Fast 400 Jahre lang wurde entlang des friesischen Siedlungsgebietes von Flandern bis hoch nach Nordfriesland Salz aus vom Meerwasser gesättigtem Torf gewonnen. Die Zeit des „Friesensalzes“ begann im 11. Jahrhundert. Durch das Verbrennen des getrockneten Torfs war das Salz grau und bitter. Butter, die mit Friesensalz konserviert wurde, bekam eine rötliche Farbe. Das Salz bescherte den Friesen lange Zeit hohe Gewinne. Doch der Torfabbau in Küstennähe zerstörte auch fruchtbares Land. Das aufwendig zu gewinnende Friesensalz verlor schließlich im 15. Jahrhundert gegen die Konkurrenz des Stein- und Salinensalzes, das vor allem nicht bitter ist.
Eine alte Technik
Schon die Römer bauten in den Mündungen von Rhein, Maas und Schelde sowie dem Ästuar der Themse Salztorf ab. Das Verfahren bot sich an, da sich Meersalz bei dem feuchten Klima in Nordeuropa nicht durch Verdunsten gewinnen lässt. An der nordfriesischen Küste wurden die salzdurchtränkten Torfe genutzt. Sie lagen meist nicht offen an der Oberfläche, sondern unter einer Schicht von Sedimenten. Um an den salzigen Torf zu kommen, musste diese Schicht erst abgegraben werden. Dann wurde der Torf aus der sogenannten „Darg“ ausgebeutet. Diese Art des Abbaus zerstörte im Bereich des östlichen Teils der alten Insel Strand und der nördlichen Halligen große Teile der fruchtbaren Marsch und des Watts. Das ohnehin auf oder knapp unter Meeresniveau liegende Land innerhalb der Deiche wurde damit nochmals weiter vertieft und lief so bei Sturmfluten oft voll. Außerhalb der bedeichten Marschen schützten niedrige behelfsmäßige Deiche – die Kajedeiche – die Salzköge. Dazu gehörten neben den Abbauflächen auch eine Salzsiederwarft. Der Eingriff nahm erhebliche Ausmaße an, vor allem rund um die nördlichen Halligen. An den Südseiten von Hooge, Langeness und Gröde sind bis heute bei Ebbe die Spuren sichtbar. Auch in der Böking-Harde mit der Halbinsel Galmsbüll sowie auf Sylt und Föhr konnte Salzabbau nachgewiesen werden.
Wenn das Ei schwimmt …
Der dänische Geschichtsschreiber Saxo Grammaticus (*um1150- um 1220†) berichtet, in Nordfriesland werde „aus getrockneter Erde Salz gekocht“. Diese „Erde“ war Torf, in dem sich Salz aus dem Meerwasser angereichert hatte. Der Torf musste meist erst freigelegt werden. War das Sediment abgegraben, konnte der Torf gestochen werden. Danach wurde er zerkleinert und getrocknet. Schließlich wurde der Torf in Meilern aufgeschichtet und verbrannt. Ein durchdringender Rauch legte sich dabei über die Landschaft. Die nun stark salzhaltige Asche wurde zu einer „Salzbude“ auf einer Warft gebracht. Sie kam in hölzerne Trichter – Küppen. Unten in den Küppen war ein hölzerner Rost, darüber dicht gepresst Stroh und Heu. Oben wurde nun Meerwasser hineingekippt, um das Salz aus der Asche auszuwaschen. Das passierte so lange, bis die Sole über 20 Prozent Salz enthielt. Festgestellt wurde dies, indem ein frisches Ei in die Flüssigkeit gegeben wurde. Schwamm es, lag der Salzanteil zwischen 20 und 26 Prozent. Diese Sole wurde nun in eisernen Siedepfannen über Torffeuer so lange gekocht, bis nur noch das graue und bittere Friesensalz übrig war. Dieser Prozess dauerte auch schon mal einen Tag.
Salz bringt Reichtum
Das Friesensalz war neben der hohen Agrarproduktion der Marschen in den Uthlanden ein wesentlicher Grund, warum sowohl der dänische König als auch der Herzog von Schleswig starkes Interesse hatten, dort Einfluss zu nehmen (und Steuern einzuziehen). Bei der großen Mandränke von 1362 sollen sich die gewaltigen Eingriffe durch den Salztorfabbau bitter gerächt und wesentlich zum Ausmaß der Katastrophe beigetragen haben. Das Ende der Salzgewinnung in Nordfriesland kam jedoch vor allem, weil das aufwendig gewonnene bittere Friesensalz nicht mehr gegen Salinensalz konkurrieren konnte.
-ju- (0223*)
Quellen: Albert Panten, „Die Nordfriesen im Mittelalter“, Geschiche Nordfrieslands Teil 2, Bredstedt, 2004, Verlag Nordfriisk Instituut, ISBN 3-88007-7314-7; Dirk Meier, „Die Nordseeküste – Geschichte einer Landschaft“, Heide, 2006, Verlag Boyens, ISBN 978-3-8042-1182-7
Bildquelle: Sammlung Nordfriisk Instituut