Vom 16. bis ins 19. Jahrhundert waren die in Nordafrika ansässigen und nach den dortigen Berber-Stämmen benannten „Barbareskenkorsaren“ die Geißel der Handelsschiffe aller Nationen im Mittelmeer – und damit auch für Schiffe aus dem dänischen Gesamtstaat. Ihre Zentren waren Tripolis, Tunis, Algier und Sallée. Im 17. Jahrhundert fiel die türkische Oberhoheit, und es entwickelten sich Militärrepubliken, deren Volkswirtschaft vor allem auf Seeraub beruhte, um die Nahrungs- und Rohstoffbasis der Städte zu sichern. Drei Dinge interessierten die Barbaresken: Die Ladung, die aufgebrachten Schiffe selber als Materiallieferanten für Bauholz und vor allem die Besatzungen. Sie waren als Sklaven einer der lukrativsten Aspekte der nordafrikanischen Kaperei. Neben dem Verkauf von Arbeits- und Rudersklaven waren vor allem Fachkräfte, etwa Schiffszimmerleute, von Wert.
Keine Seeräuber?
Die Barbareskenkorsaren sahen sich nicht als Seeräuber an. Sie waren mit Kaperbriefen ausgestattet, ihre Stadtstaaten befanden sich im Kriegszustand mit den meisten europäischen Staaten. Sie fühlten sich zudem legitimiert, weil sie als Moslems gegen Christen, also für sie Ungläubige, operierten. Das schloss nicht aus, dass auch europäische Abenteurer und Renegaten als Kapitäne auf den schnellen und schwer bewaffneten Schiffen fuhren. So wurde der berühmteste Schiffstyp der Barbaresken, die Schebecke von einem flämischen Renegaten namens Simon Danser eingeführt. Diese Schiffe hatten noch unverkennbare Merkmale der Mittelmeergaleere, waren jedoch stärker gebaut, länger sowie stärker besegelt und bewaffnet. Sie galten als schnellste und wendigste Segler des Mittelmeeres und waren ausgesprochen seetüchtig. Dafür spricht auch, daß Kaperfahrten bis nach Irland und Island bezeugt sind.
Sklaven bis zum Ende
In der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts wurden allein in Algier mehr als 20.000 christliche Sklaven verkauft. Ähnliche Zahlen werden für die übrigen Korsarenstädte angenommen. Das Schicksal der gefangenen Christen war meist entsetzlich. Die einzige Hoffnung, die Freiheit wieder zu gewinnen, bestand durch Freikauf. Die Sklaven konnten nur auf das Mitleid von Kaufleuten aus ihrem Heimatland oder ihren Heimatstädten hoffen. Hamburg, Lübeck und Kopenhagen richteten dafür sogenannte „Sklavenkassen“ ein. 1721 wurde das Schiff des Flensburgers Baltzer Nissen von algerischen Korsaren aufgebracht und die Mannschaft versklavt. Die Angehörigen wandten sich an den Rat der Stadt. Doch die Kopenhagener Sklavenkasse war leer, die Stadt hatte kein Geld. Deshalb wurde an das Mitleid der Bürger appelliert. In zwei Jahren brachten sie 6.000 Mark auf, 3 300 Mark aus den Kollekten der Stadtkirchen kamen dazu. Über Mittelsmänner wurde der Freikauf organisiert. Am 31.Dezember 1723 wurde der Rat über die Freilassung von Baltzer Nissen und seiner Mannschaft unterrichtet. Trotz Bürgersinn und Sklavenkassen blieben die meisten Opfer der Kosaren bis zu ihrem Tod in der Sklaverei.
Freie Fahrt für den Dannebrog
Der Flensburger Fall weist jedoch auch darauf hin, dass seit dem Beginn des 18. Jahrhunderts auch kleine Seefahrtsnationen zunehmend an der gefährlichen, aber lukrativen Mittelmeerfahrt Anteil hatten. Neben Kopenhagen verfügten im dänischen Gesamtstaat in den Herzogtümern vor allem Flensburg, Eckernförde sowie Altona über Handelsflotten mit seetüchtigen Briggs, Fregatten und Schnaus, die bis nach Westindien und eben ins Mittelmeer Handel betrieben. Die Kauffahrtei nahm vor allem Aufschwung, weil die dänische Flagge als neutral galt. Vor allem Reeder aus den Herzogtümern stiegen so immer mehr in die lohnende Frachtfahrt ein. Sie fuhren nicht mehr eigene Handelsgüter, sondern transportierten nun die Waren fremder Kaufleute. Seit Mitte des 18. Jahrhunderts wurde der Danebrog auch im Mittelmeer zu einem alltäglichen Anblick. Damit wuchs jedoch gleichzeitig die Gefahr durch die Barbaresken, obwohl ihre Kaperfahrt ihren Höhepunkt schon überschritten hatte. Die dänische Regierung bemühte sich um Abhilfe. Was König Christian VI. (*1699/1730 bis 1746†) in den letzten Jahren nicht mehr gelungen war, schaffte sein Sohn Friedrich V. (*1726/1746 bis 1766†): Er erreichte 1747 einen Frieden mit Algier. Gegen eine jährlich zu zahlende Abgabe wurden fortan Schiffe unter dänischer Flagge verschont. Ähnliche Abkommen gelangen mit weiteren Barbareskenstädten, mit Marokko, dem türkischen Sultan, Genua sowie Neapel. Darauf nahm der dänische Mittelmeerhandel weiter zu. 1757 wurde eine besondere Flagge für die Mittelmeerfahrt eingeführt. Der Danebrog wurde durch eine Ligatur des dänischen Herrschernamens ergänzt. Die „Monogrammflagge“ sollte davor schützen, mit den Maltesern verwechselt zu werden, die im ständigen Krieg mit den Barbaresken standen. Neben Seuchen und Hungersnöten war es vor allem der Aufstieg der Seemächte Frankreich und Großbritannien, der zum Niedergang der Barbaresken führte. Sie konzentrierten sich deshalb auf die Schiffe kleinerer Nationen. Die Großmächte waren nicht unglücklich, dass die Korsaren den Konkurrenten das Leben schwer machten. Nach der französischen Revolution und mit den Ausbruch des französisch englischen Seekrieges gab es für die Schiffe aus den Herzogtümern neue Risiken. Das Ende der Barbaresken kam erst 1816 durch den Angriff der Briten auf Algier und nach 1830 durch die französische Kolonialisierung Nordafrikas.
Dr. Jann Markus Witt (Tdm0301/0621/1222)
Bildquellen: Schebecke und Schnau aus; „Allgemeines Wörterbuch der Marine, Band 4, Abbildungsband mit 140 Kupferstichen“, Johann Hinrich Röding, Leipzig, 1798; Ansicht von Algier Schiffahrtsmuseum Flensburg