Die Zeit des dänischen „Gesamtstaats“ dauerte von 1773 bis zur Niederlage des dänischen Königreiches gegen Preußen und Österreich am 30.10.1864 (Schleswigsche Kriege). Zum dänischen Gesamtstaat gehörten neben dem Kernland die Herzogtümer Schleswig und Holstein, Norwegen bis zum Kieler Frieden von 1814 sowie Island und die Faröer Inseln. 1815 kam das Herzogtum Lauenburg dazu.
Eine lange Vorgeschichte
1460 war im Privileg von Ripen festgeschrieben worden, dass der dänische König auch Herzog von Schleswig und Holstein sei und dass beide Herzogtümer zusammenbleiben und es keine Aufteilung unter mehreren Erben vorgenommen werden solle (tosamende ungedelt). Das Privileg war eine Handfeste, also quasi das Versprechen des neuen Königs Christian I. (*1421/1448-1481†) für dessen Regierungszeit. Schon 1490 wurde sie in Folge von Erbstreitigkeiten nicht mehr beachtet. Es kam zur ersten Landesteilung, die unter König Friedrich I. (*1471/1523-1533†) 1524 wieder aufgehoben wurde. Erneute Teilungen gab es 1544 und 1581. In der Folgezeit gelang es der gottorfischen Linie, in ihren Landesteilen in Schleswig (nur bis 1720) und Holstein eine stabile fürstliche Herrschaft zu errichten. Um nicht in den Schwedisch-Dänischen Krieg (1643-1645) gezogen zu werden, hatten die Gottorfer 1644 auf Neutralität gesetzt. Im weiteren Verlauf des 17. Jahrhunderts banden sie sich immer enger an Schweden. Sie sahen das Königreich als Garant ihrer Souveränität. Für die ebenfalls aus dem Hause Oldenburg stammenden dänischen Könige entstand damit die so genannte „Gottorfer Frage“. Vor allem der Wunsch, wieder alleiniger Herr im Herzogtum Schleswig zu werden, erfüllte sich nicht. Nach dem Dänisch-Schwedischen Krieg (1657-1660) erreichten die Gottorfer sogar die volle Souveränität. Christian V. (*1646/1670-1699†) ließ zweimal Gottorfer Territorien besetzen und musste zwei Mal wieder klein beigeben.
Die Wende im Großen Nordischen Krieg
Die Wende kam mit dem Großen Nordischen Krieg. An dessen Beginn scheiterte Dänemark zunächst. 1700 mußte König Friedrich IV. (*1671/1699-1730†) nach einem schwedischen Einfall die Souveränität Gottorfs wieder bestätigen. Erst mit dem erneuten Einfall der Schweden 13 Jahre später wendete sich das Blatt. Die Schweden mussten abziehen, der dänische König besetzte 1713 die schleswigschen Gottorfer Territorien. Im Frieden von Frederiksborg Juli 1720 erhielt der dänische König unter Vermittlung von England und Frankreich die gesamten Gottorfer Gebiete zugesprochen. Doch Holstein war ein Lehen des deutschen Kaisers. Der intervenierte und erhielt so für die Gottorfer zumindest deren holsteinischen Gebiete. Aus Schleswig-Holstein-Gottorf war damit das Duodez– oder Kleinfürstentum Holstein-Gottorf geworden. 1713 respektive 1720 wird deshalb oft schon als Anfang der Zeit des dänischen Gesamtstaats angesehen.
Kiel spielt die russische Karte
Doch von der neuen Residenz Kiel aus machten die Gottorfer weiter eigene Politik. Herzog Carl Friedrich (*1702-1739†) suchte und fand nun politische Protektion durch Russland. Er heiratete die älteste Tochter von Zar Peter dem Großen. Deren Sohn Herzog Carl-Peter Ulrich (*1728-1762†) wollte auch die schleswigschen Territorien für Gottorf wieder zurückgewinnen. 1762 bestieg er als Zar Peter III. den russischen Thron. Doch schon nach einem halben Jahr wurde er gestürzt und ermordet. Seine Frau Katharina (*1729/1762-1796†) trat sein Erbe an. Sie war – anders als ihr Mann – auf Ausgleich bedacht und übertrug ihrem minderjährigen Sohn Paul (*1754-1801†) das Herzogtum Holstein. Für den jungen russischen Großfürsten wurde im April 1767 mit dem König von Dänemark ein provisorischer Vertrag vereinbart, in dem die Gottorfer den großfürstlichen Anteil am Herzogtum Holstein abtraten und dafür die Grafschaften Oldenburg und Delmenhorst erhielten, die er wiederum der jüngeren Linie seines Geschlechts überließ. Damit war der latente Konflikt mit dem dänischen König beigelegt und die „Gottorfer Frage“ gelöst. Der definitive Vertrag kam am 1.Juni 1773 in Zarskoje Zelo (Puschkin) zustande, als der Großfürst mündig geworden war. Durch diesen Vertrag war der dänische Gesamtstaat entstanden.
Die Zeit des Gesamtstaats
In der traditionellen deutschen Geschichtsschreibung wird die Zeit des Gesamtstaates vorwiegend mit negativen Vorzeichen gesehen. Sie wird aus einer nationalstaatlichen Perspektive gesehen. 1772 war durch den Sturz und die Hinrichtung des Radikalreformers Johann Friedrich Struensee (*1737-1772†) zum ersten Mal auch der beginnende dänische Nationalismus erkennbar geworden. Er richtete sich gegen die Vorherrschaft deutscher Minister an der Spitze des Königreichs. Damit war sicher ein Kern des im 19. Jahrhundert sich zuspitzenden Gegensatzes zwischen Deutsch und Dänisch gelegt. 1773 befand sich jedoch auch Dänemark noch in einer vornationalen Phase. Das zeigte sich auch daran, das Andreas Peter Bernstorff (*1735-1797†) – also erneut ein „Deutscher“ – im gleichen Jahr zum Chef der einflussreichen Deutschen Kanzlei und Außenminister ernannt wurde. Er fühlte sich dem Gesamtstaat verpflichtet, dachte und handelte nicht in Nationalen Kategorien. Es war die Zeit des aufgeklärten Absolutismus. Im Geiste des Merkantilismus versuchte der Gesamtstaat, den Wohlstand seiner Untertanen – die „Wohlfahrt“ – zu mehren. Dazu gehörten der Aufbau neuer Produktionsformen und – als größtes Projekt – der Bau des Schleswig-Holsteinischen Canals. Die überkommenen regionalen Verwaltungsstrukturen (siehe Landkreise) blieben dabei weitgehend bestehen, ebenso wurden die örtlichen Sprachen sowie das bis dahin geltende Recht toleriert. Wenn am Hofe Friedrichs des Großen Französisch gesprochen wurde, war Deutsch die Sprache der dänischen Oberschicht. Deshalb existierte auch zunächst kaum ein deutsch-dänischer Gegensatz.
Ende der „goldenen Zeit“
Die „goldene Zeit“ endete, als der Versuch des Gesamtstaats misslang, sich aus den Napoleonischen Kriegen herauszuhalten. Der Wohlstand wurde aufgezehrt, 1813 schließlich erfolgte der Staatsbankrott, 1814 mit dem Kieler Frieden der Verlust Norwegens. Die Untertanen in den Herzogtümern, besonders die Bauern, wurden bei der folgenden Währungsreform und der Sanierung der öffentlichen Kassen weitaus mehr belastet als die im dänischen Stammland. Der daraus sich ergebende Unmut gegenüber Kopenhagen kam zusammen mit den neuen nationalstaatlichen Gedanken. Seit den 1830er Jahren verstärkten sich Stimmen, die eine Eigenständigkeit der „deutschen“ Herzogtümer Schleswig und Holstein forderten. Im Norden des Herzogtums Schleswig, dessen ländliche Bevölkerung vorwiegend dänischer Herkunft war, entwickelte sich parallel eine dänische Bewegung. Das dänische Königshaus taktierte unglücklich. So verhinderte es über Jahre die durch den Wiener Kongreß eingeräumten landständischen Vertretungen für die Herzogtümer. Zu spät und dazu getrennt für Schleswig und Holstein wurden Ständeversammlungen eingeführt. Sie waren im wesentlichen nur mit beratenden Rechten ausgestattet und entwickelten sie sich nicht zu einem friedensfördernden Instrument. Sie wurden im Gegenteil zu einer Bühne, um den nun deutsch-dänischen Gegensatz zu auszutragen. Er kulminierte in der Erhebung 1848 bis 1851. Zwar konnte sich Dänemark noch einmal durchsetzen, doch nun gab es die „Schleswig-Holsteinische Frage“, die 1864 zum Einmarsch von Preußen und Österreich führte und die Zeit des dänischen Gesamtstaats beendete. Nach der Schlacht von Königsgrätz 1866, bei der Preußen die Österreicher besiegte, verleibte sich das Königreich Preußen Schleswig und Holstein 1867 durch die Annexion als Provinz ein.
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Quellen: Ulrich Lange (Hrsg.),Geschichte Schleswig-Holsteins – Von den Anfängen bis zur Gegenwart (SHG), 2. verbesserte und erweiterte Ausgabe, Neumünster 2003, Wachholtz Verlag, ISBN 3-529-02440-6; Klaus-Joachim Lorenzen-Schmidt und Ortwin Pelc (Hrsg.), Schleswig-Holstein Lexikon, Neumünster, 2000, Wachholtz Verlag, ISBN 3-529-02441-4
Bildquelle: Deutsche Kanzlei: Sammlung Christian Degn; Bernstorff: Sammlung Bethmann-Hollweg; Gesamtstaat: (nachkolorierte) Karte von H.H. Hennings aus Ulrich Lange (Hrsg.), Geschichte Schleswig-Holsteins – Von den Anfängen bis zur Gegenwart