1848 war das Jahr der deutschen Revolution. In den Herzogtümern Schleswig und Holstein kam es zur Erhebung gegen den dänischen Gesamtstaat. Bis 1851 kämpften die „Schleswigholsteiner“ mit und ohne Hilfe gegen das Königreich. Neben der Einheit Deutschlands und der Schleswig-Holstein-Frage wurde 1848 auch der Ruf nach einer Kriegsflotte laut. Während der Versuch, eine „Deutsche Marine“ aufzubauen, in seinen Anfängen stecken blieb, spielte die kleine, jedoch effektive schleswig-holsteinische Flottille im Kampf an den Küsten eine bemerkenswerte Rolle. Aus der Not geboren, entstand eine technisch für ihre Zeit moderne und strategisch klug auf die Erfordernisse der Küstenverteidigung ausgelegte Flottille von 16 Schiffen mit 41 Kanonen und gut 800 Seeleuten.
Der „Danebrog“ beherrscht die See
Mit sechs Linienschiffen, acht Fregatten, vier Korvetten und weiteren kleineren Einheiten war die dänische Marine Mitte des 19. Jahrhunderts im internationalen Vergleich drittrangig. Doch entlang der deutschen Küsten hatte man ihr nichts entgegenzusetzen. Nachdem am 24.3.1848 in Rendsburg die Provisorische Regierung ausgerufen war, reagierte Dänemark umgehend mit einer Blockade. Als der Deutsche Bund Dänemark den Krieg erklärte, wurde sie auf die gesamte deutschen Küsten ausgedehnt. Die dänische Marine brachte bereits in den ersten Tagen mehr als 50 Handelsschiffe auf. Der deutsche Seehandel kam dadurch fast völlig zum Erliegen. Betroffen waren dadurch besonders die Hansestädte sowie Preußen. Obwohl eine europäische Großmacht, war Preußen nicht in der Lage, seine Schifffahrt zu schützen: Es stand Dänemark auf dem Meer wehr- und hilflos gegenüber. Doch nicht nur Preußen, ganz Deutschland fühlte sich angegriffen. Es wurde der Ruf nach einer deutschen Marine laut, der sich zu einer Flottenbegeisterung steigern sollte. Für Schleswig-Holstein war die dänische Seeherrschaft mehr als eine Frage des verletzten Stolzes. Sie unterband die aufgrund der schlechten Straßenverhältnisse so wichtige Küstenschifffahrt. Bedrohlich war sie auch strategisch. Ständig bestand die Gefahr, dass dänische Schiffe Truppen im Rücken der eigenen Streitkräfte anlanden konnten. Um die langen Küstenlinien zu schützen, waren erhebliche Teile der Infanterie und Artillerie gebunden, die an anderer Stelle dringend gebraucht wurden.
Elektrische Minen und „Admiral Hansen“
1848 blieb den Schleswig-Holsteinern nichts als zu improvisieren. Hilfe kam schon in April durch Werner von Siemens (*1816-1892†). Der spätere Konzerngründer war zu dieser Zeit preußischer Artillerieleutnant. Er hatte zum Schutz des Hafens von Kiel neuartige Minen erdacht. Sie ließen sich durch Kabel von Land aus elektrisch zünden. Die Minen sicherten den Hafen auf der Höhe der Festung Friedrichsort. Zunächst skeptisch beäugt, hatte die zufällige Explosion einer Mine deren zerstörerisches Potential durch erhebliche Glas- und Dachschäden im Umkreis deutlich unter Beweis gestellt. Auch wenn Prinz Friedrich von Noer als Militärfachmann der Provisorischen Regierung sich vor allem darüber beklagte, Schießpulver werde verschwendet, wagten sich die dänischen Schiffe nicht mehr so weit in die Förde hinein (Jede Mine hatte 5.000 SH Pfund Pulver – also gut 2,4 Tonnen; siehe Maße und Gewichte).
Blockiert wurde Kiel durch die mit 26 Kanonen bestückte dänische Korvette „Galathea“. Sie in einem Handstreich zu erobern, versprach der aus Arnis stammende Handelsschiffskapitän Peter Hansen (*1787-1863†). Mai 1848 trat er als „Admiral der deutschen Flotte“ in den Seedienst der Herzogtümer. Er bereichert die Geschichte der Erhebung um eine ihrer skurrilsten Episoden. Der Angriff auf die „Galathea“ scheiterte, weil Admiral Hansen sturzbetrunken den von ihm gesetzten Angriffstermin verpasste ( siehe Fundsachen Admiral Hansen …).
Kanonenboot Nr. 11 „Frauenverein“
Der Ausgang dieses Unternehmens hatte gezeigt, daß der Kampf gegen die Seeherrschaft zu wichtig war, als dass man ihn Abenteurern überlassen konnte. Ende Juni 1848 beschloß die provisorische Regierung in Kiel auf Antrag des Professors für Römisches Recht an der Christian-Albrechts-Universität, Johannes Christiansen (*1809-1854†), eine Flottille zum Schutz von Küste und Schifffahrt zu schaffen. Der Aufbau begann bei Null. Den Schleswig-Holsteinern war nur das in Altona stationierte dänische Wachschiff „Elben“ in die Hände gefallen. Als „Elbe“ wurde der Schoner übernommen. Sein Kommandant, Johann Donner (*1808-1873†), wurde erster Oberbefehlshaber der Flottille. Da es kaum Schiffsoffiziere mit Marineerfahrung gab, griff man auf Kapitäne und Steuerleute der Handelsschifffahrt zurück. Die Mannschaften wurden durch eine Dienstpflicht für Seeleute rekrutiert. Der Mangel an geeigneten Fahrzeugen wurde vor allem durch die Bevölkerung behoben. Zwei Drittel der Gelder für den Bau und den Kauf von Schiffen wurden gesammelt. 82.000 Mark Courant (Geld) vor allem aus den Herzogtümern brachte der „Ausschuß für die Errichtung der Deutschen Flotte“ auf. Das Kanonenboot Nr. 11 finanzierte der „Frauenverein zur Mitbegründung der Deutschen Flotte in Rendsburg“. Die „Frauenverein“ war eines von elf Kanonenbooten nach alten dänischen Plänen. Flaggschiff wurde die „Bonin“, ein ebenfalls gestifteter Dampfer, der 1833 in Schottland gebaut worden war. 690.000 Mark Courant kostete die Flottille. Ein Bruchteil der zweistelligen Millionensumme, die der dreijährige Krieg verschlang. Trotzdem kritisierte etwa Prinz von Noer die Ausgaben als unnütz.
„De Schruv“ und der „Brandtaucher“
Von den insgesamt 20 Einheiten der Flotte waren sechs Dampfer, von denen vier als Kriegsschiffe ausgerüstet wurden. In technischer Hinsicht zeigte die schleswig-holsteinische Flottille einen bemerkenswerten Sinn für Innovation. Deutlich wurde das vor allem mit dem 1849 gebauten Kanonenboot „Nr.1“. Im Gegensatz zu den anderen elf Booten, die nur gerudert und gesegelt werden konnten, wurde es mit einer von Schweffel & Howaldt gebauten Dampfmaschine über eine Schraube angetrieben. Das 25,6 Meter lange Schiff verfügte über zwei drehbare, 60pfündige Bombenkanonen. Es wurde später nach dem populären Freicorpskommandeur „Von der Tann“ getauft. Im Volksmund hieß es jedoch nur „De Schruv“. Doch nicht nur mit dem Einsatz von Granaten feuernden, sogenannten Bombenkanonen, von Dampfkraft und Schraubendampfern wies die schleswig-holsteinische Flottille weit in die Zukunft. Das bemerkenswerteste Schiff dieser Seestreitkraft war das erste deutsche U-Boot, der ”Brandtaucher”. Der bayrische Artillerieunteroffizier Wilhelm Bauer (*1822-1875†) baute es 1850/51 mit Spendenmitteln und einem Zuschuss der Flottille. Obwohl das durch ein Tretrad angetriebene Fahrzeug am 1. Februar 1851 bei seiner ersten Probefahrt sank, hatte Bauer technische Lösungen gefunden, die den „Brandtaucher“ zu einem echten Vorfahren der heutigen U-Boote gemacht haben.
Unter „Schwarz-Rot-Gold“
In Preußen sowie in Schleswig und Holstein kam der Marineaufbau 1848 gut voran. Dabei half im Norden der Waffenstillstand von Malmö vom 26. 8.1848. Er gab den Schleswig-Holsteinern eine Atempause bis Ende März 1849. Doch durch den Waffenstillstand erhöhte sich auch der Druck der Großmächte auf den Deutschen Bund. Der Aufbau einer Marine kam ins Stocken. Erst ab Ende des Jahres wurde er wieder forciert. Erster und einziger Oberbefehlhaber der Deutschen Marine wurde am 5.4.1849 Rudolf Bromme (*1804-1860†), genannt „Admiral Brommy“. Obwohl es dem ausgezeichneten Marineoffizier gelang, in Hamburg eine Flotte von einem Dutzend meist dampfgetriebener Kriegsschiffe sowie 27 Ruderkanonenbooten aufzubauen, verdammte die Politik Brommy zur Untätigkeit. Auch in das Kampfgeschehen an den Küsten Schleswig-Holsteins griff die Flotte nicht ein. De jure waren zwar auch die schleswig-holsteinischen Einheiten durch die neue Reichsverfassung vom 28.3.1849 „Deutsches Nationaleigenthum“ und als ein Teil der Deutschen Marine Brommy unterstellt. Deshalb gab es auch nur eine schleswig-holsteinischen Flottille und nicht – wie oft zu lesen ist – eine „Schleswig-Holsteinische Marine“. Das erklärt auch, warum die Flottille unter der schwarz-rot-goldenen Flagge mit dem doppelköpfigen Reichsadler als Gösch segelte. De facto operierten die Schleswig-Holsteiner völlig auf sich gestellt.
Kampf und Strategie
Es gelang der Flottille mit ihren bis zu 826 Offizieren und Mannschaften in der Folgezeit, ihre taktischen Vorteile zu nutzen. Die setzte sie vor allem ein, um die Unzulänglichkeiten der eigenen Küstenverteidigung zu kompensieren. Der Schleswig-Holsteinische Canal bot so die Chance, die Einheiten nach Bedarf zwischen Ost- und Nordsee pendeln zu lassen. Ende April 1849 verlegte die Flottille vier gedeckte Kanonenboote durch den Kanal in die Nordsee. Auch wenn der kommandierende Leutnant Johann Ernst Kjer klagte: „die seichten Wasser und das Austreten des Wassers machen das Jagen feindlicher Schiffe, und überhaupt die Fahrt hier, sehr beschwerlich“, wurde die „Westsee-Expedition“ ein Erfolg. Es gelang, die dänischen Besatzer von Föhr und Sylt zu vertreiben. Kleine Gefechte gab es auch in der Ostsee, vor allem um den Zugang zur Kieler Förde. Den Winter über wurde die Flottille aufgelegt und im Frühjahr 1850 wieder reaktiviert. Doch inzwischen hatte sich die militärische Lage geändert. Die vor allem durch Preußen verstärkte Armee der Herzogtümer war am 6.7.1849 von den Dänen bei Fredericia geschlagen worden. Der dänische Erfolg war vor allem politisch bedeutsam. Die Großmächte erhöhten ihren Druck auf Preußen; am 10. 7.1849 wurde in Berlin ein Waffenstillstand geschlossen. Preußen schied damit endgültig aus dem Krieg aus, die Frankfurter Zentralgewalt folgte widerstrebend. Die Schleswig-Holsteiner standen fortan allein gegen die überlegenen Dänen, die – gemäß Vertrag – gemeinsam mit den Preußen den Großteil des besetzten Herzogtums Schleswig verwalteten. Auch auf See war die Lage mehr als schwierig. Der dänischen Marine mit über 5.300 Mann musste die schleswig-holsteinische Flottille, mit inzwischen unter 800 Seeleuten, Paroli bieten. Vor diesem Hintergrund reduzierte sich die Strategie darauf, den Dänen die Blockade zu erschweren, sie auf Distanz zu halten und die feindlichen Kräfte zu binden. Diese Ziele wurden erreicht. Es kam zu mehreren Einsätzen, bei denen sich die Flottille bewährte. Sie fügte den überlegenen dänischen Kräften spürbare Schäden zu, ließ sich jedoch nicht in Gefechte verwickeln, die nicht zu gewinnen waren. Einziger Verlust in der Ostsee war 1850 „de Schruv“. Das Kanonenboot Nr.1 lief nach einem erfolgreichen Gefecht mit einem dänischen Dampfer und einer Korvette vor seinem Heimathafen Neustadt auf Grund. Da es manövrierunfähig und daher hilflos war, gab die Mannschaft das Schiff auf und sprengte es. Die letzteren größeren Gefechte focht September 1850 die „Westseedivision“ aus. Nachdem die Insel Föhr von den Dänen zurückerobert war, versuchten sie mit stark überlegenen Kräften das kleine Geschwader einzuschließen. Doch die Schleswig-Holsteiner befreiten sich aus der Falle und schossen dabei den dänischen Dampfer „Geyser“ noch gefechtsunfähig.
Ende ohne Ruhm
Am 25.7.1850 unterlagen die schleswig-holsteinischen Truppen bei Schleswig in Idstedt den Dänen. Das war der Anfang vom Ende. Zu Land und Wasser wurde noch gekämpft, doch spätestens mit dem Jahresende begann man systematisch, die schleswig-holsteinische Flottille aufzulösen. Am 1.2.1851 unterwarfen sich Landesversammlung und Statthalterschaft wieder Dänemark. Während ein Teil der Seeleute in preußische Dienste übertrat, musste das gesamte schwimmende Material den Dänen übergeben werden. 1852 hatten die Großmächte schließlich den dänischen Gesamtstaat wieder hergestellt. Im März und April des gleichen Jahres wurden die letzten Schiffe übergeben. Damit endete die Geschichte der schleswig-holsteinischen Flottille. Obwohl sie formal ein Teil der Deutschen Marine war, hatte sie sich im Gegensatz zur Flottille Admirals Brommys im Kampf bewährt. Wie die gesamte Deutsche Marine war sie technisch ihrer Zeit voraus gewesen. Pragmatisch war auch die Strategie: Anders als bei der folgenden kaiserlichen Marine war 1848 bis 1852 nicht eine deutsche Seeherrschaft das Ziel, sondern die Verteidigung der Küsten und der Schutz der Handelsschifffahrt. Ausgerechnet das einzige Boot, das nie in Fahrt kam, ist bis heute bekannt: der „Brandtaucher“ , der Vorläufer der Unterseeboote.
PS: Das Gefecht von Eckernförde vom Gründonnerstag 1849 ist hier nicht erwähnt, weil es nichts mit der schleswig-holsteinischen Flottille zu tun hat.
Jann Markus Witt (TdM 0203 / 0721)
Quelle: Jann Markus Witt und Heiko Vosgerau (Hrsg.), Schleswig-Holstein von den Ursprüngen bis zur Gegenwart – Eine Landesgeschichte, Hamburg, 2002, Convent-Verlag, ISBN 3-934613-39-X; Jann Markus Witt, Master next God? – Der nordeuropäische Handelsschiffskapitän vom 17. bis zum 19. Jahrhundert, Schriften des Deutschen Schiffahrtsmuseums, Band 57, Bremerhaven/Hamburg, 2001, Convent-Verlag, ISBN 3-934613-25-X; Gerd Stolz, Die Schleswig-Holsteinische Marine 1848 – 1852, 1978, Heide, Verlag Boyens & Co, ISBN 3-8042-0188-1,
Bildquellen: Vignette/“De Schruuv aus Alfred Dudzus, Alfred Köpcke, Das große Buch der Schiffstypen, 1999, Pietsch Verlag; Flottenparade aus „Die deutsche Reichflotte“; Werner-von-Siemens-Institut, München; Schanze: Dansk Centralbibliotek for Sydslesvig, Flensborg; Plan: Howaldtwerke Deutsche Werft AG, Kiel; Signalanlage Gettorf: Schleswig-Holsteinisches Landesmuseum. Schleswig