Ein Tag nach dem Anschlag versammeln sich die Bürger in Mölln vor der Nikolaikirche, um ihrer Trauer und Wut Ausdruck zu verleihen

Kurz nach 1 Uhr wurde am 23. November 1992 in Mölln die Feuerwehr alarmiert. In der Mühlenstraße 9 und der Ratzeburger Straße 16 brannten zwei Häuser. In beiden lebten türkischstämmige Familien. In der Mühlenstraße kommen in den Flammen die zehnjährige Yeliz Arslan, die 14-jährige Aise Yilmaz sowie die 51-jährige Bahide Arslan um. Darüber hinaus werden neun Menschen schwer verletzt. Gemeldet wurden die Feuer von einem anonymen Anrufer, der seinen Anruf bei Polizei und Feuerwehr jeweils mit „Heil Hitler“ beendete. Damit stand von Anfang an der Verdacht im Raum, dass es sich um einen rechtsradikalen Anschlag handelte. Das bewahrheitete sich schließlich. Die Brandanschläge folgten 1992 den Ausschreitungen im September in Rostock-Lichtenhagen. Die Geschehnisse des 23. November belasten bis heute die Menschen in Mölln und gelten als ein Höhepunkt ausländerfeindlicher Verbrechen in der Bundesrepublik.

Täter werden gefaßt

Schon am Tag nach dem Verbrechen wird der 25-jährige Michael P. aus Mecklenburg-Vorpommern verhaftet. Vier Tage später der 19-jährige Lars C. Auf seine Spur kamen die Soko aus Lübeck und die erstmals auch vor Ort ermittelnde Bundesanwaltschaft durch die Zeugenaussage eines neunjährigen Mädchens. Am 1. Dezember 1992 gestanden die beiden der rechtsradikalen Szene angehörenden Männer, die Molotowcocktails geworfen zu haben. Beide wurden in Untersuchungshaft genommen. Am 3. Dezember widerriefen sie ihre Geständnisse. Vom April 1993 an wurde vor dem Oberlandesgericht in Schleswig verhandelt. Im Prozess wurde die ausländerfeindliche Haltung der Angeklagten deutlich. Sie behaupteten, Ausländer würden den Deutschen „die Buden und die Arbeit weg(nehmen)“ und seien Menschen dritter Klasse. Am 8. Dezember 1993 wurde der 25-jährige Michael P. zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilt, der noch unter Jugendstrafrecht fallende Lars C. zu zehn Jahren Jugendstrafe. Diese war dann vorzeitig 2000 abgebüßt. Michael P. kam 2007 wieder frei.

Trauer und Entsetzen

Eine lodernde Flamme aus Holz erinnert heute in der Mühlenstraße 9 in Mölln an die Brandnacht

Der Anschlag von Mölln machte weltweit Schlagzeilen. Die „Eulenspiegel-Stadt“ wurde zu einem Sinnbild für mörderischen Fremdenhass. Der Anschlag war der erste im wieder vereinten Deutschland, bei dem Menschen starben. Getrauert wurde am 23. November vor der Nikolaikirche in Mölln und am 27. November 1992 in Hamburg. Dort kamen mehr als 10.000 Menschen zusammen. Die Bürger von Mölln gehen bis heute offensiv mit dem schweren Erbe um. Am Haus in der Mühlenstraße erinnern eine Gedenktafel und ein Holzbalken mit stilisierten Flammen an das Drama. Zudem wird ein freundschaftliches Verhältnis mit der türkischen Gemeinde gesucht.

-ju- (0422*)

Quellen: Uwe Danker und Utz Schliesky (Hg.), Schleswig-Holstein 1800 bis heute, Husum Druck- und Verlagsgesellschaft, 2014, S. 350-360. ISBN  978-3-89876-748-4, S. 318-327; Jann Markus Witt und Heiko Vosgerau (Hg.), Schleswig-Holstein von den Ursprüngen bis zur Gegenwart, Hamburg, 2002, Convent Verlag, S.381-383. ISBN 3-93461-3-39-X; ndr.de/geschichte/chronologie/Brandanschlag-von-Moelln, 23.112021; Focus online, 27102016: Klaus Pflieger – tödlicher Brand in Mölln: Wie ein Mädchen einen rechten Terroranschlag aufklärte

Bildquelle: Katrin Bohlmann – NDR Studio Lübeck