Mächtigste Frau im Norden und Herrscherin gleich dreier Reiche
Gleich zweifach war Margarethe I. (*1353/1375-1412†) mit Schleswig-Holstein eng verbunden: Einmal über ihre Mutter, bei der es sich um eine schleswigsche Herzogstochter aus dem Abelgeschlecht handelte. Und zum anderen durch den enormen Einfluss, den sie während ihrer Herrschaft über die drei Reiche Dänemark, Schweden und Norwegen auch auf die Geschicke der Lande ausübte. Nie zur Königin Dänemarks gekrönt, herrschte sie aber erfolgreich und mächtig über den Norden.
Mit elf Ehefrau, mit 18 Mutter
Als Margarethe 1353 auf die Welt kam, war sie das jüngste Kind König Waldemars IV. Atterdag von Dänemark (*um1321/1340-1375†). Durchaus typisch für hochgeborene Töchter der Zeit wurde sie schnell zum Objekt dynastischer Politik, als sie 1359 noch nicht einmal sechsjährig mit dem mehr als doppelt so alten Haakon VI. (*1341/1355-1380†), König von Norwegen und Sohn des schwedischen Königs Magnus, verlobt wurde. Im April 1363 wurde feierlich in Kopenhagen geheiratet. Zwei Monate später verstarb der dänische Thronfolger und Bruder Margarethes, so dass von König Waldemars Kindern nur noch die ältere Schwester Ingeborg, seit 1362 mit dem mecklenburgischen Herzogssohn Heinrich verheiratet, und Margarethe am Leben waren. Die männlichen Nachkommen der beiden Schwestern würden nun wohl eine wichtige Rolle bei der Frage der dänischen Thronfolge spielen. Doch noch lebte Waldemar IV., und Margarethe war jetzt erst einmal Königin von Norwegen sowie, da ihr Gemahl zum Mitkönig seines Vaters gewählt worden war, auch Königin von Schweden. Allerdings erhob sich der schwedische Adel – nicht zuletzt wegen Haakons Ehe mit der aus dem verfeindeten dänischen Königshaus stammenden Margarethe – gegen seine angestammten Könige und rief den Mecklenburger Albrecht III. (*1338/1364-1389 König von Schweden – 1412†), Schwager von Margarethes Schwester Ingeborg, ins Land. In Schweden regierte seitdem ein König aus dem Haus Mecklenburg. Die zehnjährige Margarethe kam unter die Obhut von Merete Ulfsdotter (*1319-1371†), einer Tochter der Heiligen Birgitta (*1303-1373†) von Schweden, die sie streng erzogen haben soll. Höchstwahrscheinlich legte die gestrenge Lehrerin die Basis für Margarethes tiefe Religiosität, möglicherweise auch für die Idee einer internordischen Zusammengehörigkeit, die Margarethe als Tochter des dänischen Königs, Gemahlin des norwegischen Königs und Zögling einer schwedischen Adelsfrau verkörperte. Ende 1370 gebar sie ihrem Ehemann den ersehnten Sohn und Thronfolger: Olav.
Die Wende 1375
1375 dann die große Wende: Margarethes Vater starb am 24. Oktober dieses Jahres ohne eigenen männlichen Erben. Die 22-jährige wusste, dass nun höchste Eile geboten war, denn Waldemar hatte seinem mecklenburgischen Enkel, Sohn seiner mittlerweile ebenfalls verstorbenen älteren Tochter Ingeborg, 1371 den dänischen Thron versprochen. Darauf pochten die Mecklenburger jetzt. Sofort ergriff sie daher Maßnahmen, um ihrer Familie den dänischen Thron zu sichern. Vor allem zog sie die führenden Männer im Land durch umfängliche Besitzübertragungen auf ihre Seite. Zunächst scheint sie sogar die dänische Krone für sich selbst beansprucht zu haben und nannte sich folglich „Dänemarks, Schwedens und Norwegens Königin“. Doch dieses ehrgeizige Ziel scheiterte rasch an den Realitäten der mittelalterlichen Männerwelt. Sie schwenkte also in der ihr stets eigenen Flexibilität um, verzichtete auf die Führung des Titels einer dänischen Königin und betrieb fortan die Krönung ihres Sohnes Olav. Und tatsächlich wurde dieser sechsjährig im Mai 1376 zum König von Dänemark gewählt, wobei Margarethe faktisch die Regierung für ihn führte.
Eine Frau setzt sich durch
Die Hoffnung, von einer Frau weitgehend in Ruhe gelassen zu werden, mag bei einem guten Teil der Königswähler den Ausschlag für ihre Stimme zugunsten Olavs gegeben haben. Die mächtigen Hansestädte aber, denen laut Stralsunder Frieden von 1370 ein Mitspracherecht bei der Königswahl zustand, hielten still, weil ihnen ihre Privilegien wichtig waren, die Margarethe zusicherte. Als ihr Gatte Haakon 1380 verstarb, übernahm sie für ihren Sohn nun auch in Norwegen die Vormundschaft in der Königsherrschaft. Und selbst als Olav Ende 1385 mündig wurde, behielt sie spürbar die Fäden in ihren Händen. Ihr Ehrgeiz wuchs währenddessen offensichtlich: Denn sie ließ ihren Sohn nun auch noch demonstrativ Anspruch auf die schwedische Krone erheben. In Schweden aber regierte, wie gesagt, König Albrecht von Mecklenburg, der Olavs Großvater und Vater vom schwedischen Thron verdrängt hatte. Freiwillig würde er nicht von seinem Platz weichen. Ein militärischer Konflikt wurde unausweichlich. Angesichts dessen machte Margarete einen taktisch sehr klugen Schritt, um sich den Rücken für den Kampf um Schweden freizuhalten: Sie belehnte die Grafen von Holstein im August 1386 mit dem Herzogtum Schleswig und schaltete so die bisherige militärische Bedrohung der dänischen Südgrenze aus.
„Hausherrin und Vormund Dänemarks“
Indes war es ein überaus herber Schicksalsschlag für sie, als Anfang August 1387 Olav, noch nicht einmal 17 Jahre alt, ganz unerwartet aus dem Leben schied. Mit einem Mal hatte Margarethe nicht nur ihren einzigen Sohn verloren, sondern mit ihm auch alle Ansprüche auf Schweden und mehr noch auf die Herrschaft über Dänemark und Norwegen. Allerdings handelte sie wieder umgehend und ließ sich nur eine Woche nach Olavs Tod am 10. August 1387 im Dom zu Lund zur „bevollmächtigten Frau, Hausherrin und Vormund Dänemarks“ wählen. Eine Frau an der Spitze Dänemarks und Norwegens: Das war ein Novum in der Geschichte, geradezu revolutionär, eine Art Staatsstreich! Dieser wäre kaum gelungen, wäre Margarethes Befähigung zur Herrschaft damals nicht allgemein akzeptiert gewesen. Als Margarethe dann noch im Sohn ihrer Schwestertochter Bogislaw von Pommern-Stolp zügig einen potentiellen Erben fand, der an ihren Hof geholt wurde und hier den im Norden geläufigen Königsnamen Erich (*1382/1397-1439†) annahm, hielt sie, kaum dass ihr alle Macht verloren zu gehen gedroht hatte, die Zügel fester denn je in der Hand.
Diplomatin und Feldherrin
Und nicht nur das: Auch der schwedische Adel trat nun auf ihre Seite und wählte sie im März 1388 ebenfalls zur „bevollmächtigten Frau und rechten Hausherrin Schwedens“. Dieses Ergebnis kann nur als weitere Glanzleistung von Margarethes Diplomatie gewertet werden. Die Entscheidungsschlacht fand dann am 24. Februar 1389 bei Falköping statt. König Albrechts Heer wurde vernichtend geschlagen, er selbst und sein Sohn gerieten in Gefangenschaft. Albrecht herrschte bis zu seinem Tod 1412 dann nur noch als Herzog von Mecklenburg-Schwerin. Eine Frau hatte sich nun nicht nur politisch in der mittelalterlichen Männerwelt behauptet, sondern auch militärisch über einen Mann triumphiert!
Margarethe in der zweiten Reihe
Margarethes Ziehsohn Erich wurde dann am 17. Juni 1397 in Kalmar zum König der nordischen Union gekrönt. Formell war damit ihre Herrschaft beendet, und es spricht für ihre politische Klugheit, freiwillig zumindest offiziell wieder in das zweite Glied zurückgetreten zu sein. Doch war andererseits auch jedermann klar, dass sie weiterhin maßgeblich an den Regierungsgeschäften beteiligt sein würde. Und daran sollte sich bis zu ihrem Tod nichts ändern. Margarethe befand sich also auf dem Gipfel ihrer Macht. Doch zwei Territorien trennten sie noch von der alten Machtvollkommenheit der dänischen Könige: Zum einen war das Estland, das sie – allerdings vergebens – vom Deutschen Orden wiederzugewinnen hoffte. Zum anderen handelte es sich um das Herzogtum Schleswig. Als mit Erichs Wahl zum dänischen König eine Erneuerung ihrer Belehnung mit dem Herzogtum Schleswig anstand, wollten die Holsteiner Grafen diese nicht akzeptieren und waren zu Diensten für den König nur gegen Entlohnung bereit. Offenbar stand hinter der Weigerung von 1396 die Absicht, den Amtsantritt des noch jungen Königs auszunutzen, um sich noch weiter aus der Unterordnung ihm gegenüber zu lösen. Das sollte sich freilich bitter rächen, als 1404 Herzog Gerhard VI. (*um 1367/1384-1404†) im Kampf gegen die Dithmarscher fiel, ohne einen mündigen Erben zu hinterlassen. Denn nun nutzte Margarethe die Gelegenheit sofort. Nur noch die Stadt Schleswig selbst und die Inseln Alsen und Aerø waren schließlich in der Hand der Herzogsfamilie.
Schlussakt in Flensburg
Im Wissen um Flensburgs Bedeutung als Schlüssel zur Herrschaft über das ganze Herzogtum kümmerte sich Erich seinerzeit um die Befestigung der Stadt und begann auf dem Marienberg eine Festung zu errichten. Daraus wurde die Duburg. Am 24. Oktober 1412 ließen sich Margarethe und Erich von Bürgermeister, Ratsmännern und allen mündigen Einwohnern der Stadt huldigen. Vier Tage danach ist Margarethe auf einem Schiff, das in der Flensburger Förde vor Anker lag, ganz unerwartet gestorben. Es wird gemutmaßt, dass die fast 60-jährige ein Opfer der Roten Ruhr wurde, die damals in Flensburg grassierte. Ihr Leichnam wurde zunächst im Kloster Sorø beigesetzt. Später überführte man ihre Überreste in den Dom von Roskilde, wo sie bis heute ein prächtiger Marmorsarkophag birgt. Er trägt die Inschrift „Königin der Reiche Dänemark, Schweden und Norwegen“, welchen Titel sie selbst so aber nie – außer kurz im Jahr 1375 – geführt hat.
Die mächtigste Frau im Norden
Margarethe war unbestritten eine der bedeutendsten Herrscherinnen des Mittelalters und die mächtigste Frau des mittelalterlichen Skandinaviens. Zu einem guten Teil verdankte sich die Schaffung der nordischen Union von Kalmar ihrem diplomatischen Gespür und ihrer politischen Energie. Sie war überaus intelligent mit einem ausgeprägten Sinn für das Machbare. Diesen Eigenschaften und ihrer gesamten Lebensleistung standen schon die Zeitgenossen voll Bewunderung, nahezu ungläubigem Staunen, auch schierer Angst gegenüber, weil sie als Frau zuwege brachte, was so vielen Königen – Männern – nie vergönnt gewesen ist.
Prof. Dr. Oliver Auge (0223*)
Dieses Porträt war Teil einer Serie, die im Vorfeld des 4.“Tages der Schleswig-Holsteinischen Geschichte“ am 2. September 2023 in Reinbek entstanden ist. Wie der Tag ist auch der Tagungsband „(UN)SICHTBAR – Frauen in der Geschichte Schleswig-Holsteins“ überschrieben
Literatur zum Weiterlesen: Oliver Auge, „Das tat sie mit großer Klugheit“ – Margrete I., die Herrscherin dreier Reiche (1353–1412), in: Oliver Auge/Lars Henningsen/Frank Lubowitz/Broder Schwensen (Hg.): Zwischen Macht und Schicksal. Acht Herrscherinnen des Nordens aus acht Jahrhunderten (1200–2000) (Große Schriftenreihe der Gesellschaft für Flensburger Stadtgeschichte 78), Handewitt 2013, S. 32-55, ISBN-13: 9783925856730
Bildquellen: Vignette/Proträt: Dänisch königliche Bibliothek; Siegel: Wikipedia aus dem nordischen Familienbuch; Krönung Erich: Tafel für dänische Schulen Anfang 20. Jahrhundert/ Universitätsbibliothek Århus; Sarkophag: Dom Roskilde