Die Koloniale Frauenschule Rendsburg 1939: das Haupthaus am Kanal, Wald und dahinter Ställe, Werkstätten, Gärten, Reitbahn und Sportfeld

Mit dem Vertrag von Versailles im Juni 1919 verlor Deutschland auch alle seine Kolonien. Trotzdem ging acht Jahre später am damaligen Kaiser-Wilhelm-Kanal in Rendsburg die „Koloniale Frauenschule“ in Betrieb. Das Ziel war, 18- bis 22-jährige junge Frauen vor allem auf das Leben auf deutschen Farmen in Afrika vorzubereiten. Bis die Koloniale Frauenschule am Kanal im März 1945 wieder schloss, wurden dort rund 1.100 Frauen auf das Leben in Übersee und in der Zeit des Nationalsozialismus auch in den besetzten Ostgebieten vorbereitet. Möglich und befördert wurde die Schule durch den in den 1920er Jahren stark verbreiteten „Kolonialrevisionismus“.

„Kolonialrevisionismus“

Artikel 119 des Vertrages von Versailles legte eindeutig fest: „Deutschland verzichtet auf alle überseeischen Besitzungen“. Gleichwohl wurde in den beiden Jahrzehnten danach die „Wiedererlangung von Kolonien“ gefordert. Bücher wie „Volk ohne Raum“ von Hans Grimm (*1875-1959†) aus dem Jahr 1926 wurden zu Bestellern. Organisatorischer Träger des Kolonialgedankens war seit 1887 die „Deutsche Kolonialgesellschaft“ (DKG). Der 1907 gegründete Frauenbund wurde ein Jahr später an den DKB angeschlossen. Der DKB unterhielt in Witzhausen in Hessen seit 1898 eine Kolonialschule für Männer. 1908 wurde zusätzlich eine für Frauen gegründet, die jedoch nach zwei Jahren nicht mehr zu finanzieren war. 1911 folgte ein weiterer Gründungsversuch in Weilbach im Odenwald – auch dieser Versuch scheiterte.

Eine neue Schule am Kanal

Das 1926/27 gebaute Haupthaus am Kanal – es wurde 1977 Opfer einer Kanalerweiterung

1925 entflammte die Diskussion um eine Kolonialfrauenschule erneut. Ein Jahr danach begann der Frauenbund der Deutschen Kolonialgesellschaft wieder, unverheiratete weiße Frauen in die ehemaligen deutschen Kolonien in Afrika zu schicken. Nun bot sich als Standort Rendsburg an. Landrat Theodor Steltzer (*1885-1967†) ließ den Kreis ein Grundstück am Kanal kostenlos verpachten. Am 24. März 1926 wurde im Reichinnenministerium die „Gesellschaft Koloniale Frauenschule Rendsburg mbH“ gegründet. Gesellschafter waren die Kolonialschule Witzenhausen, die Schleswig-Holsteinische Gesellschaft für deutsche Volkserziehung und der Frauenbund der DKG. Direkt am Kanal wurde nun das Haupthaus gebaut.

Kisuaheli, Schlachten, Schießen

So wird ein Schwein an der Leiter geschlachtet …
Im Reitdress auf dem Weg zum Schießen

Am 1. Mai 1927 begannen die ersten acht Schülerinnen. Ein Jahr sollte die Ausbildung dauern, sie kostete die jungen Frauen am Anfang je 930 Reichsmark (in den Folgejahren stieg die Schulgebühr). Der Lehrplan bot im theoretischen Teil von Wirtschaftsgeographie über Volkskunde, Nahrungschemie und Fremdsprachen ein spezialisiertes Angebot. Neben Englisch, Spanisch und Portugiesisch wurden auch Otjiherero und Kisuaheli angeboten. Im praktischen Teil ging es in die Holz- und die Metallwerkstatt sowie die Lehrküche. Molkerei und Viehhaltung waren weitere Themen. An der Leiter lernten die jungen Frauen, wie geschlachtet wird. Alles bewusst mit einfachen Hilfsmitteln. Neben Erster Hilfe wurden die Teilnehmerinnen im Reiten, Schießen und Autofahren geschult. Dazu kam regelmäßig und viel Sport. 

Schule mit gutem Ruf

Die Koloniale Frauenschule genoss bald einen guten Ruf. Die hohen Schulgebühren sorgten einmal dafür, dass die Schülerinnen vor allem aus dem Bürgertum kamen. Unter ihnen gab es viele Töchter von Kolonialveteranen und Kolonialpolitikern. Stipendien gab es selten. Sie wurden dann bevorzugt an Schülerinnen aus den ehemaligen Kolonialgebieten vergeben. Dahinter stand die Annahme, „daß sich ihre koloniale Gesinnung positiv auf die anderen Schülerinnen auswirken würde“. 1930 wurde Dr. Karl Körner (*1885-1976†) Schulleiter. Mit ihm wurden auch Abschlussprüfungen eingeführt. 

Feilen und Bohren in der Metallwerkstatt
Dreschen auf dem Feld

Neue Ziele in der NS-Zeit

Die Koloniale Frauenschule in Rendsburg entstand in der Zeit des Kolonialrevisionismus, der vor allem zum Ziel hatte, die ehemaligen „Schutzgebiete“ in Afrika zurückzugewinnen. Auch wollte man zu den Farmern, die noch etwa in Namibia arbeiteten, weiße deutsche Frauen schicken, damit sie nicht „verkafferten“ – also Bindungen mit Einheimischen eingingen. Die jungen Frauen gingen nach ihrer Ausbildung nach Afrika und auch nach Südamerika. Das änderte sich mit der Machtübernahme durch Adolf Hitler und die Nationalsozialisten 1933. Nun ging es um den „Lebensraum im Osten“. Der Schulbetrieb wurde konsequent gemäß der nationalsozialistischen Ideologie umgestaltet. Die Vermittlung des „Deutschtums“ wurde im Unterricht nun immer wichtiger, dazu kamen neu Vererbungslehre und Rassenkunde. Wer nach Rendsburg wollte, musste im Bund Deutscher Mädel (BDM) gewesen sein und seine arische Herkunft nachweisen. Obwohl Heirat  und Familiengründung nicht das primäre Ziel der Ausbildung waren, wurde in Zeitschriften häufig über die hohen Chancen der Absolventinnen auf dem Heiratsmarkt berichtet. Das stand auch bis zu Ende der Kolonialen Frauenschule im März 1945 im Widerspruch zur der im Kern auf das Selbstbewusstsein und die Eigenständigkeit ausgerichteten Ausbildung der jungen Frauen.  

-ju- (0723*)

Quelle: Joana Schröder, Von Rendsburg in die weite Welt. Die Koloniale Frauenschule, Rendsburg 2023 (Stadt Rendsburg – Schriften der Museen im Kulturzentrum, 12) Katalog zur Ausstellung, die die Museen im Kulturzenrum in Rendsburg vom 9. Juli bis zum 8. Oktober 2023 gezeigt hat

Bildquellen: Vignette/ Schießen, Schlachten, Werkstatt und Ernte: Schleswig-Holsteinische Landesbibliothek (SHLB); Plan: Stadtarchiv Rendsburg; Haupthaus: Museen im Kulturzentrum