Die „Grafenfehde“ von 1533 bis 1536 war der letzte – und erfolglose – Versuch der Hansestadt Lübeck, ihre Vormacht im Ostseehandel zu retten. Gefährdet war sie durch die Niederländer. Mit dem Zeitalter der Entdeckungen waren die Niederländer zur ersten Welthandelsmacht aufgestiegen. Die Seefahrt hatte die Küstenfahrt abgelöst. Die vor allem auf die Ostsee fixierte und von Lübeck dominierte Hanse geriet damit in Abseits. Immer mehr niederländische Kauffahrer kamen nun über die Nordsee und durch den Sund auch in die Ostsee und machten Lübeck angestammte Märkte streitig. Die Hansestadt traf das in einer ohnehin schwierigen Phase. 1531 war die Reformation durchgesetzt worden. Zwei altgläubige Bürgermeister versuchten trotzdem, heimlich mit dem katholischen Kaiser eine Allianz zu schmieden. Als das in Lübeck ruchbar wurde, kam es zu Unruhen. An deren Ende wurde der erst sieben Jahre zuvor aus Hamburg nach Lübeck gezogene Handwerker Jürgen Wullenwever zum Bürgermeister und stürzte die Stadt in ein kriegerisches Abenteuer.
Eine Stadt gegen eine Weltmacht
1533 schicke Wullenwever 18 Kriegsschiffe auf Kaperfahrt (Kaperer) gegen die niederländischen Handelsschiffe. Mit der „Kaperfehde“ gelang es zwar, deren Handel vorerst zu unterbinden, doch im Frieden von Hamburg konnte der protestantische Wullenwewer nicht durchsetzen, dass die Ostseezugänge für niederländische Schiffe gesperrt wurden. Als ihm der Rat das zum Vorwurf machte, berief Wullenwever eine Volksversammlung in die Marienkirche ein und forderte unter Beifall, dass die Patrizier aus dem Rat entlassen werden müssten. Der Rat lenkte darauf ein und billigte einen abenteuerlichen Plan. Der seit 1523 gefangene ehemalige dänische König Christian II. (*1481/1513-1523/1559†) sollte befreit und wieder auf den Thron gesetzt werden. Lübeck warb darauf die Grafen Christoph von Oldenburg (*1504-1566†) und später Johann VII. von Hoya (*1535†) an, um seine Kriegsziele zu erreichen. Dadurch kam es zu der Bezeichnung „Grafenfehde“. Die Lübecker Streitmacht hatte in Holstein und auf den dänischen Inseln Seeland und Fünen sowie in den Städten Kopenhagen und Malmö schnell Erfolge. Begünstigt wurden sie durch innerdänische Probleme. Nach dem Tod Friedrich I.(*1471/1523-1533†) hatten 1533 zwar die Stände der Herzogtümer Schleswig und Holstein seinem Sohn Christian gehuldigt, doch die dänischen Räte hatten die Königswahl verschoben. Adel und Klerus fürchteten einen Verlust an Macht durch den erklärt protestantischen Christian. Doch inzwischen war parallel in Nordjütland ein Bauernaufstand ausgebrochen. Deshalb huldigten die dänischen Stände am 18.8.1534 Christian III. (*1503/1534-1559†) als ihrem neuen König. Einen Monat später leitete in dessen Auftrag Johann Rantzau (*1492-1565†) die Gegenoffensive ein. Zunächst erreichte er am 7/18.11.1534 den Frieden von Stockelsdorf und damit das Ende der „Grafenfehde“ in Holstein. Im folgenden Jahr schlug er den Bauernaufstand nieder und belagerte Kopenhagen. Juli 1536 kapitulierte die Stadt. Schon 1535 war Wullenwever zurückgetreten. Er wurde verhaftet, grausam gefoltert, verurteilt und 1537 in Wolfenbüttel hingerichtet. Am 14.2.1536 schloss die Hansestadt Frieden mit Dänemark. Sie bekam zwar ihre Privilegien bestätigt, konnte jedoch nicht erreichen, dass den Niederländern der Zugang zur Ostsee verwehrt wurde. Damit war das Ende der Vorherrschaft Lübecks in der Ostsee eingeläutet. Hamburg mit direktem Anschluß an den neuen transatlantischen Handel konnte nun zur führenden deutschen Hafenstadt aufsteigen.
-ju- (1002 / 0721)
Quellen: Ulrich Lange (Hrsg.), Geschichte Schleswig-Holsteins – Von den Anfängen bis zur Gegenwart (SHG), Neumünster 1996, Wachholtz Verlag, ISBN 3-529-0440-6; Christian Degn, Schleswig-Holstein eine Landesgeschichte – Historischer Atlas, 2. Auflage, Neumünster 1995, Wachholtz Verlag, ISBN 3 529 05215 9; Hermann Kinder/ Werner Hilgemann, dtv-Atlas zur Weltgeschichte, Band 1, 5. Auflage 1969, Deutscher Taschenbuchverlag
Bildquelle: Vignette und Christian III. aus Beiträge zur Husumer Stadtgeschichte Heft3/4, 1990/91; Wullenwewer: Museeum für Kunst- und Kulturgeschichte, Lübeck