Auf der Mitgliederversammlung der Gesellschaft für Schleswig-Holsteinische Geschichte am 21. August 2021 wurde der Vorstand der GSHG um zwei starke Historikerinnen erweitert. Es sind einmal Julia Buchholz von der Schleswig-Holsteinischen Landesbibliothek in Kiel und Dr. Angela Huang. Die heute 38-jährige leitet seit 2017 in Lübeck die Forschungsstelle für die Geschichte der Hanse und des Ostseeraumes FGHO.  Wir stellen sie als erste auf www.geschichte-s-h.de mit einem Interview vor.

Frau Dr. Huang, Sie arbeiten seit 2017 in Lübeck, das ja – zumindest formell – zu Schleswig-Holstein gehört. Ist für Sie die Arbeit im Vorstand der GSHG auch getragen vom Wunsch, die Vernetzung über die Hanse und Hansestadt hinaus zu intensivieren? 

Auf jeden Fall, die regionale Vernetzung ist mir wirklich wichtig. Die FGHO und ich, wir haben uns in den letzten Jahren natürlich schon vernetzt, vor allem mit Kolleginnen und Kollegen an anderen deutschen und europäischen Forschungseinrichtungen. Aber wir wollen vor allem auch in der „Nachbarschaft“ zusammenarbeiten. Wir teilen ja auch das Ziel, viele Menschen für unsere Themen und Angebote zu interessieren. 

Frau Dr. Huang – Bonn, Leipzig, Erlangen, Kopenhagen, London waren die Stationen auf ihrem Weg nach Lübeck. Zufall oder irgendwann auch ein bewusster Weg von der Peripherie zum Zentrum der Hanse?

Manchmal scheint es mit rückblickend, als wenn es nicht hätte anders kommen können, als heute in Lübeck zu wohnen. Bewusst geplant habe ich es nicht. Die Hansegeschichte allerdings hat es mir sofort angetan, gleich am Anfang des Studiums, dann ist sie mir in der Magister- und Doktorarbeit weiter ans Herz gewachsen. Lübeck stand freilich bei meiner Hanseforschung nie im Mittelpunkt – aber hier ist natürlich das Interesse an der Hanse besonders stark. Vielleicht ist es mehr so eine Art hansischer Magnetismus, der mich hier hergezogen hat! 

Ihr Interesse an der Hanse hat Prof. Stuart Jenks an der Uni in Erlangen – sagen wir mal – entfacht. Er befasst sich wie auch der größte und traditionsreichste Arbeitskreis der GSHG mit Wirtschafts- und Sozialgeschichte. Ist das für Sie auch ein Anknüpfungspunkt zur GSHG?

Definitiv – wenn auch nicht der einzige. Die Hansegeschichte ist ja ein wichtiges Kapitel der Wirtschafts- und Sozialgeschichte nicht nur zahlreicher Städte im Norden. Was mich an dieser Geschichte interessiert ist eben der lange Blick zurück, die Kontinuitäten und Brüche in der Entwicklung von Städten und Regionen – hier freue ich mich auf spannende Gespräche ! 

Was werden wir in den kommenden Jahren über die Geschichte der Hanse neu lernen und/oder neu bewerten?

Über die Hanse lernt man nie aus und kann und muss sie immer wieder mit frischem Blick sehen. Das haben die letzten 150 Jahre Hansehistoriographie gezeigt – und das wir so bleiben. Der EU-Vergleich ist uns in der Hanseforschung ja oft nicht so recht, aber er bleibt eine wichtige Frage an die Hansegeschichte: Wie funktioniert ein wirtschaftlicher und auch politischer Interessenverband, der zu nicht geringen Teilen auf Kooperationsbereitschaft und Freiwilligkeit basiert? Wie schafft man gemeinsame Strukturen und wie reagiert mann auf Konflikte und äußere Störungen? Das ist jetzt sehr allgemein gesprochen, aber diese Fragen interessieren mich und andere in der Hanseforschung. Konkret schauen wir – und damit meine ich die „Community“ der Hanseforscher:innen – uns das 16. Und 17. Jahrhundert an. Das war ja bisher die lange Zeit des Sterbens  der Hanse, aber das hinterfragen wir zunehmend kritisch. Wie die Hanse über die Jahrhunderte transformiert, da werden einige Antworten zu kommen. Und: nicht zu vergessen natürlich die Beziehung zwischen Hanse und Region – mein Kieler Kollege und Mitvorstand Oliver Auge hat das ja in der Mangel, aber hier bietet sich regionale Zusammenarbeit natürlich auch an.

Ja und dann ist da ja noch das Hansemuseum, das durch die Vermitlungsbrille nochmal ganz anders auf die Hansegeschichte zugeht und Hansethemen oft auch als Gesellschaftsthemen aufgreift. Das trägt – für mich –  auch immer dazu bei, die Hanse immer wieder neu zu sehen.

Mit Dr. Angela Huang kommt eine junge Forscherin in den Vorstand. Welche Ziele in Sachen Digitalisierung und Öffentlichkeitsarbeit bringt sie mit und ein?

Es wird keine Revolution! Mir gefällt die Arbeit der GSHG ja sehr gut und es gibt schon viele Initiativen, bei denen ich mich gerne einbringen möchte. Im Bereich der Öffentlichkeitsarbeit würde ich mich freuen, wenn wir unsere Angebote an eine historisch interessierte Öffentlichkeit noch besser vernetzt bewerben – wir bieten alleso viel an und können gemeinsam unser Publikum noch besser erreichen, denke ich. Hier ist die GSHG natürlich eine wichtige Schnittstelle. An der FGHO haben wir uns auch schon an Citizen Science herangetastet und ich halte es für sehr lohnenswert, Bürger:innen mehr Zugang zu geben zur Arbeit an historischem Material beziehungsweise hier Hilfe gewinnen zu können. Vor allem ist auch wichtig, dass wir Weiterbildungsangebote schaffen, damit mehr Menschen die digitalen Angebote überhaupt nutzen können. 

Nu‘ wird’s persönlich: im Norden, ich Lübeck angekommen und gibt es Dinge außerhalb der Hansegeschichte, die interessieren?

Noch etwas außer Hansegeschichte … ich verstehe die Frage nicht! Spaß beiseite – natürlich gibt es mehr im Leben. Seit ich hier in Lübeck wurzeln kann, bin ich vor allem im Tanzsport wieder aktiv. Das mache ich noch länger als Hanseforschung und jetzt wieder intensiv mit Turnier und allem Drum und Dran. Auch meinen Trainerschein will ich jetzt machen – das habe ich schon ewig vor. Sonst will ich einfach gerne öfters etwas Neues im Alltag erleben – sei es eine Ausstellung, eine neue Route für Spaziergänge oder was es sonst noch so gibt. 

Und zu guter Letzt: Welchen Wunsch hat Angela Huang?

Ich wünsche mir, dass die nächsten Jahre und Jahrzehnte in Lübeck, mit der Hanse und den Koleginnen und Kollegen vor Ort und in der Region weiterhin so schön und erfüllend sind, wie sie es in den vergangenen gut vier Jahren waren.

Die Fragen stellte Werner Junge (0921)

Foto: Olaf Malzahn