Als der dänische König Christian I.(*1426/1448-1481†), Herzog von Schleswig und Graf von Holstein, 1465 Geld benötigte, um Herrschaftsansprüchen seines Bruders auf die Herzogtümer entgegenzutreten, ließ er durch reitende Boten die Bischöfe, Vertreter der Städte und der Ritterschaft einladen. Er gedachte, sich mit diesen Herren auf dem Kuhberge vor der Stadt Kiel zu treffen, um sein Anliegen vortragen zu lassen und ihre Meinung zu vernehmen. Nur mit deren Einverständnis hatte er die Möglichkeit, Steuern zu erheben. Er durfte zwar eine Zusage erwarten, musste jedoch mit Gegenforderungen der so genannten Stände rechnen. Seit 1460 gab es, angestoßen durch das Privileg von Ripen und präzisiert durch die „Tapfere Verbesserung“ vom 4.April 1460, wie in den meisten anderen deutschen Territorien auch für das Herzogtum Schleswig und die Grafschaft Holstein (von 1474 an auch Herzogtum) das Institut der Landtage. Von den Landtagen jener Zeit wissen wir, dass die Geistlichen, Bürgermeister, Ritter und Knappen, das „Land“ oder eben die „Stände“, nur kurz mit ihrem Landesherrn verhandelten. Das lag auch daran, dass die Landtagsteilnehmer, je nach Anlass zwischen 25 und 250, auf eigene Kosten anreisten und sich verpflegen mussten. Wenn man sich auf dem Kuhberge traf oder (seltener) auf der Grenze zwischen Holstein und Schleswig, „an der Levensau“, wo heute der Gasthof Levensau („Schweinsgeige“) liegt, tagten die Stände unter freiem Himmel. Bei schlechtem Wetter pflegte man in Zelten zu verhandeln. Eine andere Möglichkeit war, das Treffen in das Refektorium des Kieler Franziskanerklosters oder das Rathaus – damals auf dem heute so genannten Alten Markt gelegen – zu verlegen. Das tat man vor allem, wenn es um komplexere Fragen ging, die einen mehrtägigen Streit erwarten ließen. Dann wurden die Forderungen des Landesherrn, die er sonst mündlich durch seinen Kanzler vortragen ließ, auch als „Proposition“ in schriftlicher Form präsentiert.
…. „Geldtage“ für den Herzog
Diese „alten Landtage“ der Jahre 1462 (erster belegter Landtag) bis 1675, etwa 160 an der Zahl, waren zumeist „Geldtage“. Es ging jeweils um außerordentliche Hilfen „in der Not“, um eine Unterstützung des Landesherrn, um eine „Steuer“. Die Stände akzeptierten es zum Beispiel als Notlage, wenn eine Prinzessin eine Aussteuer benötigte („Fräuleinsteuer“), wenn das Land von Feinden bedroht war oder Lösegeld nötig war, um den gefangengenommenen Landesherrn freizukaufen. Diese Steuern im Fall der „Landesnot“ wurden seit 1600, als das Reich vor der „Türkengefahr“ zitterte, immer häufiger verlangt und auch bewilligt. Sie wurden im später so genannten Dreißigjährigen Krieg seit der Mitte der 1620er Jahre im ganzen Deutschen Reich üblich als permanent erhobene Steuern. In dieser Zeit entwickelten Prälaten, Ritterschaft und Städte zunehmend eine Abneigung dagegen, ständig, manchmal bis zu viermal pro Jahr, zu Landtagen einberufen zu werden. Sie nahmen immer seltener teil, zumal mit jeder weiteren Steuer die „Hilfe in der Not“ zu einer ständigen Last zu werden drohte. Um 1670 war es so weit: Der Landesherr konnte, ohne Widerstand zu finden, von der „gewöhnlichen Steuer“ („ordinaire Kontribution“) sprechen. Sie wurde erhoben, ob bewilligt oder nicht; notfalls wurden Soldaten eingesetzt, um sie einzutreiben („militärische Exekution“). Die Landtage waren damit überflüssig geworden. Der letzte der alten Landtage fand 1675 statt. Durch das Einschlafen der Landtage der Herzogtümer war in Schleswig und Holstein de facto nachvollzogen, was im Königreich Dänemark mit dem Ende des Dänisch-Schwedischen Krieges 1660 begann und de jure 1665 mit dem dänischen Königsgesetz vollendet wurde: Als erstes europäisches Land war der Absolutismus eingeführt worden. Als Herzog konnte der König nun auch in Schleswig und Holstein absolut regieren. In anderen Territorien, zum Beispiel in Bayern, in den welfischen Landen, dem heutigen Niedersachen, und in den hessischen Ländern, waren an die Stelle der Vollversammlungen der Landtage Ausschüsse getreten. Mit ihrer Hilfe hielten die Stände dort ihre politische Mitsprache, meistens über den Weg der territorialen Schuldenverwaltung, bis in die Zeit der Französischen Revolution aufrecht. Erst 1835 wurde in Folge des Wiener Friedens – allerdings getrennt für die Herzogtümer Holstein und Schleswig – das Instrument landständischer Vertretungen durch die Ständeversammlungen wieder belebt.
Ulrich Lange (TDM 0202 / 0721/ 0122)
Quellen: SHG, Ulrich Lange (Hrsg.), Geschichte Schleswig-Holsteins – Von den Anfängen bis zur Gegenwart, 1996, Neumünster, Wachholtz Verlag, ISBN 3-529-0440-6
Bildquelle: Schleswig-Holsteinisches Landesarchiv, Schleswig (LAS)