Der Engländer Henry Hudson entdeckt im Auftrag der Niederländer 1609 den später nach ihm benannten Hudson
Der Engländer Henry Hudson entdeckt im Auftrag der Niederländer 1609 den später nach ihm benannten Hudson

Der erste Schleswig-Holsteiner, von dem wir wissen, dass er die Neue Welt betrat und – in diesem Fall unfreiwillig – auch dort blieb, war anscheinend ein Nordfriese, ein Leutnant unter dem Kommando des berühmten englischen Kapitäns Sir Francis Drake. Sein anglisierter Name ist mit Tomas Tuckson überliefert. Es soll ein Friese aus Tondern oder Tönning gewesen sein. Tuckson fiel 1585 bei dem Überfall auf die spanische Festung St. Yago in Florida.

Die ersten waren Seeleute …

Seeleute aus Schleswig-Holstein, die auf englischen, dänischen, vor allem aber niederländischen Schiffen fuhren, waren die ersten Überseeauswanderer. Anfang des 17. Jahrhunderts setzten sich die Niederländer in Ostindien fest. 1619 begannen sie mit dem Bau der Festung Batavia (Jakarta) auf der Insel Java, die sie zum Zentrum ihres Gewürzhandels machten. Im Jahr 1609 erkundete der Engländer Henry Hudson im Auftrage der niederländischen Vereinigten Ostindischen Kompanie die amerikanische Ostküste. Diese Fahrt war der erste Schritt, aus dem sich die „Neuen Niederlande“ in Nordamerika entwickelten. An der Mündung des nach Hudson benannten Flusses wurde auf der Felseninsel Manhattan im Strom „Neu Amsterdam“ gegründet. In Europa benötigte die aufblühende Metropole Amsterdam ständig Arbeitskräfte für den Walfang, die Handelskompanien suchten Matrosen und Soldaten für ihre Schiffe und Unternehmungen in „der neuen Welt“. Sie fanden sie auch in den Herzogtümern Schleswig und Holstein, wo zwischen 1625 und 1721 in Folge von Kriegen (z.B. Kaiserlicher Krieg), Sturmfluten (Große Manndränke 1634) sowie der Pest Not und Hunger herrschten. Das erhöhte die Mobilität der Menschen. Einige folgten den Schiffahrtswegen und kamen in die Niederlande, um von dort nach Übersee zu fahren. Ziele waren die niederländischen Stützpunkte in Ostindien, der Karibik, Brasilien und Südafrika. So ließ sich 1654 der Husumer Christian Jansz als Soldat für die zwei Jahre zuvor gegründete Kapkolonie anwerben. Zur gleichen Zeit landete auch der Sägemüller Claas Jacobs aus Meldorf am Kap, 1673 wurde er von Hottentotten erschlagen. Mehr Glück hatte Hans Ras aus Angeln, er heiratete die wohlhabende Catharina Usstinx, die aus Lübeck nach Afrika gekommen war und der die Farm „Zwaanwijk“ gehörte. Karriere machte auch Jan Jesse Slotzbo aus Hadersleben. 1713 war er zum Kapitänleutnant der niederländischen Garnison am Kap aufgestiegen.

… auf niederländischen Schiffen

Auch im 18. Jahrhundert fuhren immer wieder Schleswig-Holsteiner auf niederländischen Schiffen nach Ost-Indien oder ans südafrikanische Kap. Sönke Ingwersen aus Langenhorn kehrte nach 20 Jahren im Dienst der niederländischen Ostindischen Kompanie auf Java als schwerreicher Mann in die Heimat zurück, wo er zum „Baron von Gelting“ wurde. Bisher weiss man von 122 Auswanderer aus Schleswig-Holstein in der Kapkolonie zwischen 1652 und 1806, zwölf davon kamen vor 1700. Das Leben in Südafrika, vor allem aber in den ostindischen Besitzungen der Niederländer mit Tropenkrankheiten wie Malaria und Gelbfieber war jedoch wenig geeignet, um Siedler in größerer Zahl anzulocken.

Amerika! Amerika!

Niederländischer Soldat im 17. Jahrhundert
Niederländischer Soldat im 17. Jahrhundert

Anders dagegen die niederländische Besitzung in Nordamerika. Nachdem von 1612 an einzelne Handelsstützpunkte gegründet worden waren, trafen 1624 die ersten Siedler am Hudson ein. 1626 erwarb der niederländische Gouverneur Peter Minuit Manhattan von den Delaware Indianern. Vor allem nach der Großen Mandränke 1634 sahen viele an der Westküste Schleswigs und andere einen Ausweg aus ihrer Not darin, nach Neu-Amsterdam auszuwandern. Das Schiff „Brand van Trogen“ – (Brand von Troja) – überquerte 1639 den Atlantik. An Bord waren Familien von Nordstrand, aus Eiderstedt und aus der Gegend um Husum. Der Kapitän des Schiffes war der Dithmarscher Jochen Pietersen Kuyter. Es folgten weitere Siedler aus Nordfriesland, Dithmarschen und anderen Teilen der Herzogtümer. Das Leben der Siedler in Neu-Amsterdam war anstrengend. Es galt eine Wildnis in Ackerland zu verwandeln. Die Siedler gerieten – auch weil sie zum Teil rücksichtslos vorgingen – immer wieder in Streit mit den Indianern. Hinzu kamen Rivalitäten unter den Neu-Niederländern selber. Während Pieter Andriessen aus Bordesholm von Indianern gefangen war, plünderte ein anderer weißer Siedler mit zwei Schwarzen, die sich alle als Indianer verkleidet hatten, seinen Besitz. Trotz aller Schwierigkeiten wuchs der Vorposten am Hudson. 1656 verzeichnete der Zensus für Neu-Amsterdam 1.000 Einwohner und 120 Häuser. 1664 übernahmen die Engländer kampflos die niederländischen Kolonie. Die Stadt hieß nun New York und zählte 1690 fast 4.000 Einwohner.

Mit Gesetzen gegen Auswanderer

 Neu-Amsterdam auf einer Karte von 1655
Neu-Amsterdam auf einer Karte von 1655

Nordamerika entwickelte sich zum Hauptziel der Auswanderer. Dort lockten fruchtbares, freies Land und bessere Arbeitsbedingungen. Insgesamt aber ging die Übersee-Auswanderung aus Schleswig-Holstein im 18. Jahrhundert anscheinend etwas zurück. Auch in Dänemark waren diese Jahrzehnte die Zeit des Merkantilismus. Oberstes Ziel des Staates war es, die Bevölkerung zu mehren. Ein Abfluss von Kapital und Menschen sollte nach Möglichkeit vermieden werden. Am 24. August 1753 erließ der dänische König Friedrich V. (*1723/1746-1766†) in diesem Sinne das „General-Patent wider die Emigrationes nach den fremden Colonien in America“. Darin wurde eine Auswanderung nach Amerika generell verboten sowie jedem, der dafür warb oder bei der Auswanderung half, hohe Strafen angedroht. Trotz dieser und ähnlicher Anstrengungen, auch der deutschen Fürsten, gelang es nicht, den breiter werdenden Strom der Auswanderer aus Europa in die Neue Welt zum Versiegen zu bringen. Immer mehr Menschen erfuhren von Amerika, und das Bild, das in ihren Köpfen entstand, war nicht mehr das einer gefährlichen und unwirtlichen Wildnis, sondern sie träumten von einem Land der Freiheit, des Wohlstands und des Glücks. Bis etwa 1800 waren rund eine halbe Million Deutsche nach Amerika ausgewandert. Im 18.Jahrhundert wurden so die Grundlagen für die großen Wellen der Auswanderung des 19. Jahrhunderts gelegt. Zum wichtigsten Faktor wurde, dass der Anteil der Deutschen an der Gesamtbevölkerung der USA um 1800 etwa acht bis neun Prozent ausmachte. Für deutschsprachige Einwanderer waren die Vereinigten Staaten damit kein völlig unzugängliches, fremdes Land mehr. Das galt auch für die zum dänischen Gesamtstaat gehörende, überwiegend deutschsprachige Bevölkerung Schleswig und Holsteins.

Dr. Paul-Heinz Pauseback (0901/0621)

Quellen: Paul-Heinz Pauseback, Übersee-Auswanderer aus Schleswig-Holstein … als hätten sie nie eine Heimat, nie eine Mutter gehabt!, Husum und Bredstedt 2000, herausgegeben vom Nordfriesischen Museum Ludwig-Nissen Haus und dem Nordfriisk Instituut www.nordfriiskinstituut.de, ISBN 3-88007-280-9; Ingwer Ernst Momsen, Mobilität in Schleswig-Holstein um 1750 unter besonderer Berücksichtigung der Auswanderung, in: Zeitschrift der Gesellschaft für Schleswig-Holsteinische Geschichte (ZSHG) 102/103 (1977/1978), S. 111-138 (siehe GSHG, „Veröffentlichungen“)

Bildquellen: „Übersee-Auswanderer aus Schleswig-Holstein“ s.o.