Vor allem im 15. und 16. Jahrhundert wurden überall in Europa Festungen angelegt. Sie übernahmen die militärische Funktion der Burgen. Mit ihrem Bau reagierten Landesherren und Städte auf das Aufkommen der Artillerie. Gegen Kanonenkugeln boten Mauern und Palisaden nur unzureichend Schutz. Burgen waren gebaut worden, um im Nahkampf zu trotzen und hatten Fernwaffen wie Kanonen und Mörsern nichts entgegenzusetzen. Um das leisten zu können, entstanden die Festungen. Sie erfüllten ihre Funktion bis in das 19. Jahrhundert. Wenige von ihnen sind noch erhalten. In Schleswig-Holstein finden sich nur noch Spuren. Am besten kann man heute noch Reste der alten Anlagen in Lübeck, Krempe und Glückstadt sehen, während in Rendsburg nur noch die Stadtanlage (insbesondere das Neuwerk) die alte Funktion ahnen läßt.
Das Konzept der Burg
Im Hochmittelalter kam es militärtechnisch vor allem darauf an, befestigte Stützpunkte dem Zugriff von Fußkriegern und Reitern zu entziehen. Das musste mit möglichst geringem Aufwand effektiv bewerkstelligt werden. Die Burgen dieser Zeit waren deshalb räumlich meistens dicht zusammengedrängte Baulichkeiten. Sie bestanden – wenigstens im Norden – oft nur aus einem Wohn-Verteidigungsturm. Bot das Gelände keine Erhebung, entstanden die Anlagen auf einem künstlichen Hügel, der mit einer Palisade und möglichst auch einem breiten Wassergraben umgeben war. Die meisten spätmittelalterlichen Burgen Holsteins waren so errichtet worden (Beispiele: Steinburg, Hatzburg, Pinneberg, Barmstedt und Wohltorf). Diese Form löste die ältere der Ringwallburg ab (Beispiele dafür: Itzehoe und Hamburg). Nur die Segeberger Burg war eine Höhenburg, weil sie den Kalkberg (siehe Eiszeitland) als Burgberg nutzen konnte. Andere Anlagen konnten auf natürlichen Hügeln errichtet werden, wie etwa in Flensburg, Kiel oder Plön. Vorherrschend war der hoch aufragende, mehrgeschossige Wohn- und Wehrturm im Zentrum der Anlage. Seine durch den Hügel gesteigerte Höhe zwang die Angreifer, sich von unten nach oben vorzuarbeiten. Sie waren dabei Einwirkungen von oben oft schutzlos ausgeliefert. Ähnliches gilt für die Befestigung der Städte des Mittelalters: Hier wurde, weil ein größeres Areal geschützt werden mußte, zumeist ein Wall mit äußerem Plankenwerk (Palisaden) oder Mauern mit Wehrgängen errichtet. Dazu kamen Türme, die den Schutz verbesserten. Die Größe der Anlage konnte nur dadurch kompensiert werden, dass jeder Haushalt im Verteidigungsfall Bewaffnete zu stellen hatte – also eine Truppe von einer Größe, auf die nur sehr wenige kleinere Feudalherren zurückgreifen konnten.
Festungsbauer sprechen Französisch
Anfang des 14. Jahrhunderts begannen Kanonen die Kriegstechnik zu revolutionieren. Als Geschütze eingesetzt werden konnten, die eine größere Reichweite und erheblich mehr Durchschlagskraft als Bogen, Armbrust und Steinschleuder hatten, waren die aufragenden Wehrtürme und die hohen Stadtmauern mit ihren Mauertürmen eher von Nachteil. Sie hatten für die modernen Pulvergeschütze keinen Platz. Das Feuer der Angreifer konnte so nicht erwidert werden, während die hoch aufragenden Anlagen leicht zu treffen waren. So musste eine neue Technik entwickelt werden, um feste Plätze zu verteidigen. An die Stelle der hohen Mauern traten nun relativ flache, stark abgeböschte und mit einer Brustwehr versehene Wälle. An denen konnten die gegnerischen Stein- oder Eisenkugeln keine allzu großen Schäden anrichten. Durch die Anlage von runden oder eckigen Vorsprüngen – Runddelen oder niederländisch-französisch korrekt: Rondelen beziehungsweise Bastionen – konnten großflächige Geschützstandorte geschaffen werden. Von ihnen aus ließ sich sowohl die Artillerie der Angreifer beschießen als auch flankierend die eigenen Wälle (Kurtinen) schützen. In der frühen Phase des Festungsbaus wurden häufig noch gemauerte Geschütztürme mit sehr dicken Mauern errichtet. Sie setzten sich jedoch nicht durch, weil ihre aus Schutzgründen notwendigerweise engen Geschützpforten die Artillerie der Verteidiger stark einschränkten. Zum Schutz gegen Fußtruppen umgab man die Anlagen mit einem breiten, im Idealfall mit Wasser gefüllten Graben. Palisaden und Dornenhecken am Fuß der Wälle und auf der außen liegenden Grabenseite sollten das Vordringen des Gegners erschweren. Schwachpunkte waren die Tore solcher Anlagen, die fast immer aus hochgemauerten Türmen mit Durchlässen bestanden. Sie wurden daher oft durch vorgelagerte Schanzen (Ravelins) besonders geschützt. Für diese neue Form der Befestigung hat sich die Bezeichnung Festung durchgesetzt. Dient sie allein militärischen Zwecken, wird sie auch Schanze, Fort oder Zitadelle genannt und kann als Nachfolger der mittelalterlichen Burg betrachtet werden. Es kann auch eine ganze Stadt von einer Festungsanlage umgeben sein, wie dies im späteren 16. und im 17. Jahrhundert oft zu beobachten ist. Die Entwicklung der Festungstechnik stand in engem Zusammenhang mit dem Aufkommen der stehenden Heere, denn alle Arten von Festungen benötigten größere Mannschaften als die mittelalterlichen Burgen. So sind die Festungen des Landes dann zumeist auch die wichtigsten Garnisonsorte geworden. Theoretische Grundlagen und architektonische Anregungen zu der neuen Militärtechnik kamen zunächst aus Italien, wurden im 16. Jahrhundert in den Niederlanden weiterentwickelt und erreichten im 17. und frühen 18. Jahrhundert ihren Höhepunkt in Frankreich. Von dort trat auch die lange Zeit gültige Terminologie des Festungsbaus (zum Beispiel: ravelin, contre-escarpe, lunette) ihren Siegeszug durch Europa an.
Festungstädte und Forts
In den Herzogtümern Schleswig und Holstein gab es sowohl Festungsstädte wie Tönning, Rendsburg, Krempe und Glückstadt wie auch Schanzen und Forts, von denen beispielsweise Christianspries (das heutige Friedrichsort in Kiel), die Steinburger Schanze (bei Krempe) oder die Hetlinger Schanze (bei Haseldorf an der Elbe) zu nennen sind. Auch adlige Herren bauten ihre ehemaligen Burgen und Schlösser zu festungsartigen Anlagen aus; so etwa Heinrich Rantzau sein Hauptschloß Breitenburg (bei Itzehoe). Auch Hamburg – zu Beginn des 17. Jahrhunderts nominell und de iure noch holsteinische Landesstadt – und die Reichsstadt Lübeck bauten ihre alten Stadtbefestigungen zu Ende des 16. und Beginn des 17. Jahrhunderts mit enormem finanziellen Aufwand zu modernen Festungsanlagen um. Die Anlage der ersten großen Festungen in Holstein ging auf die Initiative der Landesherren zurück. Christian III. (*1503/1534-1559†) sah sich am Anfang seiner Regierung starken Anfeindungen ausgesetzt. Da gab es einmal Streit um die dänische Thronfolge. 1523 hatte sein Vater Herzog Friedrich seinen Vetter Christian II. gewaltsam abgesetzt und sich als Friedrich I. zum König von Dänemark gemacht. Ein Jahr bevor Christian III. die Krone übernahm, wurde sein Vetter eingekerkert und blieb den Rest seines Lebens in Haft. Doch gab es weiterhin Kräfte, die auf eine Revision des Thronwechsels von 1523 hinarbeiteten. Dazu kam die so genannte „Grafenfehde“ mit Lübeck (1533 bis 1536) sowie der große jütische Bauernaufstand (1534/35). Begleitet von der fortgesetzten Drohung der mit Christian II. verbundenen Fürsten südlich der Elbe erschien es dem Landesherren nötig, Holstein stärker zu sichern. Daraus entstand der Plan zum Ausbau Krempes und Rendsburgs zu modernen Landesfestungen. Krempe wurde von 1533 bis 1541, Rendsburg zwischen 1536 und 1541 ausgebaut. Beide Werke wurden in der Folge unter dem Einfluss der wechselnden politischen Lagen und militärischen Situationen immer wieder verstärkt. Während Krempe, geschwächt durch die Anlage Glückstadts (Stadtrecht 1617), schon Ende des 17. Jahrhunderts seine militärische Funktion verlor und die Festungswerke Anfang des 18. Jahrhunderts geschleift wurden, blieb Rendsburg bis Mitte des 19. Jahrhunderts als Festung erhalten und wurde erst 1852 bis 1859 seiner Befestigung entledigt.
Glückstadt, Christianspries und Tönning
Christian IV. (*1577/1588-1648†) hatte große Pläne. So wollte er auch seinen Machtbereich in Norddeutschland über Hamburg hinaus nach Süden ausdehnen. Obwohl er nominell auch Landesherr über Hamburg war, konnte er sich auf die Loyalität der Hanseaten nicht verlassen. So gründete er elbabwärts an der Mündung des Rhins Glückstadt. Dessen von 1616 bis 1624 erbaute Festungsanlage orientierte sich an einem sechseckigen, radial gegliederten Idealstadtgrundriss, von dem allerdings nur das östliche Halbsechseck verwirklicht wurde, während der westliche Teil sich am Lauf der Mündung des Rhins orientierte. Die Festung hielt 1628 der Belagerung durch das kaiserliche Heer unter Wallenstein stand. Sie wurde in den folgenden Jahrhunderten mehrfach verstärkt und kapitulierte 1814 im sogenannten Kosakenwinter vor den alliierten englischen, preußischen, russischen und schwedischen Belagerungskontingenten. Nach den Bestimmungen des Friedens von Kiel (1814) musste die Anlage geschleift werden, konnte jedoch zu erheblichem Teil als Parkanlage zum Nutzen der Glückstädter Bürger erhalten bleiben.
Nach den Erfahrungen im Kaiserlichen Krieg (1626 bis 1629), in dem ganz Jütland durch die kaiserlichen Truppen und die der katholischen Liga besetzt worden war, suchte Christian IV. einen Stützpunkt an der Ostküste. Er erwarb die Güter Bülck, Knoop und Seekamp und ließ 1631 bis 1642 in der Gemarkung des Dorfes Pries eine reine Militärfestung „Christianspries“ anlegen. Sie konnte an der engsten Stelle der Kieler Förde den Schiffahrtsweg nach Kiel sperren. 1643 wurde die Festung im Schwedisch-Dänischen Krieg (Erster Schwedischer Krieg) von General Lennart Torstensson (*1607-1651†) eingenommen und diente bis 1645 als schwedischer Flottenstützpunkt. Nach dem Tod Christian IV. 1648 teilweise geschleift, wurde sie von Friedrich III. (*1609/1648-1670†)in den Jahren von 1661 bis 1663 als „Friedrichspries“ wieder hergestellt. Sie blieb intakt, bis sie 1813 von schwedischen und russischen Truppen belagert und eingenommen wurde. Nach dem Kieler Frieden verfiel auch sie, bis sie in preußischer Zeit zu einem bedeutenden Marinestützpunkt ausgebaut wurde. Die letzten Reste der Anlage wichen 1957 Industriebauten.
Der Schleswig-Holstein-Gottorfer Herzog Friedrich III. (*1597/1616-1659†) ließ das 1590 zur Stadt erhobene Tönning 1644 mit Wällen, fünf Bastionen und drei Toren befestigen. In den Auseinandersetzungen zwischen dem dänischen König und den Gottorfern wurden die Anlagen 1676 auf königlichen Befehl geschleift, zwischen 1684 und 1692 aber unter Herzog Christian Albrecht (*1641/1659-1695†) erneut zu einer starken Festung ausgebaut. 1700 erneut durch dänische Beschießung zerstört, kam es bis 1706 zum Wiederaufbau. Im Großen Nordischen Krieg diente die Festung kurz als Rückzugspunkt für den schwedischen General Graf Magnus Stenbock; die musste 1714 kapitulieren und wurde in der Folgezeit dauerhaft niedergelegt.
Klaus-Joachim Lorenzen-Schmidt (TdM 0502/0621/0722)
Hinweis: Siehe auch Stadtbefestigungen
Literaturtipps: Paul Menne, Die Festungen des norddeutschen Raumes vom 15. bis zum 19. Jahrhundert, Northeim-Hannover, 1939; Friedrich Schröder, Rendsburg als Festung, Neumünster, 1935
Bildquellen: Mattheus Merian, Johannes Meyer, Schleswig-Holsteinische Landesbibliothek (SHLB)