Gustav Adolph Thomsen (*1833-1915†) aus Zennhusen in Dithmarschen begann als Marschbauer. Er sprach immer wieder darüber, „daß sich der Bauer und Landmensch in die neuzeitliche Wirtschaft einschaltet, daß er im Getriebe des kapitalistischen Systems selber die Hand rühren muß, um nicht überrollt zu werden“. Thomsen handelte nach dieser Einsicht. Er wurde Holzhändler, Reeder, gründete zwei Banken und gehörte von 1881 bis 1898 als Liberaler dem Deutschen Reichstag an. Trotz dieser Karriere blieb er sein Leben lang ein bodenständiger Dithmarscher Bauer.

Gustav Adolph Thomsen – (oben links) Treue und Arbeit führt zum Ziel

Anfang in der Landwirtschaft

Gustav Adolph Thomsen heiratete 1857 Maria Christina Gehlsen (*1838-1923†) und übernahm den elterlichen Marschbetrieb. Nach zehn Jahren überließ er den Hof seinem Bruder. 1869 gründete er zusammen mit Hans-Hermann Gehlsen, dem Vetter seiner Frau, eine Holzhandlung in Schülpersiel an der Eider. Bis 1876 hieß die Firma „G. A. Thomsen & Co“, dann zog sie als „Holzhandlung Gehlsen“ nach Glückstadt und Thomsen schied aus. Er hatte inzwischen andere Beschäftigungsfelder gefunden.

Der Viehtransporter „Schleswig“ fuhr von 1878 an von Tönning mit Vieh nach Grossbritannien

Ochsen für England

Seit 1846 ging es den Bauern an der Westküste gut, denn es wurde immer mehr Hornvieh nach England exportiert. Von Tönning aus wurden jedes Jahr tausende Ochsen später auch Schafe in das Vereinigte  Königreich verschifft, um dort die Menschen in den neuen und boomenden Industriestädten zu ernähren. Das Geschäft mit dem Transport machten allerdings britische Reedereien. Das brachte Thomsen auf den Plan. 1871 gründete er die „Tönninger-Dampfschiffahrts-Gesellschaft“ und übernahm deren Vorsitz. Fünf Jahre später folgte ebenfalls unter dem Vorsitz von Thomsen der Start der „Tönninger Darlehensbank.“ Zwar gab es schon die ersten Sparkassen, aber diese vergaben nur langfristige Kredite, meist Hypotheken. Die Landwirte brauchten aber „schnelles“ Geld. Im Frühjahr wurden Magerochsen gekauft, über den Sommer fett gegräst und im Herbst verkauft. Die dafür erforderlichen Gräserkredite gab es bis dahin nur über englische Agenten. 

Die „Westholsteinische Bank“ am Markt in Heide

Mal ’ne Bank gründen

Als 1887 im Deutschen Reich die Maul- und Klauenseuche ausbrach, beendete die Briten den Fleischimport aus Schleswig-Holstein. Die Landwirtschaft traf das nicht extrem. Der Viehhandel hatte sich von Tönning nach Husum verlagert. Statt der Dampfer nach England fuhr nun die Marschbahn große Mengen Vieh in die neuen boomenden deutschen Industriereviere. 1887 wurde so in Husum eine Filiale der Tönninger Bank eröffnet. Sie wurde am 1. Januar 1891 in „Schleswig-Holsteinische Bank“ umbenannt. 1895 kam es zum Bruch der Bank mit ihrem Gründer. Gustav Adolph Thomsen hatte versucht, das Vier-Augen-Prinzip durchzusetzen. Danach bedurfte es immer zweier Direktoren, um einen Kredit zu genehmigen. Thomsen wurde 1895 darauf als Aufsichtsrat nicht wieder gewählt und ihm sein Stuhl vor die Tür gestellt *). Er kehrte nach Dithmarschen zurück, setzte ein Anzeige in die Zeitung und hatte in Rekordzeit 1,5 Millionen Mark zusammen, die von 129 Interessenten – meist aus der Landwirtschaft – eingelegt wurden, um eine Konkurrenzbank zu gründen. Die „Westholsteinische Bank“ startete im April 1896, blühte und wuchs schnell. In den ersten zwei Wochen setzte sie 1,6 Millionen Mark um. Beide von Thomsen gegründeten Banken kamen am Ende wieder zusammen. 1943 wurden die Schleswig-Holsteinische und die Westholsteinische zwangsvereinigt und Altona die neue Zentrale. Daraus entstand 1968 die Westbank, die 1974 dann Teil der Hamburger Vereinsbank wurde.

*) Das „Vier-Augen-Prinzip wurde dann doch, und zwar schon 1896, bei der „Schleswig-Holsteinischen Bank“ eingeführt. Generell gilt es in der Bundesrepublik erst seit der Herstatt-Pleite 1974.

Vierspännig zum Reichstag

Gustav Adolpf Thomsen genoss an der Westküste großes Vertrauen. Das hatte sich schon in der Kommunalpolitik gezeigt. 1881 erhielt er im Wahlkreis Schleswig 5 (Norder- und Süderdithmarschen-Steinburg) eine überwältigende Mehrheit und zog als Vertreter der Liberalen Vereinigung in den Reichstag ein. Als sich die Liberalen mit der Fortschrittspartei zusammentaten und als Freisinnige antraten und damit im Gegensatz zu Reichskanzler Otto von Bismarck (*1815-1898†) standen, verließ Thomsen die Partei. Von 1890 an kandidierte er als Unabhängiger. 1898 ging er mit 65 Jahren als Politiker in den Ruhestand. In der Familie wurde die Episode legendär, dass „Onkel Gustav“ – wahrscheinlich aus seiner liberalen Gesinnung heraus – sich einmal vierspännig zum Reichstag fahren ließ. Das war eigentlich dem Hofe vorbehalten. Doch Kaiser Wilhelm II. soll schmunzelnd geäußert haben, dass ein Dithmarscher Bauer das wohl auch einmal dürfe. 

Markt 68 – der Alterssitz von Gustav Adolph Thomsen in Heide – gebaut auf Marschboden

Auch in der Stadt nur auf Marschboden

Schon 1893 hatte Thomsen am Marktplatz in Heide das runtergewirtschaftete Gebäude der ehemaligen Landvogtei erworben. Er ließ es abreißen. Bevor am Markt 68 sein Altersitz entstand wurde Marschboden angefahren. Gustav Adolph Thomsen wollte stets eigene Erde unter den Füßen haben und das war Klei- und nicht Geestboden. Zwei Jahre nach dem Ende seiner politischen Karriere zog sich Thomsen auch als Aufsichtsratsvorsitzender der „Westholsteinischen Bank“ zurück. Er blieb aber aktiv und gründete 1902 eine Auffanggesellschaft, um den „Heider Anzeiger“ zu retten, der in Zahlungsschwierigkeiten steckte. Es gelang und aus der Gesellschaft ging der Buch-und Zeitungsverlag „Boyens & Co“ hervor. 

Gustav Adolph Thomsen am Ende eines langen und erfüllten Lebens

Werner Junge (0822*/0424)

Quellen: Dietrich Korth, Gustav Karl Gülk, Gustav Adolph Thomsen, in: Biographisches Lexikon für Schleswig-Holstein und Lübeck, Band 7, S. 309-311, 1985, Neumünster, Wachholtz Verlag, ISBN 3 5290 2647 6; Werner Junge, Mal ‘ne Bank gründen – Wie eine Aktienbank vor 90 Jahren entstand, 6.02.1986, NDR 1 Welle Nord, Sendung: Aus Politik und Wirtschaft; Gustav Karl Gülk, Gustav Adolph Thomsen, in: DITHMARSCHEN N.F. 2/72, S. 34 – 38, Heide, 1972.

Bilder: Vignette/Porträt: Archiv Dithmarscher Landesmuseum, Foto eines Gemäldes von Nikolaus Bachmann, das in Heide in der Filiale der Unicredit – vormals Vereins- und Westbank – hängt; „Schleswig“ aus Hans-Friedrich Schütt, Seite 301, 1971;Westholsteinische Bank: SHLB; Haus Markt 68: Stadtarchiv Heide; Altersbild: SHLB