Auf der Mitgliederversammlung der Gesellschaft für Schleswig-Holsteinische Geschichte am 21. August 2021 wurde der Vorstand der GSHG um zwei starke Historikerinnen erweitert. Es ist einmal Dr. Angela Huang, die seit 2017 die Forschungsstelle für die Geschichte der Hanse in Lübeck leitet. Neu im Vorstand der GSHG ist auch Julia Buchholz von der Schleswig-Holsteinischen Landesbibliothek in Kiel. Wir stellen die 1988 in Hamburg geborene auf www.geschichte-s-h.de mit einem Interview vor.
Frau Buchholz, Sie sind nach mehreren beruflichen Stationen in Schleswig-Holstein in den Sartori & Bergerspeicher umgezogen. Was hat sie an Ihrer neuen Aufgabe gereizt?
In der Schleswig-Holsteinischen Landesbibliothek habe ich zahlreiche Möglichkeiten, um zu gestalten und zu verändern. Die Landesbibliothek erhält ein erweitertes Profil und wagt sich nicht nur in Bezug auf einen anstehenden Umbau in den Räumlichkeiten des Sartori & Berger Speichers auf neue Wege. Das waren einerseits herausfordernde, andererseits auch attraktive Perspektiven, um sich von Anfang an einzubringen. Ich arbeite gern prozessorientiert, in Teams und mit großer Hingabe an neuen Aufgaben. Ich wusste aber auch, dass ich in einer Institution arbeite, die auf eine über 125-jährige Tradition zurückblickt, die zu achten ist. Insbesondere Ausstellungstätigkeiten in der Landesgeschichtlichen Sammlung, die verdienstvollen Publikationen oder die Mitarbeit in Geschichtsvereinen und -gesellschaften ist eine große Verantwortung, die mir bewusst ist. Ich finde es schön, dass durch meine Wahl in den Vorstand diese Tradition weitergeführt werden kann.
Sie sind einmal für die – im Übrigen beachtliche – landesgeschichtliche Sammlung der Landesbibliothek zuständig zum anderen für das Digitale Haus der Geschichte. Wie passt das zusammen?
Ich arbeite derzeit daran, ein Konzept umzusetzen, in der ein Digitales Haus der Landesgeschichte beschrieben wird. Ein wichtiges Element sind da auch sogenannte Themenschneisen, in denen landesgeschichtliche Inhalte mit unterschiedlichen Schwerpunkten für die UserInnen aufbereitet werden sollen. Dafür werden Inhalte benötigt, die wir auch im Bestand der Landesgeschichtlichen Sammlung haben. Mir ist dabei wichtig, dass Abbildungen nicht als Illustration genutzt werden, sondern auch Inhalte vermitteln. Wir wollen weiter zeigen, was wir an Objekten und Dokumenten in unserem riesigen Bestand haben, aber deren Einsatzmöglichkeiten, insbesondere in Bezug auf die kritische Aneignung von beziehungsweise Auseinandersetzung mit der Landesgeschichte ist damit noch nicht ausgeschöpft. Hier sehe ich große Potentiale im virtuellen Raum.
Frau Buchholz, haben wir das richtig verstanden: es geht Ihnen um die Vermittlung von Geschichte. Für wen muss Geschichte erfahrbar werden und wie?
Die Landesgeschichte soll aus meiner Sicht in vielfältigen Formen – auch niedrigschwellig – vermittelt werden. Das ist Teil meines demokratischen Geschichtsverständnisses. Jeder und jede Interessierte soll Vermittlungsangebote vorfinden, die es ermöglichen, sich Geschichte im eigenen Tempo, durch unterschiedliche Zugänge und in der eigens gewählten Tiefe anzueignen. Institutionen wie die Schleswig-Holsteinische Landesbibliothek haben die Aufgabe, solche Angebote zu entwickeln und anzubieten. Das gilt besonders auch für Interessierte ohne historische oder akademische Vorkenntnisse. Das darf aber nicht bedeuten, die Kriterien wissenschaftlichen Arbeitens außer Acht zu lassen.
Die GSHG schafft seit 188 Jahren vor allem Quellen und Texte zur Geschichte des Landes auf Papier. Wenn wir digitalisieren, dann machen wir heute fast nur aus Papier Dateien. Reicht das oder müssen wir da neu denken und mehr tun?
Wir werden uns künftig verstärkt auch mit sogenannten Born-Digitals beschäftigen müssen. Hier handelt es sich um Objekte, die von Beginn an ausschließlich in digitaler Form vorliegen, also nicht das Resultat eines Digitalisierungsprozesses sind. Hier sind Museen und Archive besonders gefragt.
Die strategisch geplante Digitalisierung schriftlicher Zeugnisse – seien es Quellen oder Sekundärliteratur – zum Zwecke einer besseren Auffindbarkeit oder Recherchierbarkeit für Wissenschaft und Forschung begrüße ich sehr. Insbesondere die Verfügbarkeit von Nachschlagewerken, Chroniken oder Quellensammlungen die open Access im Internet von jeder/jedem über eine Schlagwortsuche nutzbar sind. So kann sich die Geschichtswissenschaft global vernetzen und etwa lange Recherchereisen abkürzen. Gleichzeitig ist es aber auch sinnstiftend, eben jene digitalen Möglichkeiten ins Blickfeld zu nehmen, die mit Kulturdaten kreativ umgehen. ProgrammiererInnen, SoftwareentwicklerInnen und GrafikerInnen sind in der Lage, großartige Anwendungen zu entwickeln, die etwa dabei helfen, historische Bestände zu profilieren neue NutzerInnengruppen zum Beispiel in der virtuellen Welt zu erschließen.
Frau Buchholz, gibt es analoge Interessen nach Feierabend?
… auf jeden Fall kommt die Vorstandsarbeit bei der GSHG hinzu. Darüber hinaus bin ich eine leidenschaftliche Ausstellungs- und Theatergängerin.
Und zu guter Letzt: Welchen Wunsch hat Julia Buchholz?
Ich habe bereits seit 2019 Aufgaben im Beirat der GSHG übernommen und mich in der AG „Landesgeschichte und Schule“ engagiert. Das hat mir sehr viel Freude gemacht. Insbesondere die Synergieeffekte und die Möglichkeiten des Netzwerkens habe ich dort geschätzt und wünsche mir, dass ich dies im Vorstand weiter ausbauen kann. Diese beiden Aspekte sind für die Entwicklung und Umsetzung eines digitalen Hauses der Landesgeschichte essentiell. Es ist schön zu wissen, dass ich auch im Vorstand auf starke und ausgesprochen kompetente KollegInnen treffe, die mich hier begleiten.
Die Fragen stellte Werner Junge
Foto: SHLB