Der Dithmarscher Klaus Groth (*1819-1899†) trat mit seinem „Quickborn“ Mitte des 19. Jahrhundert an, um zu zeigen, das Niederdeutsch mehr war als die Sprache der „einfachen Leute“. Er schaffte es, Plattdeutsch als Sprache der Kultur und Literatur neu zu etablieren. Auch wenn der „Quickborn“ sein Hauptwerk blieb, wirkte Groth als Sprachwissenschaftler an der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel und als Kulturvermittler weit über Schleswig-Holstein hinaus als ein seine Zeit prägender Autor und Literaturwissenschaftler. Zu seinen Leidenschaften gehörte auch die Musik, in seinem Haus verkehrten Johannes Brahms (*1833-1897†) und Theodor Storm (*1817 – 1888†).
Kindheit in Lüttenheid
In Lütttenheid, einem damals noch etwas am Rande der Stadt Heide gelegenen Viertel, kam Klaus Groth am 24. April 1819 als erster Sohn des Ehepaares Hartwig und Anna Christina Groth zur Welt. Eine Mühle und eine kleine Landwirtschaft sicherten der kleinbürgerlichen Familie ihr Auskommen. Tellingstedt, der Heimatort der Mutter, wurde für Klaus Groth zu seinem „Jungsparadies“. Sein Großvater, der Obbe, prägte die Jugend. Groth wuchs in einer plattdeutschen Welt auf. Erst in der Schule kam Hochdeutsch dazu. Er hatte tüchtige Lehrer, die den hochbegabten Klassenbesten nach Kräften förderten. 1835 wurde er Schreiberlehrling beim Kirchspielvogt. Dort las sich der Wissbegierige durch dessen Bibliothek. Nach drei Jahren wechselte er 1838 auf das einzige Lehrerseminar in den Herzogtümern nach Tondern. Dort bestand er 1841 als zweitbester des Jahrgangs das Lehrerexamen.
Lehrer und unglückliche Liebe
Zurück in Heide wirkte er zunächst als Substitut und von 1842 als Lehrer der 2. Mädchenklasse. Zunächst mit großem, dann jedoch nachlassendem Eifer widmete sich Groth der neuen Aufgabe. Immer mehr fesselte ihn das Studium der europäischen Literatur, der Philosophie, der Mathematik und der übrigen Naturwissenschaften. Auch Musik wurde für ihn immer wichtiger. So gründete Groth die Heider Liedertafel mit. Zu Dienst und Studien kam die unglückliche Liebe zu der Tochter des Landessekretarius und Advokaten Ottens, die für ihn aufgrund seiner Herkunft unerreichbar blieb. Darüber erkrankte Groth 1847.
Flucht nach Fehmarn
In seiner Not flüchtete Klaus Groth krank nach Fehmarn. Dort nahm ihn sein Studienfreund Leonard Selle (*1816-1884†) auf. Beide kannten sich aus der Studienzeit in Tondern. Selle war zu dieser Zeit Lehrer und Organist in Landkirchen. Ursprünglich wollte Groth sechs Wochen auf der Insel bleiben. Daraus wurden sechs Jahre. 1849 schied Groth endgültig aus dem Schuldienst aus. In den Jahren der Erhebung begann Groth in der Abgeschiedenheit Fehmarns ein Konzept für neue niederdeutsche Lyrik zu entwickeln. Von 1849 bis 1852 entstand das Buch „Quickborn. Volksleben in plattdeutschen Gedichten dithmarscher Mundart“.
Der Siegeszug des „Quickborn“
Obwohl eigentlich der Wunsch nach einer deutschen Nation und damit auch der nach einer Hochsprache die Zeit dominierte, wurde Groths „Quickborn“ sowohl in bürgerlich-akademischen Kreisen wie auch von der Landbevölkerung in Schleswig-Holstein überaus gut aufgenommen. Gedichte wir Matten Has, Min Jehann und Min Platz vær Dær wurden vertont und zu Volkliedern. Der „Quickborn“ war ein Best- und blieb ein Longseller. Das Buch verschaffte Groth die Freundschaft von Professor Karl Müllenhof (*1818-1884†), der ihn 1853 an die Christian-Albrechts-Universität (CAU) nach Kiel holte. Er begleitete Groth in den folgenden Jahren bis zur 6. Auflage, in der der „Quickborn“ ausgebaut und abgerundet wurde. Doch Groths Gesundheit ließ erneut zu wünschen übrig.
Die große Tournee
Klaus Groth ging 1855 auf Reisen. In Bonn fand er neue Freunde und erhielt dort 1856 die Ehrendoktorwürde. Auf der Reise lernte er auch die Bremer Weinhändlerstocher Doris Finke (*1830-1878†) kennen. Im August 1859 heiraten die beiden. Groth strebte nach der Rückkehr nach Kiel eine Dozentur an der CAU an. Darüber zerbrach sein Verhältnis zu Müllenhof. Als dieser nach Berlin berufen wurde, scheiterte Groth mit dem Versuch, sein Nachfolger in Kiel zu werden. 1858 erreichte Groth die Anerkennung des Ehrendoktors aus Bonn und wurde Dozent. Erst der österreichische Statthalter Ludwig von Gablentz (*1814-1874†) verlieh Groth 1866 den Titel Professor.
Glückliche Jahre im Schwanenweg
Doris und Klaus Groth wohnten zunächst in Kiel in einer Wohnung. 1865/66 ließ ich das Ehepaar eine Villa im Schwanenweg bauen. Sie blieb Heimat er beiden bis zu ihrem Tod. Vier Söhne hatte das Ehepaar, von denen zwei früh verstarben. Doris Groth ludt zu Musikabenden in den Schwanenweg. Dort entwickelten sich auch enge Kontakte zu Musikern der Zeit wie Clara Schuman (*1819-1896†) und vor allem Johannes Brahms (*1833-1897†).
Brahms vertonte zahlreiche – vor allem hochdeutsche – Gedichte von Groth. Das Ehepaar wirkte stark und belebend in die Kulturszene über Kiels Grenzen hinaus. Das Glück endete, als Doris Groth 1876 an Lungentuberkulose erkrankte. Sie verstarb 1878. Groth zog danach die verbliebenen drei Söhne allein auf.
Das Werk von Klaus Groth
Groths Ziel war es, zu zeigen, dass hoch- und plattdeutsche Literatur gleichberechtigt nebeneinanderstehen. Er baute die heimische Mundart zur Literatursprache aus und untermauerte, dass sich auch ernste Themen auf literarisch hohem Niveau auf Plattdeutsch schreiben ließen. Allerdings betonte er, „dass die niederdeutsche Sprache nicht zu leeren Formeln und Wortgeklingel zu gebrauchen sei, sondern was ihr an Fähigkeit zur Abstraktion fehle, stünde ihr an großer sinnlicher Sicherheit zu Gebote“. Damit verfolgte Groth einen grundlegend anderen Ansatz als der andere im 19. Jahrhundert bekannte niederdeutsche Dichter Fritz Reuter (*1810-1874†). Dem ging es darum, die Sache des Volkes mit dessen Sprache zu verbinden. Groth und Reuter trafen sich nie, führten aber eine Art schriftliches Fernduell. Groths Ruhm gründete sich vor allem auf den „Quickborn“. Diese Gedichtsammlung hat im Urteil nicht nur zeitgenössischer Sprachwissenschaftler „buchstäblich die neuniederdeutsche Dichtung begründet“. Groth schrieb noch einiges auf Platt- und Hochdeutsch. Als wichtigstes Prosawerk kann „De Heisterkrog“ angesehen werden.
Später Ruhm
Groths Familie war viele Jahre durch den wohlhabenden Schwiegervater aus Bremen unterstützt worden. Als dessen Weinhandel durch den Deutsch-Französischen Krieg 1870/71 wirtschaftliche Probleme bekam, war das nicht mehr möglich. Es folgten schwere Jahre, die vom Tod von Doris überschattet waren. Erst am Ende der 1880er Jahre wurde mit dem Aufkommen der Heimatbewegung Groths Werk wieder mehr beachtet. Im letzten Jahrzehnt wurde Groth mit Ehrungen überhäuft: Ehrenbürger von Kiel und Heide, wo auch ein Groth- Museum in Lüttenheid entstand, diverse Orden und ein Denkmal in Kiel. Den umfangreichen schriftlichen Nachlass von Groth bewahrt die Schleswig-Holsteinische Landesbibliothek (SHLB) in ihrer Handschriftenabteilung. Die Klaus-Groth-Gesellschaft kümmert sich um das wissenschaftliche und sprachliche Erbe des Dithmarschers.
Werner Junge (0723*)
Quellen: Ulf Bichel, Klaus Groth, in: Schleswig-Holsteinisches Biographisches Lexikon – Band 2, Neumünster 1971, S.154; Robert Langhanke, Klaus Groth. Zentralfigur der Niederdeutschen Literatur https://literaturland-sh.de/autorinnen/groth-klaus, 08.12.2021;
Bildnachweis: Porträts und Kollage: Schleswig-Holsteinische Landesbibliothek (SHLB); Geburtshaus Lüttenheid: Klaus-Groth-Gesellschaft, Heide