Es war eine Premiere – und es war eine gelungene. Auf Initiative des Historisk Samfund for Sønderjylland Sydslesvig-kreds (HSSDJ) gab es die erste große thematische Veranstaltung zusammen mit der Gesellschaft für Schleswig-Holsteinische Geschichte (GSHG). Fast 100 Besucher kamen ins Flensborghus der dänischen Minderheit zum Thema 70 Jahre Bonn-Kopenhagener Erklärungen. Durch das Programm führten Professor Dr. Jørgen Kühl und Werner Junge. Nach leichten technischen Problemen startete es mit einer O-Ton-Kollage von Zeitzeugen. Gut vier Minuten dauerte diese akustische Zeitreise. Danach gab es von Henry Bohm für den HSSDJ ein Grußwort. Für den erkrankten Vorsitzenden der GSHG ging Vorstandsmitglied Dr. Jens Ahlers ans Pult. Er erweiterte das Grußwort von Friedrich Rantzau auf seine Art und sorgte damit im großen Saal des Flensborghus für Lacher und Beifall.

Nur vier Seiten …

… auf denen die Deutschen festlegten, wie sie künftig mit der dänischen Minderheit umgehen wollten und vier Seiten, auf denen stand, wie Dänemark mit seiner deutschen Minderheit umzugehen beabsichtigte. Mehr sind diese Bonn-Kopenhagener Erklärungen nicht. Für die Bundesrepublik führten diese beiden Selbstverpflichtungen zum Ja des Königreiches für den NATO-Beitritt, für die Minderheiten und die Grenzregion zum Ende des Grenzkampfes und einem sich seitdem ständig entspannenden Zusammenleben. Diese Entwicklung schilderte eindrucksvoll Professor Dr. Henrik Becker-Christensen. Der langjährige dänische Generalkonsul in Flensburg ging auch auf die Rückschläge ein, wie den Streit um die Zuschüsse für die dänischen Schulen in Schleswig-Holstein nach 2010 und den gescheiterten Versuch von Seiten der CDU, die 1955 garantierte Befreiung des Südschleswigschen Wählerverbandes (SSW) von der Fünf-Prozent-Klausel zu kippen, nachdem der SSW seit 2012 mit SPD und Grünen die Landesregierung stellte. Am Ende folgte Becker-Christensen der Lesart von Jørgen Kühl, der trotz aller Erfolge bezweifelte, dass man die Minderheitenregelungen in Grenzland als europäisches Modell ansehen kann, weil die Verhältnisse nicht übertragbar seien. Viel Applaus für den Vortrag von Henrik Becker-Christensen.

Henrik Becker-Christensen in seinem Element

Die vergessenen Friesen

An der Wand im Flensborghus hingen neben der dänischen Flagge, dem Dannebrog, und der bundesdeutschen auch das nordfriesische Gold-Rot-Blau. Es erscheint aber nirgends auf den zahlreichen Bildern, Karikaturen oder Publikationen rund um die Bonn-Kopenhagener Erklärungen. Das erstaunt, weil neben der deutschen und der dänischen Minderheit es im Grenzland auch die nordfriesische Volksgruppe gibt. Professor Dr. Thomas Steensen ist dieser Frage nachgegangen. Dass die Friesen keine Rolle spielen, liegt in seiner Analyse vor allem an ihrem Grundstreit zwischen den sogenannten Deuto- und Dano-Friesen. Der Streit, ob die Friesen nun ein eigenen Volk oder ein deutscher Stamm sind, begleitet die Diskussion seit den 1920er Jahren. In der 1949 geschaffenen „Kieler Erklärung“, die inhaltlich fast die Bonn-Kopenhagener vorwegnahm, stand hinten der Satz „Die hier aufgestellten Grundsätze gelten sinngemäß auch für die friesische Bevölkerung in Schleswig-Holstein.“ Dieser vage Anknüpfungspunkt ging 1955 verloren. Einen Widerstand der Friesen gab es dagegen nicht. Thomas Steensen hat dazu viele neue Quellen erschlossen. Sein Fazit: Die Kieler Erklärung wurde für die Friesen nicht zur Magna Charta sondern steht für eine vertane Chance.

Am Ende viel Applaus. Dank der Unterstützung des SSF als Hausherrn im Flensborghus sowie eines Zuschusses des SOF (Sydslesvig Oplysingsforbund) konnten alle Besucher die Vorträge gedruckt mit nach Hause nehmen und sich bei Wein, Wasser und Chili con Carne noch über die Veranstaltung austauschen.

-ju- (26022025*)