Etwas Warmes und eine Stulle – die Bahnhofsmission betreut reisende Kinder

Von Frauen für Frauen

Im Herbst 1894 wurde am Schlesischen Bahnhof (heute Ostbahnhof) in Berlin die erste Bahnhofsmission gegründet. In der preußischen Provinz Schleswig-Holstein folgte die erste drei Jahre später 1897 in Kiel. Die 21-jährige Lehrerin Dorothea Brede leitete sie. Getragen wurde die Arbeit durch den „Verein der Freundinnen junger Mädchen“ und dem „Verein zur Fürsorge für die weibliche Jugend“. Die Bahnhofsmission startete als Organisation von Frauen für Frauen. Hintergrund waren die Gefahren für junge Frauen, die vom Land in die Stadt kamen, Opfer sexueller Ausbeutung zu werden. Dagegen etwas zu tun, den jungen Frauen einen gesicherten Start in der Stadt zu gewährleisten, war zunächst der Ansatz der Bahnhofsmissionen. 1908 kam als zweite in der Provinz eine Bahnhofsmission in Lübeck dazu.

Die Bahnhofsmissionen wurden von Beginn an von der evangelischen und der katholischen Kirche getragen und kooperierten dabei mit dem jüdischen Bahnhofsdienst. Bereits 1910 schlossen sich die christlichen Konfessionen in der Missionsarbeit am Bahnhof zur ersten ökumenischen Arbeitsgemeinschaft zusammen. Mit dem Ende des Ersten Weltkrieges kümmerten sich die Bahnhofsmissionen auch um die zurückkehrenden Soldaten, Flüchtlinge, Auswanderer und amnestierte Kriegs- und Strafgefangene.

Gemeinsames Plakat der Bahnhofsmissionen vor 1900: Protestanten, Katholiken und Juden werben gemeinsam in den Reichbahnzügen

Helfer in der Not

In der folgenden Zeit der Rezessionen versorgte die Bahnhofsmission die Not leidende Bevölkerung. Nach der Machtübergabe an die Nationalsozialisten sollte die diakonische und karitative Arbeit von der „Nationalistischen Volkswohlfahrt“ übernommen werden. 1939 wurden die Bahnhofsmissionen verboten. Zu dieser Zeit gab es bereits 16 Angebote der Bahnhofsmission in Schleswig-Holstein. Ihre Arbeit konnte nach 1939 im begrenzten Umfang als „Dienst an der wandernden Gemeinde“ bis 1945 fortgesetzt werden. Im zerstörten und von Flüchtlingen überlaufenen Norden gab es genug zu tun. Wie seit dem Anfang wechselten die Schwerpunktgruppen der Bahnhofsmissionen. Parallel zu den „Gastarbeitern“, die sich im Rahmen der Arbeitsmigration der 1960er Jahre auf den Weg machten, kamen von November 1964 an vermehrt DDR-Rentner im Zuge des Interzonenverkehrs in die Bundesrepublik. Neben Aussiedlern, Asylsuchenden, Armutsbetroffenen, Wohnungs- und Obdachlosen und allen Menschen, die unterwegs sind, helfen die elf Bahnhofsmission in Schleswig-Holstein heute vor allem auch Kriegsflüchtlingen aus der Ukraine.

Jann-Thorge Thöming / ju (1122*)

Quellen: Bruno W. Nikles, Bahnhofsmission und Bahnhofsdienste in Deutschland. Ein historischer Abriss ihrer Aufgaben- und Organisationsentwicklung, Opladen u.a. 2019; Bruno W. Nikles, Soziale Hilfe am Bahnhof. Zur Geschichte der Bahnhofsmission in Deutschland (1894–1960), Freiburg im Breisgau 1994

Bildquellen: Fotos: Bahnhofmission