Das Jahr 1858 gilt als Beginn des Erdölzeitalters. Edwin L. Drake bohrte im US-Bundesstaat Pennsylvania die erste Ölquelle an. Es war jedoch nicht die erste Erölbohrung. Schon zwei Jahre früher – im Frühjahr 1856 – war in der Nähe von Heide auf dem Übergang von der Geest zur Marsch in Dithmarschen auf der „Hölle“ bei Hemmingstedt nach Erdöl gebohrt worden. Der Bauer Reimer Peters wollte einen Brunnen graben, fand jedoch nur stinkenden Sand. Von diesem Fund hatte in Uetersen der Geognost Dr. Ludwig Meyn (*1820-1878†) erfahren. Er verstand, dass es „Steinöl“ (lat: petra / oleum) war, was den Sand stinken ließ. Meyn war sicher, es musste dort auch flüssiges Erdöl geben. Er reiste nach Hemmingstedt und bohrte mit Handgerät nach flüssigem Erdöl. Er startete damit die erste Erdölbohrung überhaupt. Allerdings ohne Erfolg. Doch er gab nicht auf. Er fand Geschäftspartner, ließ sich vom dänischen König für acht Jahre das Privileg ausfertigen, bituminöse Sande ausbeuten zu dürfen und begann die Produktion.
Solaröl gegen amerikanisches Petroleum
Aus dem ölhaltigen Sand wurden ab 1858 Bitumen, Wagenschmiere und „Solaröl“ destilliert. Das „Sonnenöl“ war schlicht Petroleum. Es wurde zum Verkaufsschlager. Anders als zu dem bis dahin gebräuchlichen Rübböl entwickelte es eine geradezu sensationelle Helligkeit. Das Geschäft florierte jedoch nur sieben Jahre. Ab 1865 wurde amerikanisches Petroleum importiert. Es kostete die Hälfte des Solaröles. In Dithmarschen bohrte man weiter nach dem „flüssigen Gold“. 1880 schien man auf eine Ölquelle gestoßen zu sein, doch versiegte sie schnell. Nun suchte man nach Ölkreide. Man fand sie. Der Abbau begann jedoch erst 1919 durch die Deutsche Petroleum AG. Die aus 80 Meter Tiefe gewonnene Ölkreide wurde verschwelt, um Petroleum zu gewinnen. 1925 fusionierte man mit der Deutschen Erdöl-AG (DEA). Doch schon 1926 musste man aufgeben. Das Öl aus Dithmarschen war nicht konkurrenzfähig. Erst die Autarkiepolitik der Nationalsozialisten ließ den Ölkreideabbau wieder attraktiv erscheinen. 1934 wurden die alten Schächte leergepumpt und der Abbau wieder aufgenommen. Endlich wurde auch flüssiges Erdöl gefunden. Bis auf 3.820 Meter wurden Bohrungen niedergebracht. 1940 konnte mit 231 000 Tonnen die höchste Förderleistung erreicht werden. Doch danach sank sie. Hemmingstedt blieb aber das drittgrößte Erdölfeld im Reich. Neben dem Öl fuhren bis zu 2 500 Menschen in das Ölkreidewerk ein.
Raffinerie in Hemmingstedt
Bis 1942 wurde das gewonnene Öl in Thüringen raffiniert. Ab dann wurde es in einer neuen Raffinerie vor Ort verarbeitet, eine Pipeline wurde zu Ölbunkern in Schafstedt am Nordostseekanal verlegt an denen vor allem U-Boote bunkern sollten. 1944/45 wurde die Raffinerie zehn Mal bombardiert, konnte jedoch bis Kriegsende produzieren. Nach dem Krieg nahm man 1952 die Produktion wieder auf. Neue Erdölfelder wurden bei Boostedt, Plön, Bramstedt, Kiel und Hörnekirchen erschlossen. Über eine neue Pipeline nach Brunsbüttel konnte die Raffinerie nun auch mit Importrohöl versorgt werden. 1980 lag die Kapazität in Hemmingstedt bei 5,6 Millionen Tonnen, von denen nur noch der kleinste Teil aus Schleswig-Holsteins Erdölfeldern vor allem in Ostholstein kam. Die Raffinerie in Hemmingstedt kam trotz laufender Modernisierung unter immer stärkeren Druck. Gelindert wurde er, als 1984 in der Eckernförder Bucht vor Damp die ersten zwei deutschen Offshore-Plattformen auf dem Feld Schwedeneck entstanden.
Öl aus dem Watt
Mit einer Fördermenge von 3,4 Millionen Tonnen übertraf die Ausbeute in Schwedeneck die Erwartung der Geologen. Seit dem 1.Juli 2000 wird dort kein Öl mehr gepumpt. Die DEA stellte Dezember 2011 einen Antrag auf Wiederaufnahme der Förderung in Schwedeneck. 2013 erlaubte ihn das Land. 2017 schließlich ließ der Ölkonzern die Bewilligung auslaufen und verzichtete damit darauf Schwedeneck weiter auszubeuten. Anders das Ölfeld Mittelplate im Dithmarscher Wattenmeer vor Friedrichskoog mitten im Nationalpark Schleswig-Holsteinisches Wattenmeer. Zwei Jahre nach dem Start des Nationalparks 1985 begann die Förderung. Von den 120 Millionen Tonnen Erdöl, die dort vermutet werden, sind inzwischen ein Drittel gefördert. Der Betreiber Wintershall spricht vom bedeutendsten deutschen Erdölfeld. Seit Sommer 2000 gibt es neben der Förderinsel im Watt auch eine Förderstation an Land. Die Ölförderung Mittelplate ist bis 2041 erlaubt.
-ju- (0101/0621/0123)
Quellen: Nis R. Nissen, 125 Jahre Erdöl in Dithmarschen, Meldorf 1981; Klaus-Joachim Lorenzen-Schmidt und Ortwin Pelc (Herausgeber), Schleswig-Holstein Lexikon, 2. erweiterte und verbesserte Auflage, 2006, Neumünster, Wachholtz-Verlag, ISBN 13: 9-783529-02441-2; Kieler Nachrichten 1.7.2000, dpa 27.12.2000; Pressemitteilung des Ministeriums für Energiewende, Landwirtschaft und ländliche Räume vom 01-04.2017
Bildquellen: Zeichnung aus Meyers Conversationslexikon von 1847/ Anzeige Dithmarscher Landeszeitung 1904