1755 segelte die „Neptunus“ als erstes Schiff aus Flensburg nach Dänisch Westindien. Ein Privileg des dänischen Königs erlaubte nun, Waren und Baumaterialien auf die dänischen Inseln St. Thomas, St. Jan und St. Croix zu exportieren. Zurück kamen Erzeugnisse der Plantagen – Tee, Kaffee, Tabak, Baumwolle, Edelhölzer sowie Zuckerrohmasse und Rum. Im Gegensatz zu den Kopenhagener Reedereien, die am lukrativen Dreieckshandel teilnahmen und in Afrika Waren gegen Sklaven eintauschten, durften Flensburg und Altona nur direkt zu den überseeischen dänischen Inseln fahren, um von dort mit Kolonialwaren zurückzukehren. Doch diese Art des Westindienhandels – geschützt durch die Neutralität der dänischen Flagge – reichte, um einen Boom in der Stadt auszulösen. Dazu trug zuerst vor allem der Zucker bei. Der „Pyre-“ oder „Pure-Rum“ spielte dabei zunächst kaum eine Rolle. Das änderte sich erst 1767. Aufgrund schlechter Ernten wurde in diesem Jahr den über 100 Brennereien an der Förde verboten, aus deutschen und französischen Weinen Branntwein herzustellen. Deshalb kauften die Betriebe nun Rum, um vor allen den Markt in Norwegen weiter beliefern zu können.
Pyre Rum
Rum ist ein Abfallprodukt der Produktion von Rohrzucker. Nach zwölf Monaten Reife wird Zuckerrohr geschlagen. Weil der Saft schnell verdirbt, wird das Rohr möglichst noch am Tag der Ernte in den eigenen Mühlen der Plantagen ausgepreßt. Der Saft wird erhitzt und zu einem braunen Sirup mit Zuckerkörnern eingedickt. In durchlöcherten Fässern fließt die zähe Melasse und Zuckerschaum ab. Diese Masse wird mit Resten der vorangegangen Destillation zu Maische angesetzt, dann vergoren und schließlich zu Rum gebrannt. Frischgebrannter Rum war billig, aber auch fast ungenießbar. Erst durch das Lagern in Fässern und vor allem während der langen Überfahrt nach Europa begann er, sein Aroma zu entfalten. Trotzdem blieb Rum lange Zeit eine Spirituose zum Mixen. Besonders der schon 1740 für die britische Navy „erfundene“ Grog fand weite Verbreitung. Allerdings stiegen die Flensburger Rumimporte erst um 1800 stark an. Unterbrochen von den Napoleonischen Kriegen und der damit verbundenen Kontinentalsperre überstieg die Einfuhr in den 1830er Jahre die Grenze von einer Million Liter pro Jahr.
Der Weg zum „Jamaika-Verschnitt“
Rum, gerade auch für den Export nach Norwegen, wurde in 60 Betrieben hergestellt. Der große Einschnitt kam mit dem Ende des dänischen Gesamtstaates 1864. Im zweiten Schleswigschen Krieg verlor Dänemark die Herzogtümer, die 1867 von Preußen als Provinz Schleswig-Holstein annektiert wurden. Die Flensburger Schiffe segelten fortan unter deutscher Flagge. Der Rum wurde nun in der englischen Kolonie Jamaika gekauft. 1885 schützte das Kaiserreich die eigene Produktion von Alkohol durch das Reichsmonopolgesetz. Dadurch verteuerte sich der Import von Rum erheblich. In Flensburg begann man deshalb, Rum mit dem reinen und preiswerten inländischen Monopolbranntwein zu verschneiden und die so gewonnene über 80prozentige Mixtur mit weichen Quellwasser „auf Trinkstärke“ herabzusetzen. Damit war der „Rum-Verschnitt“ geschaffen. Rund 30 Firmen stellten diese Spezialität in Flensburg her. Mit der Grenzlandabstimmung 1920 (Abstimmungsgebiet) verlor die Stadt ihre Absatzmärkte nicht nur in Nordschleswig. Das „Küstengetränk“ Rum wurde nun im Süden und vor allem Osten Deutschlands bekannt gemacht. 1941 wurden 90 Prozent aller Spirituosenfirmen stillgelegt. Nach dem Zweiten Weltkrieg folgte der völlige Zusammenbruch. Erst nach der Währungsreform begann die Produktion 1948 erneut. Bald gab es wieder 30 Rumhersteller in Flensburg.
Flensburger Rum wird Geschichte
Balle, Hansen, Asmussen, Andresen, Sonnberg, Nissen, Pott – das sind die noch heute bekannten Namen der Traditionsunternehmen. Doch eine Firma nach der anderen musste aufgeben, wurde verkauft oder übernommen. Als letzter großer Hersteller verblieb Hermann G. Detleffsen in Flensburg. Er produzierte mit Ausnahme von Pott alle Marken. 1998 wurde die Firma von Berentzen in Niedersachsen übernommen. Damit endete die Tradition der industriellen Produktion von Rum-Verschnitt in Flensburg. Nur die kleine Firma A.H. Johannsen von 1878 und das Braasch Rum & Weihhaus halten die Tradition noch aufrecht.
Werner Junge (1005/0405/0721)
Quellen: Dr. Jutta Glüsing, Das Flensburger Rum-Museum – eine kleine Flensburger Rum-Fibel, 1993, herausgegeben vom Flensburger Schiffahrtsmuseum; Klaus-Joachim Lorenzen-Schmidt und Ortwin Pelc (Hrsg.), Schleswig-Holstein Lexikon, Neumünster, 2000, Wachholtz Verlag, ISBN 3-529-02441-4
Bildquellen: Rum-Fibel (siehe Quellen)