Im Zuge der Abstimmung über den künftigen Verlauf der Grenze zwischen Deutschland und Dänemark kam es in Kopenhagen zur Osterkrise um den dänischen König Christian X. (*1870/1912-1947†). Nachdem am 10. Februar in Nordschleswig bei der en bloc Wahl das Votum klar für Dänemark ausfiel, ergab sich gut einen Monat später am 14.März 1920, bei der gemeindeweisen Abstimmung im mittleren Schleswig ein anderes Bild. 80,2 Prozent votierten für Deutschland. Im besonders hart umkämpften Flensburg entschieden sich 72,2 Prozent für Deutschland und 24,8 Prozent für Dänemark. Ein eindeutiges Ergebnis. Die dänischen Nationalisten waren enttäuscht und die dänischen Flensburger forderten nun analog zu der vom neuen Völkerbund gefundenen Lösung für Danzig die „Internationalisierung der Zone II“. Eine Delegation reiste mit diesem Anliegen nach Kopenhagen und wurde dort begeistert begrüßt und vom König Christian X. empfangen. Das war ein Affront gegen die Regierung des dänischen Ministerpräsidenten Carl Theodor Zahle (*1866-1946†). Seine Regierung wollte die Ergebnisse der Volksabstimmungen akzeptieren. Der König dagegen verlangte, Zahle solle auch den Anschluss Mittelschleswigs (also der Zone II) vorantreiben, um so das Wirtschaftszentrum Flensburg für Dänemark zu erhalten. Angesichts der klaren Ergebnisse weigerte sich Zahle. Nach einem Streit mit dem König trat er zurück. Der entließ darauf die Regierung und setzte eine konservative Interimsregierung ein.
Wende in letzter Minute
In Dänemark kam es darauf zu Demonstrationen und fast zu einer Revolution. Da drohte, dass – wie auch schon in Deutschland – eine Republik ausgerufen werden könnte, lenkte Christian X. am 5. April 1920 in letzter Minute ein. Erst gab es eine Kompromissregierung, dann Neuwahlen. In die dänische Geschichte gingen diese Ereignisse als die „Osterkrise“ ein. Es war das letzte Mal, dass ein dänischer Monarch versucht hat, sich gegen das Parlament durchzusetzen. Christian X. hatte sich mit seinem Eingreifen auch international blamiert wie zahlreiche Kommentare und Karikaturen belegen. Sein Comeback schaffte er durch sein sehr symbolträchtiges und emotionales Auftreten Juli 1920 bei der „Wiedervereinigung“ – dänisch „Genforeningen“ – von Nordschleswig mit dem dänischen Staatsgebiet. Während der Besetzung Dänemarks durch die deutsche Wehrmacht nach dem 9. April 1940 wurden Christians X. tägliche Ritte durch Kopenhagen für die Dänen zum Symbol der Hoffnung und des Widerstandes. Beides prägte die Erinnerung, als Christian X. 1947 verstarb.
-ju- (0921)
Quellen: Jan Schlürmann, 1920 – eine Grenze für den Frieden, 2019, Kiel/Hamburg, Wachholtz Verlag, ISBN 978-3-529-05036-7; Klaus Alberts, 1920 Volksabstimmung – Als Nordschleswig zu Dänemark kam, 2019, Heide, Boyens Buchverlag, ISBN 978-3-8042-15
Bildquelle: „Kladaradatsch“ von Museum Sønderjylland