Die heute in der dänischen Amtskommune Sønderjylland (Nordschleswig) zwischen Haderslev (Hadersleben) und Kolding nahe der Autobahn E 45 gelegene Gemeinde Christiansfeld ist die einzige komplett erhaltene Kolonie der Herrnhuter in den ehemaligen Herzogtümern Schleswig und Holstein. Die Siedlung entstand auf Initiative des dänischen Königs Christian VII. (*1749/1766-1808†). Zwei Jahre nach seiner Krönung lernte er 1768 in den Niederlanden den Ort Zeist kennen, wo er die tüchtigen Handwerker und Händler der Herrnhutergemeinde traf. Obwohl er sich im Gegensatz zu Christian VI. (*1699/1730 – 1746†) nicht zum Pietismus hingezogen fühlte, Sektierer – und also solche galten die „Mährischen Brüder“ – ablehnte, erlaubte er 1771 den Herrnhutern auf seiner Domäne Tyrstrup (Hof Tyrstrupgaard) eine eigene Kolonie anzulegen. Am 1.April 1773 wurde darauf die Stadt gegründet.
Aus Dankbarkeit nannten die Siedler ihre neue Kolonie „Christiansfeld“. Nach der 1741 nach nur vier Jahren gescheiterten Koloniegründung „Pilgerruh“ bei Oldesloe war es der zweite Versuch eines dänischen Königs, die hochentwickelten handwerklichen Fertigkeiten der Herrnhuter im Sinne des Merkantilismus zu nutzen, um die Wirtschaft zu beleben. Da „Pilgerruh“ gescheitert war, weil die Brüdergemeine 1741 sich geweigert hatte, dem König die Treue zu schwören, verzichtete Christian VII. darauf. Er stattete Christiansfeld zusätzlich mit zahlreichen Privilegien aus. Von denen erzürnte die Nachbarn besonders die für zehn Jahre gewährte Zollfreiheit.
Mit dem 1. 4. 1773 begann der planmäßige Aufbau des Ortes. Entlang der neuen, schnurgeraden Straßen entstanden das Brüder- und das Schwesternhaus, in denen Ledige getrennt nach Geschlecht bis zu ihrer Hochzeit zu wohnen hatten, das Witwenhaus, die Kirche (geweiht 1777), eine Mädchen- wie auch eine Jungenschule, beide mit Internat, die Apotheke mit Garten, sowie Spritzen- und Pfarrhaus. Wichtig war auch das Gästehaus, das Brüdergemeinde-Hotel, dessen ältester Teil schon 1773 gebaut wurde.
Wie alle Herrnhuter Kirchen ist auch die in Christiansfeld von auffälliger Schlichtheit. Der Raum ist völlig in weiß gehalten und enthält weder Altar noch Taufbecken oder Bilderschmuck. Der Fußboden ist aus rohem Holz und stets mit Sand bedeckt. Trotzdem belegt auch dieser Bau das außerordentliche handwerkliche Können der Herrnhuter. Der Saal ist bis heute der größte Kirchenraum in Dänemark ohne Säulen. Der einfache Lebensstil der Brüdergemeinde spiegelt sich in der Architektur wider. Die Gräber auf dem Friedhof sind streng nach Geschlechtern getrennt und alle nach Osten ausgerichtet. Die Grabsteine auf dem nackten Lehmboden des „Gottesackers“ sind schmucklos und einheitlich. Ein Symbol dafür, daß im Tode alle Menschen gleich sind. Niemals wird ein Grab eingeebnet.
Die neue Kolonie erreichte schon bald eine beachtliche wirtschaftliche Blüte. Das brachte auch die Kritiker bald zum Verstummen. In Christiansfeld wurden Handschuhe genäht, Kerzen gezogen und Lebensmittel produziert, daneben wurde Tabak veredelt, Seife gekocht, Häute zu Leder gegerbt. Die Überschüsse wurden für die Mission unter den Sklaven auf den dänischen Zuckerrohrinseln in der Karibik sowie auf Grönland verwendet. Schon um 1800 zählte die Gemeinde 732 Mitglieder. Die Blüte endete 1864 nach dem zweiten Schleswigschen Krieg. Christiansfeld wurde durch die neue Grenze unmittelbar nördlich des Ortes zwischen dem von Österreich und Preußen besetzten Nordschleswig und dem dänischen Rumpfstaat von seinem Hinterland abgetrennt. Vor allem die daraus entstandenen wirtschaftlichen Probleme haben dazu geführt, daß Christiansfeld sich nicht weiterentwickeln und dadurch sein historisches Gesicht fast vollkommen bewahren konnte. Heute sind die Mitglieder der Brudergemeine in Christiansfeld eine Minderheit. Neben dem Ort selber erinnert ihr Museum im einstigen Witwenhaus an ihre Geschichte. Auch ist der kleine Ort noch heute bekannt für typische Produkte der Herrnhuter wie etwa Kachelöfen und Honigkuchen.
Christiansfeld sieht heute wieder so aus, als sei es erst vor einigen Jahren angelegt worden. Das liegt nicht nur am guten Pflegezustand sondern vor allem daran, dass die 1773 gesetzten und inzwischen gewaltigen Linden 2017 in einem sehr schlechten Zustand waren und im ganzen Ort durch junge Bäume ersetzt wurden. Leider ist der „Gottesacker“ inzwischen mit Grün bedeckt und die meisten Grabsteine sind nicht mehr zu entziffern.
Annie Lander-Laszig (0302/0621/1122)
Tipp: Nördlich von Christiansfeld, gegenüber dem roten „Alten Grenzkrug“ an der Straße von der E 45 nach Christiansfeld liegt das „Wiedervereinigungs- und Grenzmuseum“, das an die Rückkehr Nordschleswigs zu Dänemark nach der Grenzabstimmung (Abstimmungsgebiet) 1920 erinnert. Bei Christiansfeld ritt der dänische König Christian X. über die aufgehobene Grenze.
Literatur: M. Wittern, Geschichte der Brüdergemeinde in Schleswig-Holstein, in Schriften des Vereines für Schleswig-Holsteinische Kirchengeschichte ( SSHKG) 2/4, 1908; A.P. Thysssen (Hrsg.), Herrnhuter Samfundet i Christiansfeld, Apenråå/Apenrade, 1984; Klaus-Joachim Lorenzen-Schmidt (Herausgeber), Schleswig-Holstein Lexikon, 2. erweiterte und verbesserte Auflage, 2006, Neumünster, Wachholtz-Verlag, ISBN 13: 9-783529-02441-2
Bildquellen: Fotos: Werner Junge; Stich: Schleswig-Holsteinische Landesbibliothek (SHLB)