Auf den ausgedehnten Heideflächen zwischen den Steinburger Städten Itzehoe und Kellinghusen, richtete das preußische Militär nach dem deutsch-dänischen Krieg (2. Schleswigsche Krieg) 1864 ein Auffang-, Entlassungs- und Rekrutierungslager ein. Das Lockstedter Lager bestand zu dieser Zeit aus Zelten, hatte jedoch schon feste Feuerstellen, Back- und Vorratshäuser. 1870/71 wurde ein Barackenlager für bis zu 6.000 französische Kriegsgefangene aufgebaut. Von 1872 an wurde das Lager um einen Truppenübungsplatz erweitert. Dafür entstanden Schießplätze und vor den Toren des Lagers eine “Marketenderaussiedlung”. 1881 erreichte das Lockstedter Lager durch die “Kaisermanöver” seine höchste militärische Publizität. 1889 folgte der Anschluß an die Eisenbahn. 1900 entstand der Wasserturm, der auf seiner Spitze einen Mast mit einem großen Signalball trug. Der wurde hochgezogen, um zu warnen, wenn die Artillerie übte. Im Lockstedter Lager wurde 1900 auch das deutsche Kontingent der europäischen Truppen aufgestellt, die den Boxer-Aufstand in China niederschlagen sollten. 1914 erreichte das Lager seine größte Ausdehnung mit 60 Quadratkilometern und bis zu 18.000 Soldaten in der Kasernenstadt. Während des Ersten Weltkrieges übten pro Jahr is zu 115.000 Soldaten in Lockstedt. Nahezu jeder männliche Bewohner der preußischen Provinz Schleswig-Holstein hatte im Rahmen seines Wehrdienstes Station im “LoLa” abgekürzten Lager gemacht.
… und die „Finnischen Jäger“
Am 25. Februar 1915 kamen die ersten 55 Finnen im Lockstedter Lager an. Sie waren auf abenteuerlichen Wegen aus dem von Russland beherrschten Finnland nach Lola gekommen. Nach und nach wuchs ihre Zahl auf rund 1.500 an. Im Lager wurden sie als “Finnische Pfadfinder” bezeichnet und in das Königlich-Preußische Jägerbataillon Nr. 27 integriert und ausgebildet. Als “Finnische Jäger” kehrten sie genau drei Jahre später am 25.Ferbruar 1918 in ihre Heimat zurück und landeten bei Vaasa. Sie bildeten den Kern der Armee von Feldmarschall Carl Gustaf Emil Mannerheim (*1867-1951†) im erfolgreichen Unabhängigkeitskampf gegen die russischen Besatzer. Der Wasserturm als Wahrzeichen des Lockstedter Lagers ist noch bis heute (angeblich) jedem Kind in Finnland bekannt.
Bürsten, Munition und Petroleumlampen
Nach dem ersten Weltkrieg wurden im LoLa Flüchtlinge aus den Ostgebieten einquartiert. 1926/27 wurde die Landgemeinde „Lockstedter Lager“ gegründet. 1928 siedelte sich mit der Bürstenfabrik H.A. Schmidt außerhalb des Lagers der erste Industriebetrieb an. Aus der Fabrik stammen die lange sehr bekannten “LoLa-Bürsten”. 1934 wurde mit dem Bau der “Heeresmunitionsanstalt” (Muna) begonnen. 1939 arbeiteten dort 1.000, 1944 4.000 Menschen. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde das Lockstedter Lager erneut zu einem Flüchtlingslager. Auf dem ehemaligen Muna-Gelände siedelten sich der Arzneimittelhersteller Pohl-Boskamp an, der bis heute erfolgreich ist. Die Firma H. Nier, war am Ende des Zweiten Weltkrieges aus dem Erzgebirge geflüchtet und nahm im Lockstedter Lager wieder die Produktion ihrer “Feuerhand” Petroleumlampen auf. Obwohl Nier auch für die Autoindustrie Blechteile formte, kam das Werk in Turbulenzen und geriet nach Ansicht der Gewerkschaften einen Wirtschaftskrimi. Es begann 2006 mit einem Verkauf, dem folgte 2012 eine Pleite und dann wieder ein Besitzerwechsel. Schließlich wurde die Marke „Feuerhand“ 2014 von der Petromax-Gruppe übernommen.
Aus LoLa wird die Gemeinde Hohenlockstedt
1956 wurde die Gemeinde Lockstedter Lager in “Hohenlockstedt” umbenannt. Die Gemeinde hat heute gut 6.000 Einwohner, pflegt besonders mit Finnland eine enge Partnerschaft. Das ehemalige Militärlager war bis 2004 Standort für eine Heeresfliegereinheit auf dem “Hungrigen Wolf”. Im Rahmen der zweiten Truppenreduzierung der Bundeswehr nach dem Zusammenbruch des Warschauer Paktes hatte das Bundesverteidigungsministerium im beschlossen, den Standort Hohenlockstedt aufzugeben. Damit endete in der Gemeinde die 1864 begonnene militärische Tradition. Seit 2002 hat Hohenlockstedt ein eigenen Gemeindemuseum, das einen inhaltlichen Schwerpunkt auf die Geschichte der „finnischen Jäger“ setzt.
-ju- (0401 / 1111 / 0721/0422)
Quelle: Klaus-Joachim Lorenzen-Schmidt und Ortwin Pelc (Herausgeber), Schleswig-Holstein Lexikon, 2. erweiterte und verbesserte Auflage, 2006, Neumünster, Wachholtz-Verlag, ISBN 13: 9-783529-02441-2
Bildquellen: Vignette: Wasserturm Lokstedter Lager, Gemeinde Hohenlockstedt