Deicharbeiten in den 1970er Jahren
Deicharbeiten in den 1970er Jahren

Am 1. Februar 1953 forderte die „Hollandflut“ in den Niederlanden rund 1.800, in Großbritannien 300 Menschenleben. An den deutschen Küsten verursachte die Sturmflut zwar keine größeren Schäden, gab jedoch den Anstoss, die Deiche zu überprüfen. Die Ergebnisse waren erschütternd: Es ergab sich, dass während des Zweiten Weltkrieges die Deiche vernachlässigt worden waren und in ihren Abmessungen (dem „Deichbestick“) bei weitem nicht mehr ausreichten (Marsch, Deichbau). Bis Ende 1961 wurden darauf die Deiche in Schleswig-Holstein auf 280 von 570 Kilometer verstärkt.

Die „Hamburgflut“ ändert alles

Das war wohl der Hauptgrund, warum das Land im Gegensatz Hamburg bei der Sturmflut vom 16./17. Februar 1962 keine Todesopfer zu beklagen hatte. In der Hansestadt brachen die Deiche an 60 Stellen, 12.500 Hektar des Stadtgebietes wurden überflutet, und 315 Menschen ertranken. Die Februarflut wurde zum Anlass genommen, erneut den Zustand der Deiche zu untersuchen. Am 20.12.1963 wurde der „Generalplan Deichverstärkung, Deichverkürzung und Küstenschutz in Schleswig-Holstein“ verabschiedet. Im allgemeinen Gebrauch verkürzte sich der umständliche Titel bald auf „Generalplan Küstenschutz“. Vor allem durch die 1962er Flut war klar geworden, dass die Deiche nicht nur zu niedrig waren, sondern auch zu steil. Flache Böschungen bieten besseren Schutz. Weiteres Ziel des Generalplans war, die Deichlinie zu verkürzen.

Die Deiche werden höher und kürzer

Durch Vordeichungen (z.B. Meldorfer und Nordstrander Bucht) sowie Flussabdämmungen (Eidersperrwerk, Stör, Krückau, Pinnau) wurde die Deichlinie auf dem Festland um 207 Kilometer auf 355 verkürzt und damit das Risiko gesenkt. Durch den Generalplan von 1963 ist gegenüber der Zeit davor ein hoher und einheitlicher Sicherheitsstandard für die gesamte Küste erreicht worden. Er bewährte sich bei der Sturmflut am 3.Januar 1976, als Wasserstände gemessen wurden, die 45 Zentimeter höher als die von 1962 lagen. 1981 wurden lokal in Nordfriesland neue Höchststände erreicht, ohne dass es zu großen Schäden kam. Seit der Erstellung des ersten Generalplans Küstenschutz bis Ende 2020 wurden in Schleswig-Holstein 3,4 Mrd. EURO für den Küstenschutz ausgegeben, davon 2,3 Mrd. EURO für investive Maßnahmen und 1,1 Mrd. Euro für die Instandhaltung der Küstenschutzanlagen.

„Klimadeich“ gegen Klimawandel

Der Anstieg des Meeresspiegels durch den Klimawandel ist für den Küstenschutz inzwischen nicht mehr zu vernachlässigen. Während der Meeresspiegel im letzten Jahrhundert um 15 cm anstieg, muss in diesem Jahrhundert mit bis zu 110 cm gerechnet werden. 2013 startete deshalb auf Nordstrand im Alten Koog auf einer Länge von 2,5 Kilometern der Bau des ersten Klimadeiches. 300.000 Kubikmeter Sand und 70.000 Kubikmeter Klei wurden verbaut .  Damit wurde der Deich  um 70 Zentimeter auf 8,7 Meter erhöht,  die Deichkrone wurde von 2,50 Meter auf das doppelte verbreitert und die Außenböschung zum Wattenmeer deutlich flacher gestaltet. Damit kann dort in Zukunft ohne Probleme der Deich noch um einen Meter erhöht werden. Durch den Einbau von Wabenstrukturen und bis zu 12 Meter langen Sandsäcken gelang es, den Untergrund zu stabilisieren, damit er die immer gewaltigeren Erdmassen tragen kann. Weil unter der Marsch viele Moorlinsen liegen, besteht inzwischen die Gefahr, dass neue massigere Deiche einstürzen. 2015 war der Klimadeich auf Nordstrand für gut 35 Millionen Euro fertiggestellt. Parallel entstand in Büsum ein weiterer Klimadeich.

Fünfte Auflage des Generalplans

Die Küstenschutzanlagen in Schleswig-Holstein schützen etwa ein Viertel der Landesfläche mit 333.000 Menschen und 60 Milliarden Euro an Sachwerten vor Überflutungen. Seit 1963 gibt es inzwischen die fünfte Fortschreibung des Generalplanes Küstenschutz.  Der neue Generalplan startet 2022 und sieht vor, allein 370 Millionen Euro zu investieren, um 74 weitere Deichkilometer auf den neuen Klimastandard zu bringen. Angesichts des allgemeinen Anstiegs des Meeresspiegels rückt für die Küstenschützer des Landes Schleswig-Holstein inzwischen auch die Ostseeküste mehr in den Fokus. Bis 2024 will die Landesregierung für diese Küste eine Klimaanpassungsstrategie erstellen . Auch zwischen der Lübecker Bucht und Flensburg sind durch den Klimawandel und auch durch damit verbundene Extremwetterlagen immer größere Abschnitte zu sichern. Mit den Förden ist die Ostseeküste Schleswig-Holsteins 530 Kilometer lang.

Werner Junge (0702 / 0721 )

Quelle: Dietmar Wienholdt, Ministerium für Ländliche Räume SH, Kiel; PI Ministerium für Energiewende,Landwirtschaft, Umwelt, Natur und Digitalisierung  (MELUND) vom 08.12.2020: „Kabinett beschließt Entwurf für neuen Generalplan Küstenschutz; Wir danken  Dr. Jacobus Hofstede, Referat Küstenschutz, Hochwasserschutz und Häfen im MELUND für dieDurchsicht des Textes

Bildquelle: Amt Pellworm