Als Mit dem Privileg von Ripen von 1460 war auch das Institut der Landtage geschaffen worden. 1675 hatten sie sich durch den Absolutismus überlebt, dessen Landesherren für sich beanspruchten, „von Gottes Gnaden“ zu regieren und daher nicht mehr nicht mehr die Zustimmung der Stände brauchten, um Steuern zu erheben. 160 Jahre sollte es dauern, bis in den Herzogtümern wieder die Stände zusammengerufen wurden. Als 1835 die ersten Provinzialstände für Holstein nach Itzehoe einberufen und ein Jahr darauf die Provinzialstände für das Herzogtum Schleswig in die Schleistadt (Schleswig) zitiert wurden, hatte sich viel verändert. Die Französische Revolution hatte eine ganz neue Form der Legitimation von Herrschaft mit sich gebracht. Der Landesherr war danach König und Herzog, weil das Volk ihn als Herrscher wollte. Der Wille des Volkes wurde von Abgeordneten artikuliert, die, jeder für sich und nur ihrem Gewissen verantwortlich, als direkte „Volksvertreter“ agierten. Diese revolutionären Ideen drangen auch bis nach Deutschland vor. Nach dem Wiener Kongreß bestimmte der Deutsche Bund im Artikel 13 seiner Bundesakte, in jedem seiner Territorien sollte es eine „Landständische Verfassung“ geben. Vom dänischen Gesamtstaat war nur das Herzogtum Holstein Teil des Deutschen Reiches. In Kopenhagen hatte man es deshalb nicht eilig, das Verfassungsversprechen einzulösen. Doch Anfang der1830er Jahre wuchs der Druck. Etwa durch den Sylter Uwe Jens Lornsen. Er wollte einen „Petitionssturm“ in den Herzogtümern entfesseln, um ein „Verfassungswerk in Schleswigholstein“ durch massiven Druck der Öffentlichkeit zu erzwingen. Das Projekt scheiterte kläglich. König Friedrich VI. hielt es dennoch für angeraten, im Mai 1831 anzukündigen, für die vier Teile des Gesamtstaates (dänische Inseln, Jütland, Schleswig und Holstein) Ständeversammlungen einzurichten: Damit betonte er die Gleichberechtigung der Teile und die Einheit des Gesamtstaates – auch und vor allem gegenüber dem Deutschen Bund. Nach preußischem Vorbild gewährte er nur beratende Rechte; auch waren nicht alle Abgeordneten vom Volk gewählt, denn einige wurden vom König ernannt. Die Wahl der übrigen Abgeordneten war nicht geheim, sondern öffentlich, und wählen durfte nur, wer über Besitz und Vermögen bestimmter Größe verfügte. Lehrer und Journalisten zum Beispiel waren nicht wahlberechtigt, Frauen nicht und Juden (zunächst) auch nicht, und das Volk, das war nach eigenem Verständnis die „vornehme, gebildete Mittelclasse“, rückblickend betrachtet: das liberale Bürgertum.
1846 lösten sich die Ständeversammlungen unter Protest selber auf. Auslöser war eine „Offener Brief“ Christian VIII. Sei Ziel war es, den Gesamtstaat zusammenzuhalten. Einerseits wollte er dafür den Landesteilen mit einigen Zugeständnissen entgegenkommen, um andererseits die zum Erhalt der Erbmonarchie notwendige weibliche Erbfolge zu verkünden. Viele „Schleswigholsteiner“ hatten sich erhofft, durch das Aussterben der männlichen Linie gebe es für die beiden Herzogtümer eine Chance, zu einem eigenständigen Staatswesen zu werden. Der „Offene Brief“ löste daher einen Sturm des Protestes aus und führte 1846 zur Selbstauflösung der Ständeversammlungen in Itzehoe und Schleswig.
Politische Teilhabe war das schon, was in den Ständeversammlungen von Schleswig und Holstein in den Jahren nach 1835 und bis 1846 praktiziert wurde, sogar Teilhabe in parlamentarischer Form in Sitzungen des Plenums und der Ausschüsse, aber bei weitem noch keine parlamentarische Demokratie. Die Versammlungen waren nicht öffentlich, hatten vor allem beratende Funktion, und ihnen fehlte mit dem Haushaltsrecht das zentrale Steuerungsinstrument eines Parlamentes. Dennoch wurden 1835 und 1836 erste Schritte auf dem Weg gemacht, der eine politisch interessierte Öffentlichkeit herstellte, die dazu führte, daß sich das Bürgertum 1848 vom absolutistischen Landesherrn emanzipierte: Es bildete aus eigener Legitimation eine Provisorische Regierung, brachte eine Landesversammlung zustande und beschloß endlich eine revolutionäre, liberale Verfassung, das „Staatsgrundgesetz“, dies alles im wesentlichen in parlamentarischem Procedere.
Die militärische Niederlage der Schleswig-Holsteinischen Erhebung gegen Dänemark und seinen König (1851) bedeutete auch das Ende der Episode, in der das Staatsgrundgesetz galt. Die Provinzialstände aus der Zeit von 1835/36 bis 1846 wurden vom König wiederhergestellt und kamen in den Jahren von 1853 bis 1863 erneut zusammen. Sie boten wiederum politische Teilhabe nur in sehr begrenztem Umfang, bildeten jedoch einmal mehr den Resonanzboden, auf dem sich die nationale und die Verfassungsfrage artikulieren konnte. Für die konservative Ritterschaft der Herzogtümer waren sie zudem eine Plattform, um ihre Privilegien verteidigen zu können.
ulla (TDM 0202)
Quellen: SHG, Ulrich Lange (Hrsg.), Geschichte Schleswig-Holsteins – Von den Anfängen bis zur Gegenwart, 1996, Neumünster, Wachholtz Verlag, ISBN 3-529-0440-6; Ulrich Lange, in: Zum 150. Jahrestag der holsteinischen Ständeversammlung, Kiel 1985, herausgegeben vom Präsidenten des Schleswig-Holsteinischen Landtages
Bildquellen: Schleswig-Holsteinischer Landtag, Gemeinsames Archiv des Kreises Steinburg und der Stadt Itzehoe