Gegen alle Widerstände
Als Käte Lassen (*1880–1956†) sich kurz vor der Jahrhundertwende entschied, Malerin zu werden, war das alles andere als selbstverständlich. Dass sie mit gerade einmal sechzehn Jahren Zeichenunterricht an der Hamburger Gewerbeschule nehmen durfte, galt als seltenes Privileg. Männer dominierten die Kunstwelt, Malerinnen wurde der Zutritt zu den staatlichen Akademien verwehrt, die meisten Ausstellungshäuser blieben ihnen ebenso versperrt. Wenn sie – wie Käte Lassen ab 1907 – trotzdem ausstellten, schlug ihnen häufig eine „erbarmungslose Kritik“ – so der damalige Flensburger Museumsdirektor Ernst Sauermann (*1880-1956†) – entgegen.
Auf der Suche nach dem „größten Ausdruck“
Käte Lassen ging im Oktober 1908 mit 28 Jahren nach Paris, um dort an privaten Kunstschulen Aktzeichenkurse zu besuchen; da hatte sie bereits eine solide Ausbildung an der privaten Damenakademie des Münchener Künstlerinnen-Vereins absolviert. Ihre erste Einzelausstellung fand ein Jahr zuvor im Flensburger Museum statt und mit ersten Illustrations-Aufträgen verdiente sie sogar Geld. Acht Monate blieb sie in Paris, ganz fixiert auf ihr Ziel: „…mir ist ganz gleich, ob die Menschen schön sind, wenn sie nur einen Atem von der Seele besitzen, die ich einmal zum größten Ausdruck bringen möchte.“ Zahlreiche Skizzen bezeugen dabei Käte Lassens Ausflüge in die Pariser Demi-Monde der Nachtclubs und Cabarets – für eine Flensburger Bürgerstochter eine ganz neue Welt.
Freiluftmalerei und Expressionismus
Bleibenden Eindruck hinterließen die Werke der Skagen-Maler und die Gemälde von Edvard Munch, die sie bereits 1904 in Dänemark gesehen hatte: Das harte Leben der Fischerfamilien, das Warten der Seemannsfrauen auf die Rückkehr ihrer Männer, die Übermacht der Natur wurden neben religiösen Motiven zu ihren wichtigsten Themen. Wann immer sie konnte, hielt sie sich in den folgenden Jahrzehnten während der Sommer an der jütländischen Westküste auf, um dort Menschen und Landschaft mit Zeichenstift und Pinsel einzufangen.
Sozialkritische Themen
1910 setzte sie mit der Bilderfolge „Aus den alten Winkeln der Stadt“ ihrer Heimatstadt Flensburg ein Denkmal. Gleichzeitig schuf sie mit der monumentalen Darstellung der Bergpredigt in der Flensburger Heilandskapelle ein vielbeachtetes Wandbild, dem weitere Aufträge folgten. Mit Ausbruch des 1. Weltkriegs wurde ihr der Zugang nach Dänemark unmöglich, zugleich trennte sie sich von ihrem Mann, da sie nicht glaubte, gleichzeitig Künstlerin und Ehefrau sein zu können. Es folgte ihre „graue Periode“, während der Themen wie Trauer, Schmerz und Angst ihr Schaffen prägten. Angeregt durch mehrere Berlin-Aufenthalte setzte sie sich mit sozialkritischen Themen auseinander, als Vorbild diente ihr unter anderem Käthe Kollwitz (*1867-1945†). 1924 widmete sich Käte Lassen mit dem Kinder-Bilderbuch „Am Meeresrand im Dünensand“ einem neuen Genre – und stieß damit auf Unverständnis: Die Kinder darin erinnern an die späteren Helden Astrid Lindgrens, kleine Menschen ohne elterlichen Schutz, die auf eigene Faust die Welt entdecken, einzig mit Tieren, Pflanzen und Steinen als Spielgefährten. Sie fand keinen Verlag dafür, das Buch erschien erst 2007, mehr als 80 Jahre nach seiner Entstehung.
Das „Nordische“
Das „Nordische“ war und blieb auch in den folgenden Jahrzehnten das große Thema in ihrem Werk. Nicht zuletzt deswegen konnte sie auch nach 1933 ungehindert weiter malen und ausstellen. Einige ihrer Aufträge aus dieser Zeit können dabei durchaus als Anbiederung an die Nationalsozialisten verstanden werden. 1940 erhielt sie den Schleswig-Holsteinischen Kunstpreis für ihr Lebenswerk. Als sie nach Kriegsende den großen Auftrag für neue Fenster der Flensburger Marienkirche bekam, war sie deswegen nicht unumstritten. Trotzdem wurden ihr auch in den 1950er Jahren weitere Ehrungen zuteil. Das größte Lob kam von einem berühmten Malerkollegen, dessen künstlerische Laufbahn ebenfalls in Flensburg begann: Emil Nolde, der Meister des norddeutschen Expressionismus, schrieb über Käte Lasen: „Ja, sie ist ganz anders. Aber sie ist ganz wahr, und sie hat es sich nie leicht gemacht. Ich achte sie sehr.“
Dr. Michael Fuhr (0423*)
Dieses Porträt war Teil einer Serie, die im Vorfeld des 4.“Tages der Schleswig-Holsteinischen Geschichte“ am 2. September 2023 in Reinbek entstanden ist. Wie der Tag ist auch der Tagungsband „(UN)SICHTBAR – Frauen in der Geschichte Schleswig-Holsteins“ überschrieben
Quellen: Katja Behling, Käte Lassen. In: Katja Behling/Anke Manigold, Die Malweiber. Unerschrockene Künstlerinnen um 1900. München 2022, 6. Aufl., S. 70-73; Hendrik Heft, Ausstellungen über moderne Malerei. In: Ernst Sauermann, Wegbereiter der Moderne. Ausstellungskatalog Museumsberg Flensburg 2023, S. 65-70, 75-77; Madeleine Städtler, Käte Lassen. In: Paris! Schleswig-holsteinische Künstlerinnen und Künstler in der Welthauptstadt der Kunst. Ausstellungskatalog Museumsberg Flensburg 2023, S. 48-61.
Bildquellen: Museumsberg Flensburg