Politische Situation im 17. Jahrhundert
Unter dem dänischen König Christian IV. (1577*/ 1596-1648) waren die Herzogtümer in den Dreißigjährigen Krieg verwickelt und am Ende verwüstet worden. Nach dem Westfälischen Frieden 1648 folgte schon 1657 der Dänisch-Schwedische Krieg. Drei Jahre dienten nicht nur die dänischen Gebiete der Herzogtümer als Versorgungsraum für die Truppen des dänischen Königs Friedrich III. (1609*/1648-1670).
Leben: Dunkel und stickig
Neun von zehn Menschen lebten damals auf dem Land. Im Gegensatz zu der sehr kleinen Oberschicht wohnte die Landbevölkerung in ärmlichen bis elendigen Verhältnissen. Das alltägliche Leben in den Katen war dunkel und stickig. Denn die offenen Feuerstellen in den Häusern ohne Schornsteine führten zu schlechter Luft. Der Rauch zog nur schwer durch das Reet- oder Strohdach ab. Die Häuser besaßen auch nur kleine Fenster oder einfache Gucklöcher. Anders in den Städten. Dort lebten zumindest reichere Kaufleute in größeren Anlagen. Beispiel Flensburg: Vorne zur Hauptstraße lag das große herrschaftliche Haus dahinter Wohnungen für das Gesinde und die Arbeiter. Dann reihten sich Werkstätten und Magazine in Richtung Förde. Für Kiel ist überliefert, dass besonders im 17. Jahrhundert Kellerwohnungen zunahmen und dort Untermieter aufgenommen wurden. Die weniger vermögenden Einwohner wie Handwerker oder Tagelöhner wohnten in einfachen „Buden“ in der Vorstadt. Diese Buden waren meist kleine, eingeschossige Häuser.
Fleisch ist Herrenkost
Der Großteil der Gesellschaft ernährte sich hauptsächlich von Brot und Hafergrütze. Dazu gab es ab und an Gemüse oder Waldfrüchte. Frisches gebratenes Fleisch dagegen war die Ausnahme und galt als „Herrenkost“. Noch immer waren Dünnbier und Milch die einzigen Getränke, die hygienisch unbedenklich und für das Volk verfügbar waren. Die meisten Menschen wurden nicht alt und die Säuglingssterblichkeit war hoch.
Familie: Alle unter einem Dach
Die Bauern teilten sich in dieser Zeit noch ihre Unterkunft mit dem Vieh. An die Wohn- und Schlafräume schloss sich die Küche an, die meist offen in den Stallbereich überging. Über dem gesamten Bereich lagerten auf dem Boden Stroh, Heu und Vorräte. Unter diesem einen Dach wohnten mehrere Generationen zusammen mit dem Gesinde – also den Mägden und Knechten.
Bildung für wenige
Noch gab es keine allgemeine Schulpflicht. In vielen Gegenden der Herzogtümer fehlte ein organisiertes Schulwesen. Als Ausnahmen galten Dithmarschen und die Landschaft Eiderstedt. Wo es auf dem Land Schulen gab, wurden sie nur im Winter regelmäßig besucht. Im Sommer mussten die Kinder auf den Höfen helfen. In den Schulen wurde vor allem aus der Bibel auswendig gelernt. Ziel war es, den Kindern das Beten und das Lesen der heiligen Schrift beizubringen. Schreiben und Rechnen kamen wenn überhaupt erst danach. Auch wenn das Schulsystem erst in seinen Anfängen steckte, bekam Schleswig-Holstein in dieser Zeit seine erste Hochschule. Im Jahr 1665 gründete der Gottorfer Herzog Christian Albrecht (1641*/1659-1694) die heute nach ihm benannte Christian-Albrechts-Universität zu Kiel.
Trinkwasser gleich Abwasser?
Im 17. Jahrhundert war es aufwendig sich mit trinkbarem Wasser zu versorgen. In den Marschen musste das Wasser aus Gräben geschöpft werden. Auf den Halligen gab es spezielle Zisternen, den Sood, in dem abgeteilt von dem offenen Teich für Brauchwasser – dem Fething –Regenwasser zum menschlichen Genuss gesammelt wurde. Die größeren Bauernhöfe verfügten oft über eigene Brunnen. Die wenigen Stadtbewohner Schleswig-Holsteins bezogen ihr Wasser dagegen größtenteils aus dem Stadtgraben oder den anliegenden Flüssen. Dort ließ sich jedoch nur bedingt Trinkwasser gewinnen. Denn Spülwasser wie auch Fäkalien wurden meist einfach auf die Straße gegossen und gelangten damit meist wieder in den Fluss, wie etwa in die Stör in Itzehoe oder die Wakenitz in Lübeck. Wo es Brunnen gab, lagen die oft in unmittelbarer Nähe zu Kloaken. Das Schmutzwasser gelangte so wieder in das eigentlich saubere Grundwasser.
Aufbau nach der Zweiten Mandränke
1634 hatte die zweite große Manndränke entlang der Küste vor allem in Nordfriesland viele der fruchtbaren Marschköge zerstört. Die Schäden waren so erheblich, dass es unmöglich schien, die fruchtbare Marsch in absehbarer Zeit mit dem traditionellem von den Anwohnern genossenschaftlich getragenem Deichbau wieder in Kultur zu bringen. Es wurde die Oktroi eingeführt. Mit ihr überträgt der Landesherr das Recht zum Deichen an einen Unternehmer. Der hat die Kosten zu tragen und darf danach auch den Gewinn behalten. Finanzkräftige Investoren, die sich auf das hoch spekulative Geschäft einließen, kamen vor allem aus den Niederlanden (Holländer). Dort gab es zu dieser Zeit tiefe Glaubenskonflikte. Deshalb wurde den Investoren Glaubensfreiheit gewährt, um sie zusätzlich zu motivieren. So entstand etwa die Altkatholische Gemeinde auf Nordstrand. Der neue Deichbau wurde nun von Tagelöhnern betrieben. Schlecht entlohnt und hoch gefordert herrschte oft großer Unmut unter den Arbeitern und es kam zu Deicharbeiteraufständen. Den ersten gab es bereits 1613. Die Unruhen waren so häufig, das es bald mit dem aus den Niederlanden stammenden „Lawai“ dafür einen eigenen Begriff gab.
Medizinische Versorgung in Schleswig-Holstein um 1650
Die medizinische Versorgung der Familie nicht nur auf dem Land war problematisch. Sie lag meistens in den Händen von angehenden Barbieren oder Chirurgen. Diese mussten auf Wanderschaft gehen, um in das Amt eines Barbiers aufgenommen zu werden. Auch gehörte der Bader oder der Scharfrichter zu den Heilberufen. Der Scharfrichter erhielt seine Kenntnisse durch die Hinrichtungen. Diese Kenntnisse konnte er z.B. bei Knochenbrüchen anwenden. Allerdings konnten diese Personen allesamt wohl eher eine laienhafte Ausbildung vorweisen. Die vorhandenen St. Jürgen-Hospitäler hatten mehrere Funktionen. Einerseits dienten sie als Armen- und Siechenhäuser. Anderseits wurden sie auch als Irrenanstalt, Obdachlosenasyl, Herberge, Entbindungsstation oder als Pflegeheim verwendet. Im 16. und 17. Jahrhundert existierten diverse Seuchen, darunter die Ruhr, Typhus oder die Beulenpest. Dagegen konnte auch in den Hospitälern kaum etwas getan werden. Nur das Isolieren der Infizierten konnte das Ausbreiten der Seuchen eingrenzen.
Lars Waldmann (1015)
Literatur: Bohn, Robert: Geschichte Schleswig-Holsteins, München 2006, (Beck’sche Reihe),
Bohn, Robert: Schleswig-Holstein – Geschichte auf den Punkt gebracht, Neumünster 2008,
Lange, Ulrich: Konflikte und Kriege im 17. Jahrhundert. In: Ders. (Hg.): Geschichte Schleswig-Holsteins. Von den Anfängen bis zur Gegenwart. Neumünster 1996, S. 225-266.
Lange, Ulrich: Lebensstandards und Infrastruktur um 1600. In: Ebd., S. 211-224.
Morgenroth, Imke: Lebensstil des schleswig-holsteinischen und dänischen Adels 17.-18. Jahrhundert. Kiel 2012.
Schlüter, Hermann: Die Verpflegung der einfachen Bevölkerung im 17. Jahrhundert. Ergebnisse meiner Nachforschungen im schleswig-holsteinischen Archiven. Eckernförde 1998.
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