Lübeck ist die einzige Stadt des Bundeslandes Schleswig-Holstein mit einer internationalen historischen Bedeutung, die vor allem in seiner ehemaligen Funktion als „Haupt der Hanse“ wie auch dem im Mittelalter weit verbreiteten Lübischen Recht liegt. Die historische Altstadt mit ihren fünf Kirchen ist seit 1987 als UNESCO-Weltkulturerbe eingetragen. Die Marienkirche gilt als Hauptbau der norddeutschen Backsteinarchitektur und war Vorbild für viele Kirchenbauten im Ostseeraum. Lübeck entstand nach der Eroberung Wagriens durch die Holsten aus einer schon bestehenden Niederlassung deutscher Kaufleute auf einer von der Trave und der Wakenitz umflossenen Halbinsel. 1143 erhielt die Siedlung vom Grafen Adolf II. (*1128-1164†) die Stadtrechte verliehen. Der Name „Lubeke“ nahm den des slawischen Liubice auf, eines traveabwärts gelegenen Handelsortes, der 1138 zerstört worden war. Die neue Stadt entwickelte sich rasch.
Heinrich der Löwe mischt sich ein
Heinrich der Löwe (*1129-1135/1195†) erzwang die Übergabe Lübecks an ihn. 1159 ließ er sie nach einem Brand wieder aufbauen, 1160 verfügte er, den Bischofssitz von Oldenburg nach Lübeck zu verlegen. Drei Jahre später wurde der erste Dom geweiht. Im 12. und 13. Jahrhundert wuchs Lübeck rasant (1300: 20.000 Einwohner). Die Entwicklung zu einer mittelalterlichen Großstadt wurde auch durch zwei Stadtbrände 1251 und 1276 nicht nachhaltig gestört. Politisch war Lübeck unter Heinrich dem Löwen zunächst Zentrum der Landesherrschaft. Nach dessen Absetzung unterwarf sich die Stadt 1181 Kaiser Friedrich I. „Barbarossa“ (*um1122/1155-1190†) und wurde eine kaiserliche Stadt. Nach kurzer dänischer Herrschaft erreichte Lübeck 1226 das so genannte „Reichsfreiheitsprivileg“ von Kaiser Friedrich II. (*1194/1220-1250†).
Freie Reichsstadt
Als freie Reichsstadt war Lübeck nun direkt dem Kaiser unterstellt und keinem benachbarten Territorialherrn mehr unterworfen. Im Mittelalter verlieh diese starke politische Eigenständigkeit auch die Möglichkeit, die Wirtschaft zu entwickeln. Seine geographische Lage sicherte Lübeck eine zentrale Rolle im Fernhandel im nördlichen Europa. In der Stadt wurden die Güter aus der Region und des Fernhandels veredelt (Gerber, Kürschner, Rosenkranzmacher, Metallgewerbe), Transit und Umschlag liefen über seine Speicher. Lübeck war die Drehscheibe für Luxuswaren wie Pelze und Wachs, die gegen Tuche und Metall getauscht wurden, für Massengüter wie Getreide, Flachs, Hanf, Holz sowie Produkte der Viehwirtschaft zwischen Skandinavien und Nordosteuropa einerseits sowie West- und Mitteleuropa andererseits. Rund 150 Jahre, etwa von 1200 bis 1350, mussten diese Waren über Lübeck gehen. Dazu baute die Stadt ihre beherrschende Stellung im Handel mit Hering von Rügen und Schonen sowie Salz aus Lüneburg aus.
… und Haupt der Hanse
Seit Mitte des 13. Jahrhunderts wurde Lübeck von den anderen niederdeutschen Handelsstädten aufgrund seiner weitverzweigten Handelsinteressen und seiner politischen Handlungsfreiheit immer häufiger mit der Interessenvertretung aller betraut. Die Stadt wurde so zum „Haupt der Hanse„, deren Anfänge bis 1161 zurückreichen. Der Erfolg der Hanse beruhte auf gemeinschaftlich erreichte Handelsprivilegien in Russland, Schweden, Dänemark, Norwegen und England sowie auf einem innerhansischen System gegenseitig gewährter Vorteile. Es blieb bis in das 15.Jahrhundert stabil. Bis 1669 wurde die gemeinsamen Probleme auf Hansetagen beraten, die meist in Lübeck stattfanden. Der Verfall der Hanse begann im 16. Jahrhundert. Im Zeitalter der Entdeckungen orientierte sich Europa neu. Die Seefahrt löste die Küstenfahrt ab. Auch der bis dahin durch Privilegien geschützte hansische Handel rund um die Ostsee begann die Konkurrenz der Niederlande als aufsteigende erste Welthandelsmacht zu spüren. Der in Folge der inneren Unruhen nach der Reformation 1533 als erster Protestant zum Bürgermeister aufgestiegene Jürgen Wullenwever(*1488-1337†) stürzte Lübeck 1533 in die Grafenfehde. Der Krieg gegen Dänemark hatte zum Ziel, die Niederländer vom Ostseehandel auszuschließen. Nach anfänglichen Erfolgen endete er für die Hansestadt 1536 in einem Fiasko. Wullenwever hatte schon 1535 abgedankt und wurde zwei Jahre später in Wolfenbüttel hingerichtet. Die große Zeit Lübecks ging ihrem Ende entgegen. Weil der Handel nun zu einem zunehmend transatlantischen wurde, begann der Aufstieg Hamburgs zum führenden deutschen Hafen. Lübeck konnte weder die erforderlichen Mengen an Waren noch die nun gefragten Produkte wie Kupfer und Silber liefern. Die Funktion der Hansestadt fiel damit zurück auf die eines Verteilers im nun regionalen Markt des Ostseeraumes.
Lübische Recht
Die Geschicke Lübecks lenkte seit dem 12. Jahrhundert der Rat. Trotz insgesamt sechs Konflikten zwischen ihm und (Teilen) der Gemeinde und der erst 1669 nach dem letzten Streit schriftlich fixierten Kollegienverfassung im so genannten „Bürgerrezeß“ blieb der Rat bis 1848 ein sich selbst ergänzendes Gremium. Er wurde durch die von den Bürgern nach gleichem Wahlrecht bestimmte Bürgerschaft abgelöst. Bis 1851 hatten Rat beziehungsweise Senat sowohl die Verwaltung wie auch die Rechtsprechung unter sich. Grundlage der Rechtsordnung war das Lübische Recht. Der allgemeine wirtschaftliche Aufschwung im 18. Jahrhundert endete für das seit 1806 von französischen Truppen besetzte Lübeck abrupt durch die im gleichen Jahr von Napoleon verhängte Kontinentalsperre. Obwohl die Stadt 1814 ihre staatliche Eigenständigkeit wahren konnte, dauerte es noch bis Mitte des 19. Jahrhunderts, bis die Wirtschaft sich erholte. Nach der Aufhebung rechtlicher Beschränkungen für Handel und Gewerbe begann besonders mit der Reichsgründung 1871 der industrielle Aufschwung der Stadt. Als einzige mittelalterliche Großstadt Deutschlands war Lübeck bis ins 19. Jahrhundert in seinen Stadtmauern geblieben. Erst 1864 wurde der sogenannte „Torzwang“ aufgehoben, von 1875 an durften sich Gewerbebetriebe nur noch in den neu wachsenden Vorstädten ansiedeln.
Vom Zentrum an den Rand
Seit der Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert wandelte sich Lübeck von einer Handels- in eine Industriestadt. Belebte die Eisenbahn ab 1851 das Wirtschaftsgeschehen in der Travestadt, so verschlechterte sich deren verkehrsgeographische Lage mit dem Aufkommen von Dampfern mit Schraubenantrieb und durch den 1895 eröffneten Nord-Ostsee-Kanal. Daran konnte auch der Elbe-Trave-Kanal (seit 1921 Elbe-Lübeck-Kanal) nichts ändern. Die Stadt geriet zusehends in eine Randlage. Im 19. Jahrhundert wuchs die Zahl der Einwohner von 29.000 (identisch mit der Einwohnerzahl zum Ende des Dreißigjährigen Krieges) 1840 auf 116.000 im Jahre 1910. Bis zum Ende des Zweiten Weltkrieges blieben die Grundbedingungen für Lübeck weitgehend unverändert. Allerdings endete mit dem Groß-Hamburg-Gesetz 1937 die staatliche Eigenständigkeit Lübecks, das zu einem Teil der preußischen Provinz Schleswig-Holstein wurde. Am 28. / 29. 3. 1942 in der Nacht zu Palmsonntag wurde die Altstadt zu einem Viertel vom ersten alliierten Luftangriff durch britische Bomber auf ein deutsches Wohngebiet zerstört. Danach blieb die Stadt verschont, da Lübeck und Göteborg 1944 als Austauschhäfen für Gaben an Kriegsgefangene bestimmt worden waren. Mit der Teilung Deutschlands nach dem Krieg verlor Lübeck sein traditionelles Hinterland. Durch Heimatvertriebene verdoppelte sich die Einwohnerzahl fast (1936: 136.000; 1946: 236.000). Ihre Integration, der Wiederaufbau der drei stark zerstörten Innenstadtkirchen sowie der Ausbau des Hafens zählen zu den großen Leistungen der Nachkriegszeit. Seit den 1970er Jahren erfolgte der Wandel von einer Industrie- zu einer Dienstleistungstadt. Heute entfallen 70 Prozent der Wertschöpfung auf diesen Bereich. Doch in Lübeck ist das produzierende Gewerbe mit 111 gewerblichen Betrieben noch stark vertreten. Führende Branchen sind hier die Medizin-, Meß-, Steuer- und Regeltechnik sowie die Ernährungsindustrie und der Maschinenbau. Als einzige Stadt Schleswig-Holsteins verfügt Lübeck über einen Universalhafen, der nach wie vor der größte deutsche Ostseehafen ist und mit 19 Fährlinien (Stand 1998) über die meisten festen Seeverbindungen verfügt. Die Öffnung der Innerdeutschen Grenze 1989 brachte Lübeck nicht die erhofften Impulse.
-ju- (1002 /0721)
Quellen: Rolf Hammel-Kiesow in Klaus-Joachim Lorenzen-Schmidt und Ortwin Pelc (Herausgeber), Schleswig-Holstein Lexikon, 2. erweiterte und verbesserte Auflage, 2006, Neumünster, Wachholtz-Verlag, ISBN 13: 9-783529-02441-2
Bildquellen: „Illustrierte Weltgeschichte“ O.Mertens, Verlag Peter J.Oestergaard, Berlin; Rathaus und Luftansicht vom Landesamt für Denkmalschutz Schleswig-Holstein aus Bildarchiv zur Kunst und Architektur in Deutschland; WappenLAS