Mit der Abstimmung von 1920 lag die deutsch-dänische Grenze (Abstimmungsgebiet) fest. Im preußischen Provinzteil Schleswig lebte, vor allem in Flensburg und in den Dörfern entlang der Grenze, eine bescheidene, dänischgesinnte jedoch überwiegend deutschsprachige dänische Minderheit. Sie sammelte sich in „Den slesvigske Forening“ (SSF). Zunächst wurden in Flensburg eigene Schulen errichtet, ab 1926 im gesamten schleswigschen Provinzteil. In der Zeit des Nationalsozialismus nach 1933 verschärften sich die Bedingungen, doch blieben sie als nationale Minderheit anerkannt.
Großer Zulauf nach 1945
Die deutsche Niederlage 1945 führte zu einem großen Aufschwung für die Minderheit. Die materielle Not, der Zusammenbruch deutscher Werte und vor allem der starke Druck durch die ins Land gekommenen Flüchtlinge sorgten für starken Zulauf in die dänische Bewegung. Deutsche Kritiker sprachen von der „neudänischen Bewegung“. 2.700 Mitglieder hatte die organisierte dänische Minderheit zum Ende des Krieges. Ende 1946 waren es schon 62.000. Unter den „neuen Dänen“ waren auch viele, denen die dänische Kultur und Sprache fremd waren. Sie hofften und forderten, dass Südschleswig von Deutschland abgetrennt würde und zu Dänemark käme. Damit wurde der Wunsch verbunden, dass danach die als Last und Gefahr für die eigene Identität empfundenen Flüchtlinge ausgewiesen würden. Politisch hatte der SSF die dänische Minderheit bei den ersten Landtagswahlen am 20.April 1947 vertreten und 9,3 Prozent der Stimmen erreicht. Die britischen Besatzer empfanden es als wenig sinnvoll, die kulturelle, soziale, schulische und politische Arbeit unter dem Dach eines Verbands zu organisieren. So wurde 1948 der Südschleswigsche Wählerverband (SSW) gegründet. Er erreichte bei der zweiten Landtagswahl am 9. September 1950 5,5 Prozent der Stimmen. Am Ende der 1940er Jahre gab es Versuche, die Minderheitenfrage politisch zu entschärfen. Am 29. September 1949 verabschiedete der Landtag die Kieler Erklärung. Kernpunkt war das Gesinnungsprinzip. Das Bekenntnis zur Minderheit war danach frei und durfte nicht überprüft werden.
Ein Intermezzo
Der Versuch, das Miteinander zu ordnen, war ein Intermezzo. 1950 wurde der CDU-Politiker Friedrich-Wilhelm Lübke (*1887 -1954†) Ministerpräsident. Schon 1951 setzte er durch, dass die geltende Fünf-Prozent-Klausel auf 7,5 angehoben wurde. Obwohl es auch damit begründet wurde, dass es galt, sich neu formender rechter Gruppierungen zu erwehren, wurde es als allein oder vor allem gegen den SSW gerichtet empfunden. Das Bundesverfassungsgericht hob schließlich die 7,5-Prozent-Hürde auf. Bei den Wahlen am 12. September 1954 scheiterte der SSW jedoch mit 3,5 Prozent an der wieder geltenden Sperrklausel von fünf Prozent. Neben dem Streben, wieder zu Dänemark zu gehören, empfand die regierende CDU vor allem die sogenannte „Kulturoffensive“ der Minderheit als bedrohlich. 1945 gab es acht dänische Volksschulen und eine Realschule. 1955 bereits 100. Die dänische Minderheit stellte zudem die wirtschaftliche Not des nördlichen Landesteils in den Vordergrund. Sie hatte ihre Ursachen vor allem auch in der veralteten und rückständigen Struktur des ländlichen Raumes. Um die zu verbessern, legte die Regierung Lübke 1953 für den Landesteil Schleswig das Programm Nord auf.
Die Probleme werden gelöst
Mit der Währungsreform begannen sich die Verhältnisse insgesamt zu bessern. Auch verlor das Flüchtlingsproblem langsam an Brisanz. Zudem wurde klar, Dänemark hatte kein Interesse an der geforderten Grenzrevision und hat sie – im übrigen – nie gefordert. Der Zulauf zur dänischen Minderheit nahm ab. Dennoch blieben die Verhältnisse im Grenzland gespannt. Erst im Vorfeld des NATO-Beitritts der Bundesrepublik und nachdem Kai-Uwe von Hassel (*1913-1986†) Oktober 1954 Lübke als Ministerpräsident ablöste, änderten sich die Lage grundlegend. Dänemark wollte im Vorfeld des Beitritts der Bundesrepublik auch die Minderheitenfrage im Grenzland lösen. Das gelang schließlich am 29. März 1955 Bonn-Kopenhagener-Erklärungen. Ein Ergebnis der Verhandlungen war auch, dass der SSW – wie schon seit 1953 für den Bundestag – auch auf Landesebene von der Sperrklausel befreit ist. Als der SSW zusammen mit der SPD und Grünen unter Ministerpräsident Thorsten Albig (*1963) 2012 für eine Einstimmenmehrheit der „Dänen-Ampel“ sorgte, klagte die Junge Union gegen die Befreiung des SSW von der Fünf-Prozent Klausel. Das neue Landesverfassungsgericht wies diese Klage 2013 zurück. Bei der Bundestagswahl am 26. September 2021 wurde zum zweiten Mal nach 1949 mit Stefan Seidler (*1979) ein SSW-Vertreter in den Deutschen Bundestag gewählt.
-ju- (1001/0602/0305/0621/1021)
Quellen: Klaus-Joachim Lorenzen-Schmidt und Ortwin Pelc (Hrsg.), Schleswig-Holstein Lexikon, Neumünster, 2000, Wachholtz Verlag, ISBN 3-529-02441-4; Ulrich Lange (Hrsg.), Geschichte Schleswig-Holsteins – Von den Anfängen bis zur Gegenwart , 2. verbesserte und erweiterte Ausgabe, Neumünster 2003, Wachholtz Verlag, ISBN 3-529-02440-6; Uwe Danker, Jahrhunderstory, Folge 6; Kai-Uwe von Hassel in: Die Bonn-Kopenhagener-Erklärungen von 1955, 1985, Flensburg, Deutscher Grenzverein, ISBN 3-923444-11-7
Bildquelle: Dansk Centralbibliotek for Sydslesvig, Flensburg