Am 24. Oktober 1956 legten 20.000 Metaller in 15 Betrieben in Schleswig-Holstein die Arbeit nieder. Der Streik erfasste immer mehr Betriebe und endete erst am 9. Februar 1957. Es war damit der längste Arbeitskampf in der Geschichte der Bundesrepublik. Es ging der Industriegewerkschaft Metall nicht um höhere Löhne. Gefordert wurde, die Arbeiter mit den Angestellten gleich zu stellen. Für die galt bereits seit 1930 im Krankheitsfall eine Lohnfortzahlung von sechs Wochen. Zusätzlich ging es darum, mehr Urlaub und auch Urlaubsgeld zu bekommen. Nicht alles wurde am Ende erfüllt, der Streik leitete aber eine Wende ein.
„Flexible Eskalation“
Die IG Metall startete mit einem überzeugenden Votum in den Arbeitskampf. 70 Prozent der 65.000 Metaller im Land waren gewerkschaftlich organisiert. 88 Prozent davon stimmten am 11. und 12. Oktober 1956 für den Streik. Die Gewerkschaft setzte auf eine „flexible Eskalation“. Basis waren die 25.000 Arbeiter auf den Werften. Sie bildeten den Kern der Streikenden. Am 24. Oktober 1956 legten 20.000 Arbeiter in 15 Betrieben die Arbeit nieder. Die Zahl erreichte im Januar 1957 dann 34.000 in 38 Betrieben. Der Ernst und der Durchhaltewille der Streikenden wurden von der Arbeitgeberseite zuerst unterschätzt. Das ist mit ein Grund für die ungewöhnliche Dauer des Arbeitskampfes.
Schlichter und Widerstand
Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Kai-Uwe von Hassel (*1913-1997†) von der CDU versuchte allein sechs Mal zu schlichten – ohne Erfolg. Im Dezember 1956 wurde die Schlichtungsstelle angerufen. Diese arbeitete ein Angebot aus. Die IG-Metall empfahl es abzulehnen. Das taten 97 Prozent der organisierten Arbeiter bei der zweiten Urabstimmung. In der Bundesrepublik wurde nun diskutiert, ob die Politik bei solch langen Arbeitskämpfen nicht in die Tarifautonomie eingreifen und ein Ende erzwingen müsse. Es blieb jedoch bei der Autonomie. Im Januar schließlich vermittelte Bundeskanzler Konrad Adenauer (*1876-1967†). Er rang den Arbeitgebern zumindest für die Lohnfortzahlung im Krankheitsfall Teilzugeständnisse ab. Die Gewerkschaft empfahl den Kompromiss anzunehmen. Doch sie wurde von den eigenen Mitgliedern bei der dritten Urabstimmung am 30. Januar 1957 überrascht: 76 Prozent lehnten ab, weil der großen Mehrheit der Arbeiter das Ergebnis nach 14 Wochen Streik zu dürftig erschien.
Das glückliche Ende
Die Arbeitgeber besserten nach. In der vierten Urabstimmung am 9. Februar 1957 kam die erforderliche Dreiviertel-Mehrheit für die Fortsetzung des Streiks nicht mehr zustande. Allerdings lehnte noch über die Hälfte der Arbeitnehmer den Kompromiss ab. Der brachte im Ergebnis den Durchbruch für die Lohnfortzahlung von Arbeitern im Krankheitsfall. Damit war noch nicht mit den Angestellten ein gleicher Stand erreicht, aber alles in Bewegung gesetzt. Im Juli 1957 verabschiedete der Bundestag ein Gesetz, dass die Lohnfortzahlung im Krankheitsfall festlegte. Erst 1967 schaffte die große Koalition von CDU/CSU und SPD mit dem „Lohnfortzahlungsgesetz“ die völlige Gleichheit von Arbeitern mit Angestellten.
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Quelle: Uwe Danker und Utz Schliesky (Hg.), Schleswig-Holstein 1800 bis heute, 2014 , Husum Druck- und Verlagsgesellschaft, ISBN 978-3-89876-748-4, S. 318-327.
Bildquellen: Karikatur: Streiknachrichten aus Schleswig-Holstein Nr. 50 am 9. Januar 1957, Hg. IGM, Frankfurt a.M., 1976 ; Streik: Stadtarchiv Kiel, 2.4 Bildnachlass Hermann Nafzger.