Nach der Schlacht im Skagerrak 1916 lag die deutsche Hochseeflotte in Wilhelmshaven untätig fest. Schon 1917 kam es zu Unruhen. Ende Oktober 1918 schließlich brachen unter den Matrosen Meutereien aus. Grund war das Gerücht, die Flotte sollte in einem letzten Kampf „geopfert“ werden. Um ihre Autorität wiederzugewinnen, entschloss sich die Marine, die Flotte auf mehrere Standorte zu verteilen. Das III. Geschwader wurde zurück in seinen Heimathafen Kiel verlegt. Am 1. November trafen die Schiffe mit ihren 5.000 Mann Besatzung dort ein. Die Situation beruhigte sich in Kiel jedoch nicht. Aufrührerische Matrosen nahmen mit Landeinheiten und Werftarbeitern Kontakt auf. Es kam zur Vereinigung. Kriegsmüde, hungrig und aus dem Gefühl heraus, der Krieg sei allein auf Schultern der kleinen Leute geführt worden, wünschten sie, einen Frieden ohne Annexionen zu schließen und dem Krieg endlich ein Ende zu machen. Nach Protestmärschen kam es am 3. 11. 1918 zu Schießereien mit regierungstreuen Truppen. Es gab Tote und Verletzte. Die Arbeiterschaft reagierte mit einen Generalstreik am 4. am 5. November wurde auf den Schiffen die kaiserliche Flagge niedergeholt und an ihrer Stelle die rote gesetzt. Die Revolution hatte begonnen. Von Kiel liefen Schiffe aus, trugen sie weiter nach Lübeck, Flensburg und Brunsbüttel. Von der Küste pflanzte sich die Welle ins Land fort. Marineführung und Oberpräsident konnten dem nichts entgegensetzen, sie überließen das Regiment den revolutionären Kräften. Ausgehend wiederum von Kiel organisierte sich die politische Repräsentanz in eine neuen Form.
Arbeiter- und Soldatenrat
In der Nacht vom 4. auf den 5. November entstanden in Kiel parallel ein Arbeiter- und ein Soldatenrat. Der Arbeiterrat übernahm die Organisation des zivilen, der Soldatenrat die des militärischen Lebens. Anders als die „Räte“ während der Oktoberrevolution in Russland wollten die Räte in Kiel nicht den Bolschewismus durchsetzen. Das Hauptziel war Frieden, eine Vision wie es danach weitergehen sollte, gab es nicht. Bis zum 8. November gab es auch in den anderen größeren Städten Schleswig-Holsteins Räte. Im Gegensatz zu Kiel waren es jedoch gemeinsame Räte von Arbeitern und Soldaten. Auf dem flachen Land entstanden Bauernräte. Die Räte verfügten über die politische und militärische Macht, bedienten sich jedoch zur Umsetzung der bestehenden Verwaltungsstrukturen. Ihre Hauptaufgabe sahen sie vor allem darin, praktische Fragen wie die Verteilung der knappen Lebensmittel zu regeln. Ausgehend von Kiel hatte sich die revolutionäre Bewegung in ganz Deutschland ausgebreitet und bewirkte schließlich den Zusammenbruch des Kaiserreiches. Die gemäßigten Sozialdemokraten kanalisierten die Strömungen und riefen am 9. 11. 1918 in Berlin die Republik aus. Nach den ersten demokratischen Wahlen Anfang 1919 stellten die Räte in Schleswig-Holstein ihre Arbeit ein. In der Bevölkerung hinterließ die Zeit der Revolution einen zwiespältigen Eindruck. Wurde sie in bürgerlichen und bäuerlichen Schichten als eine Phase des Chaos empfunden, so war sie für linke Kräfte eher eine Periode der nicht eingelösten Hoffnungen. Die daraus resultierenden Spannungen wurden zu einer schweren Hypothek für die junge Demokratie der Weimarer Republik.
-rgsh- (0201/0721)
Quellen: Klaus-Joachim Lorenzen-Schmidt und Ortwin Pelc (Herausgeber), Schleswig-Holstein Lexikon, 2. erweiterte und verbesserte Auflage, 2006, Neumünster, Wachholtz-Verlag, ISBN 13: 9-783529-02441-2; Ulrich Lange (Herausgeber), Geschichte Schleswig-Holsteins – von den Anfängen bis zur Gegenwart, 2. Auflage 2003, Neumünster, Wachholtz-Verlag, ISBN 3-529-02440-6
Bildquelle: Sammlung Stadtarchiv Kiel