Ein amerikanischer „Rosinenbomber“ im Anflug auf Tempelhof: bis heute das Symbolbild für die Luftbrücke

In der Nacht vom 23. auf den 24. Juni 1948 unterbrach die sowjetische Besatzungsmacht die Land- und Wasserstraßen zwischen den alliierten deutschen Westsektoren und Berlin. Am 26. Juni hob im niedersächsischen Wunstorf das erste britische Flugzeug nach Berlin ab. Damit begann die Luftbrücke zur Versorgung der Stadt. Nach einem hektischen Auf- und Ausbau startete am 11. November 1948 die erste britische Hastings vom Fliegerhorst Schleswig-Jagel nach Berlin. „RAF Schleswigland“ startete damit erst, als die Luftbrücke schon vier Monate existierte. Doch lieferten die Briten über Schleswig-Jagel die Kohle für die Öfen und das Benzin für die Autos in der eingeschlossenen Stadt. Zweiter Flughafen in Schleswig-Holstein war Lübeck-Blankensee. Er wurde vor allem als Umschlagplatz für Post und für die Kindertransporte aus Berlin bedeutend. Der Anteil der Royal Air Force (RAF) an der Luftbrücke betrug ein Viertel der vor allem von den USA erbrachten Transportleistung. Von diesem britischen Anteil wurden aus Schleswig-Holstein rund 15 Prozent aller Güter nach Berlin geflogen.

Fliegerhorst Jagel

Seit 1916 gibt es in Jagel bei Schleswig einen Fliegerhorst. Er wird seitdem durchgehend militärisch genutzt. Am Ende des Zweiten Weltkrieges starteten von Jagel V 1-Waffen („V“ für Vergeltung) als unbemannte Flugkörper, um London und Manchester zu zerstören. Am 6. Mai 1945 übernahm die RAF den Platz. Anfang Juni 1948 beschloss die Royal Air Force, den Betrieb in Jagel langsam runterzufahren. Das änderte sich mit dem Beginn der Berlin- Blockade am 24. Juni 1948. Schon im August schafften die vor allem amerikanischen Flugzeuge täglich 4.700 Tonnen Güter nach Berlin, viel zu wenig für die Millionenstadt. Am 8. Oktober 1948 beschlossen die Briten daher, die „RAF-Station Schleswig-Land“ zum Luftbrückenplatz zu machen.

Ausbau in Rekordzeit

1.500 deutsche Arbeiter beschäftigten die Briten, um den Flugplatz im Schichtbetrieb für die neue Aufgaben aufzurüsten. 17.000 Tonnen Erde mussten bewegt werden, um Betriebs- und Abstellflächen zu schaffen. Ein neuer Tower wurde begonnen. Die unterirdischen Tankkapazitäten wurden auf 600.000 Liter ausgebaut und Pumpen eingebaut, die 3.000 Liter pro Minute fördern konnten. Sowohl Benzin, Dieselöl und Flugbenzin wurden wie auch die Steinkohle aus dem Ruhrgebiet mit der Bahn angeliefert. Dafür wurden neue Gleise und Verladerampen angelegt. Weil die Betonstellflächen nicht reichten, wurden neun Hektar in Rekordzeit mit PSP-Lochstahlplatten (PSP steht für „Pierced Steel Planking“) belegt. Damit der Betrieb 24 Stunden laufen konnte wurden 200 Flutlichtmasten errichtet. 

Erster Start am 11. November

Obwohl noch überall gebaut wurde besuchte der britische Luftfahrtminister Arthur Henderson (*1893-1968†) am 9. November 1948 Jagel. Zwei Tage später startete die erste von zwölf neuen viermotorigen Handley Page „Hastings“ nach Berlin. Während die Militärmaschinen vor allem je Flug bis zu acht Tonnen Kohle in Säcken nach Berlin brachten, kamen schon am 24. November 1948 die ersten privaten Fluggesellschaften nach Jagel. Sie flogen in umgebauten Halifax-Bombern die dann so genannten „Haltons“. Jede dieser Maschinen konnte bis zu 1.300 Gallonen – also knapp 6.000 Liter Treibstoff – transportieren. In der Hochzeit der Luftbrücke waren in Jagel 24 Hastings Transporter der RAF und 17 Flüssigbrennstofftanker privater Fluggesellschaften eingesetzt.

Handarbeit: In Säcken wurden je 8 Tonnen Kohle von LKWs in die „Hastings“ verladen

1949 erreichte der Flugbetrieb seinen Höhepunkt. Das fliegende Personal stieg auf über 650 Personen, das Bodenpersonal der RAF auf bis zu 800 Mann. Dazu kamen am Ende über 1.000 deutsche Zivilarbeiter. Am 12. Mai 1949 endete die Blockade Berlins. Doch der Bedarf der Stadt war nicht sofort komplett über Land zu decken. So flogen die Hastings und Haltons weiter, erreichten sogar Juni 1949 ihre höchste Transportleistung und stellten die Berlinflüge erst am 6. Oktober 1949 ein. Bis dahin waren vom Fliegerhorst „RAF Schleswigland“ 21.520 Tonnen Treibstoffe und 54.490 Tonnen (vor allem) Steinkohle transportiert worden. Sieben Menschen starben während des Luftbrückenbetriebs in Jagel. Am 15. Januar 1949 stießen ein LKW und eine „Hastings“ auf dem Flugfeld zusammen. Vier Menschen starben. Am 21. März 1949 stürzte eine „Halton“ beim Anflug auf die Bahn 20 am Danewerk ab. Die dreiköpfige Besatzung kam dabei ums Leben.

„Von gleißendem Flutlicht übergossen“

Einen Eindruck von dem, was während der Luftbrücke vor den Toren Schleswigs los war, vermittelt Alexander Herz, Augenzeuge und Chronist des Fliegerhorstes. Er meint, alles, was davor und danach war, sei nur ein schwacher Abglanz der Luftbrückenzeit gewesen: „Nachts glich der Platz häufig dem lärmenden, pulsierenden, von gleißendem Flutlicht übergossenen Verschiebebahnhof einer Großstadt. Fast pausenlos wurde verladen, gestartet und gelandet, und über Straße und Schiene rollte ein ununterbrochener Strom von Versorgungsgut heran“. 

Lebensmittel, Kohle und Post aus Blankensee

Von oben und unten rein, in der Mitte raus: nur so konnte die Luftbrücke gelingen

Wie der Fliegerhorts Jagel wurde auch der Lübecker Flughafen Blankensee von der Royal Air Force für die Luftbrücke genutzt. Am 28. August1948 startete der Flugbetrieb mit sieben Dakotas, die die RAF von einer zivilen Gesellschaft gechartert hatte. Da Blankensee bis dahin mehr den Charakter eines Sportflugplatzes hatte, begannen parallel erhebliche Ausbaumaßnahmen. Gut 10 Hektar PSP-Stahllochplatten wurden eilends verlegt. Die Zufahrten mussten ausgebaut und Verladerampen angelegt werden. Lebensmittel und Kohle wurden von Blankensee nach Berlin geflogen. Das galt auch für Post, die über Blankensee aus Berlin eintraf.

Seine besondere Bedeutung bekam Blankensee, weil hier auch Passagiere ankamen, die von den Briten aus Berlin ausgeflogen wurden. Am 15. September 1948 landete die erste Maschine mit 20 Passagieren, darunter Geschäftsleute, aber auch die ersten erholungsbedürftigen Kinder. Über Lübeck lief schließlich fast der gesamte Passagierverkehr. Kranke und unterernährte Kinder und ältere Leute wurden vor allem im kalten Winter 1948/49 in die Westzonen geflogen, damit sie eine Chance bekamen, zu überleben und sich zu erholen. Zudem wurden alle Personen mit beginnender Tuberkulose ausgeflogen, die nicht nur kräftige Nahrung, sondern auch frische Luft brauchten. Insgesamt kamen über Blankensee 68.000 Personen an.

„Tor auf für Kinder“

Schon vor der Blockade Berlins hatten die Briten am 26 Oktober 1945 mit einem Konvoi aus 53 Omnibussen 1.277 Kinder und 257 Betreuern aus der Stadt nach Ostfriesland und Westfalen geschickt. Mit der „Aktion Storch“ wurden am Ende fast 21.000 und damit jedes dritte Kind im britischen Sektor nach Westen auf das Land geschickt. Die Briten setzten die Aktion fort. Mit der Blockade schien jedoch alles vorbei. Der Berliner Magistrat, die Arbeiterwohlfahrt und Eltern protestierten. Am 14. September 1948 versprachen die Briten eine „Kinderluftbrücke“ einzurichten. Schon am 20. September trafen die ersten 76 Kindern in Blankensee ein. Rund 80 Kinder folgten nun täglich, von November an schon 100 und das sieben Tage in der Woche. Im November 1948 wurde mit 3.126 Kindern in einer Woche der Höchststand erreicht. Hungernd aus dem zerbombten Berlin kommend, war die Ankunft im Westen wie ein Ausflug ins Schlaraffenland. Nach der Währungsreform mangelte es in den Westzonen an nichts mehr. Die abgemagerten Kinder nahmen in acht Wochen zum Teil zehn bis 20 Pfund zu. Juli 1949 waren 15.000 Kinder aus Berlin „verschickt“. Der Erfolg der „Kinderluftbrücke“ war den kommunistischen Machthabern im Ostteil Berlins ein Dorn im Auge. Die Ost-Berliner Zeitung „Tribüne“ machte am 16. Oktober 1948 mit „Doch Massenevakuierung in Berlin“ auf. Im Westen galt die Kinderluftbrücke als Erfolg, die Fürsorge der Briten für die Kinder als vorbildhaft.

Werner Junge (0523*)

Quellen: Alexander Herz, Die Geschichte des Fliegerhorstes Schleswig Land/See – Auf Aslaks Heide , 65 Jahre Fliegerhorst Jagel, S. 75 bis 85, Eigenverlag 1999; Wolfgang Börnsen, Rettet Berlin – Schleswig-Holsteins Beitrag zur Luftbrücke 1948/49, Neumünster 2008, ISBN 978-3-529-02812-0

Bildquellen: Im Anflug auf Tempelhof – Foto: Henry Ries/USAF photo 070119-F-0000R-101 (gemeinfrei); Verladen: gemeinfrei; Karte gemeinfrei