswig-holsteinischen Erhebung. Sie machte deutlich, dass Deutschland, selbst die Großmacht Preußen, auf See selbst einer im internationalen Vergleich drittrangigen Marine nichts entgegenzusetzen hatten. Im Juni 1848 beschloß die Provisorische Regierung in Kiel den Aufbau einer schleswig-holsteinischen Flottille. Im gleichen Monat genehmigte die Bundesversammlung in der Frankfurter Paulskirche sechs Millionen Taler (Geld) für den Aufbau einer Flotte. Doch während der Aufbau in den Herzogtümern Schleswig und Holstein sowie parallel in Preußen planmäßig vorangetrieben wurde, gab es um die Rolle der „Deutsche Marine“ Streit. Während allgemein gefordert wurde, dänische Handelsschiffe aufzubringen, bestanden die Hansestädte darauf, den Handel in keiner Weise zu gefährden. Nach dem Malmöer Waffenstillstand vom 26.August 1848 war auf Druck der europäischen Großmächte die Flottenfrage zunächst zurückgestellt worden. Erst im Oktober 1848 begann der Aufbau.
Admiral Brommy
Erster und einziger Oberbefehlhaber der Deutschen Marine wurde am 5.4.1849 Rudolf Bromme (*1804 – 1860†), genannt „Admiral Brommy“. In Leipzig geboren, hatte er nach einer kurzen, jedoch erfolgreichen Karriere in der Handelsschifffahrt von 1827 bis 31 unter dem Kommando des brillanten englischen Marineoffiziers Lord Cochrane am griechischen Freiheitskampf teilgenommen. Danach war er als Offizier in die griechische Marine eingetreten. Er war nicht nur an deren Aufbau beteiligt, sondern verfasste auch das 1848 erschienene Werk „Die Marine“. Die praktische wie theoretische Qualifikation machten den Patrioten Brommy zum geeigneten Mann für den Aufbau der deutschen Flotte. Am 15. Oktober 1848 konnte er die drei Radkorvetten der von Bürgern der Hansestadt begründeten „Hamburger Flottille“ übernehmen. Weitere Schiffe wurden gekauft, so dass die Deutsche Marine innerhalb kurzer Zeit über 27 Kanonenboote und ein Dutzend größere Kriegsschiffe verfügte. Die meisten der Schiffe hatten zusätzlich oder ausschließlich Dampfantrieb. In den Flotten der traditionellen Seemächte dominierten dagegen noch die Segler. Daraus wollte Brommy im Kampf gegen die Dänen Vorteile ziehen. Auch konnten Dampfer mehr Truppen transportieren und brauchten weniger ausgebildete Seeleute. Der Mangel an Mannschaften – vor allem erfahrener Marineoffiziere – begleitete die Deutsche Marine während ihres gesamten knapp vierjährigen Bestehens. Er konnte nur notdürftig durch Handelsschiffsoffiziere ausgeglichen werden. Deshalb versuchte man – mit geringem Erfolg – ausländische Seeoffiziere anzuwerben.
Unter unbekannter Flagge
Obwohl die schleswig-holsteinische Flottille seit Ende März 1849 laut der neuen Reichsverfassung Teil der Deutschen Marine war, kam es zu keinen gemeinsamen Aktionen. Nach dem verspäteten Aufbau blieb die Deutsche Marine, bedingt durch den Malmöer Waffenstillstand, bis Ende der Erhebung untätig auf ihrer Station in Hamburg. Erst nach dessen Ende März 1849 konnte sie eingreifen. Am 4. Juni begann ihre erste und einzige größere Operation. Brommy griff vor Helgoland mit drei Schiffen die dänische Segelkorvette „Valkyren“ an. Obwohl sich die deutschen Schiffe in internationalen Gewässern befanden, machte sie die Besatzung des damals britischen Helgolands durch einen Kanonenschuß nachdrücklich auf ihr Hoheitsgebiet aufmerksam. Um keinen diplomatischen Streit mit den Briten heraufzubeschwören, brach Brommy darauf das erfolgreich begonnene Gefecht ab. Dafür oft kritisiert, unterstrich Brommy dadurch sein politisches Augenmaß und damit seine Qualität als Flottenchef. Trotz des Rückzugs folgte ein diplomatisches Nachspiel. Die Regierung in London wies die in Frankfurt darauf hin, die Schiffe der deutschen Marine liefen Gefahr, als Piraten behandelt zu werden, da die schwarz-rot-goldene Flagge mit dem Reichsadler als Gösch unbekannt sei. Die Protestnote war keine bloße Schikane. Die Regierung in Frankfurt hatte Ende 1848 vergessen, Großbritannien die neue Flagge anzuzeigen. Ohne von der größten Seemacht anerkannt zu sein, blieb die Deutsche Marine aus außenpolitischen Erwägungen zur Untätigkeit verdammt.
Ein Ende 2. Klasse
Als 1852 die Zentralgewalt durch den konservativ dominierten Deutschen Bundestag abgelöst wurde, war das Ende der Flotte gekommen. Von den Konservativen misstrauisch als „Märzerrungenschaft“ beäugt, inzwischen in schlechtem öffentlichen Ansehen und ohne Kostenbeiträge durch Österreich und Preußen, war die Zeit der Flotte abgelaufen. Am 2.4.1852 wurde beschlossen, die Deutsche Marine aufzulösen. Das Flaggschiff „Barbarossa“ und die im Gefecht von Eckernförde von den Dänen eroberte Segelfregatte „Eckernförde“, ex „Gefion“, wurden an Preußen als Ausgleich für gezahlte Aufwendungen abgegeben, der Rest meist unter Wert versteigert. Die Mannschaften wurden entlassen, Admiral Brommy mit einer bescheidenen Pension versorgt. Von der Deutschen Marine blieb nicht viel mehr als die von Brommy entworfene exzellente Dienstvorschrift. Sie wurde nur unwesentlich verändert von der „Kaiserlichen Marine“ übernommen.
Jann Markus Witt (0203/0322)
Bildquelle: Grafik von Albert Lührs, Ammersbek, nach Veit Valentin und O.Neubecker, Die deutschen Farben, 1929, Leipzig