Die neue Sprecherin des Beirates der GSHG heißt Dr. Uta Kuhl. Die 1965 in Wuppertal geborene und seit 1996 bei der Stiftung Gottorf tätige Historikerin und Kunstgeschichtlerin tritt die Nachfolge von Karen Bruhn an. Die hat schweren Herzens die Aufgabe aus beruflichen sowie familiären Gründen aufgeben müssen. Die neue Beiratsvorsitzende wurde auf der Mitgliederversammlung in Eutin in das wichtige Amt eingeführt.

 Frau Kuhl, herzlichen Glückwunsch. Sie übernehmen das Ehrenamt bei der GSHG in einer Phase in der Sie mit dem laufenden Umbau auf Gottorf als Kuratorin absehbar sehr eingespannt sind. Ist das nur noch mehr Arbeit oder hoffen Sie auf Synergien?

Ich erhoffe mir auf jeden Fall Synergien, denn die Neukonzeption unserer Dauerausstellungen im gesamten Schloss sieht ja vor, der Landesgeschichte künftig einen eigenen Bereich zu widmen. Im ersten Obergeschoss, in den historischen Sälen des Barock und um den Hirschsaal herum ist eine neue regionalhistorische Ausstellung des Museums für Kunst und Kulturgeschichte vorgesehen, die zeitlich an eine gemeinsame Mittelalter-Ausstellung zusammen mit dem archäologischen Museum anschließt. Als Kuratorin für die Landesgeschichte von „Ripen 1460“ bis zur Gegenwart – in einer ersten Bauphase wohl nur bis 1848 – sehe ich in der Zusammenarbeit mit der GSHG und der guten Vernetzung mit so vielen historisch Forschenden unterschiedlicher Spezialisierung eine große Chance. Für mich ist die GSHG mit ihren zahlreichen Mitgliedern mit hoher Expertise und den vielfältigen Angeboten der Vermittlung – vor allem der Website und der Landesgeschichte von A bis Z – eine zentrale Institution für die Geschichte unseres Landes.

Sie haben ihre Studien in Münster mit Geschichte begonnen und sind dann aber immer mehr auf die Kunstgeschichte gegangen. Wie kann Kunstgeschichte unsere im Kern doch sehr auf Papier und Quellen basierte klassische Arbeit für die Landesgeschichte verändern oder gar verbessern?

Ich habe meinen Magister in neuerer Geschichte gemacht, aber über ein kulturhistorisches Thema gearbeitet nämlich eine Kunstzeitschrift der 1910er und 1920er Jahre. Schon früh hat mich der Blick über die Fachgrenzen hinaus interessiert. Selbstverständlich hat jedes Fach seine eigenen Methoden. Aber in meinen Augen können sich beide Fächer hervorragend ergänzen, umso mehr, je weiter wir in der Zeit zurückgehen – und die schriftlichen Quellen weniger reich sprudeln. Bei unserer interdisziplinären Tagung zum Bordesholmer Altar des Hans Brüggemann im Jubiläumsjahr 2021 wurde das sehr deutlich. Der Austausch zwischen Geschichte und Kirchengeschichte, Kunstgeschichte, Theologie sowie Kunsttechnologie hat zu hochspannenden Resultaten geführt. 

Das passt zudem, was Sie in Eutin gesagt haben. Sie wollen also dem Dinglichen mehr und größeren Raum geben. Was kann uns das bringen? 

Ich denke, Werke der Bildenden Kunst, Sakralkunst, der riesige Bereich der Medaillenkunst oder auch Druckgraphik mit ihrer jeweiligen Ikonographie, sowie Architektur und Kunsthandwerk können der Geschichte neue Horizonte eröffnen und unser Wissen enorm bereichern. Übrigens: Alles was man ansehen oder anfassen kann, hilft uns zu begreifen. Ein Beispiel findet sich meines Erachtens in meinem Einführungsteil im 2024 erschienenen Tagungsband „Fürstinnen in Schleswig-Holstein“, den ich zusammen mit Oliver Auge und Jan Ocker herausgegeben habe: Frauen wurden als Akteurinnen der Geschichte lange nicht wahrgenommen, teils schon in ihrer Zeit, besonders aber durch die Geschichtsschreiber des 19. Jahrhunderts. Gegenüber dieser doppelten männlichen Perspektive und ihren „Filtermechanismen“ bieten Werke der schönen Künste einen breiteren Zugang zur Vergangenheit, vor allem da, wo schriftliche Quellen fehlen. Die Patronage von Künstlern und die Beauftragung von Werken der Kunst bot Frauen Handlungsspielräume, die ihnen in anderen Bereichen nicht offenstanden. 

Unter ihrer Vorgängerin ist vor allem die AG Frauen und die für Digitales neu entstanden. Plant Uta Kuhl auf einen neuen Arbeitskreis aus der Taufe zu heben?

Ja, ich plane eine Arbeitsgruppe „Museen“ und hoffe, auf breites Interesse zu stoßen. 

Wie sollte das in die Arbeit der GSHG einfließen und was ist aus ihrer Sicht die Hauptaufgabe des Beirates?

Im Beirat sind ja schon jetzt viele Kolleginnen und Kollegen aus Museen vertreten. Sie könnten sich in einer Arbeitsgruppe austauschen und für die Mitglieder mehr Exkursionen und Führungen anbieten. Dies würde auch zu dem im laufenden Strategieprozess der GSHG angestrebten Ziel passen, mehr historisches Erlebnis für die Mitglieder anzubieten. 

Was Sie derzeit beruflich vorhaben, ist hochspannend und sicher etwas, das man auch als Geschenk empfindet. Aber wie ist das für Familie Kuhl, wenn man aus dem quirligen Münster in das doch auch etwas betulich ruhige Schleswig kommt?

Unsere Übersiedlung nach Schleswig liegt ja nun schon beinahe drei Jahrzehnte zurück – und wir sind sehr gern hier, Schleswig-Holstein ist ein wunderbares Land! Schleswig ist eine schöne Stadt mit so einer reichen Geschichte – immerhin über lange Jahrhunderte eine Residenzstadt! Für Liebhaber der Hochkultur wird mit den Landesmuseen und dem Stadtmuseum, dem Theater, dem Dom oder auch dem Oberlandesgericht mit seinen Lesungen viel geboten. Ehrlich, auch wenn wir erst etwas traurig waren, Münster zu verlassen, so sind wir doch hier gänzlich angekommen! Zu unseren zwei Münsteraner Kindern sind zwei Schleswiger hinzugekommen. Und auch die nächste Generation lebt im Lande: zwei unserer Enkel sind Kieler. 

 Bevor Sie die Geschichte des Landes neu ins Museum bringen kann, muss man sie verstanden haben: Ist unsere Geschichte wirklich komplizierter als sie sein dürfte?

Sie spielen auf das berühmte Zitat von Lord Palmerston an? – und ja, ich glaube schon, dass die Geschichte Schleswig-Holsteins phasenweise sehr kompliziert ist. Die Landesteilung von 1544 mit den gemeinsam regierten Landesteilen ist eine sehr ungewöhnliche Konstruktion, selbst in der frühen Neuzeit. Sie wird in der Literatur oft verkürzt dargestellt, teilweise wird unterschlagen, dass sowohl der dänische König als auch die Gottorfer Herzöge in Schleswig und Holstein waren. Und es ist ja noch vertrakter… Da fängt es für mich als Museumsmacherin an, richtig spannend zu werden. Da liegt für mich der Reiz oder Thrill, diese Komplexität zu beschreiben und vor allem sicht- und greifbar zu machen.  

Das Gespräch führte Werner Junge / Foto: privat / (27.11.2024)