1889 sprang das Eisenbahnfieber auch auf die Nordfriesischen Inseln über. Zuerst auf Sylt und seit 1893 auch auf Amrum entstanden Bahnen, die vor allem dazu bestimmt waren, den einsetzenden Strom der „Sommerfrischler“ von den Fährhäfen zu den Quartieren zu bringen.
Unter Dampf auf den Strand
Die Geschichte der Bahnen auf der Insel Amrum ist geprägt von Schwierigkeiten. Von 1893 bis 1909 fuhr die erste mit Dampf betriebene Bahn von Wittdün nach Norddorf, später bis Norddorf-Brücke. Ein Abzweiger führte mitten auf den Kniepsand und teilte den Badestrand für Damen und Herren. Die Kleinbahn fuhr vom ersten Tag an nicht rentabel. Zudem unterspülten die Winterstürme immer wieder die Gleise auf dem Kniepsand und zerstörten die dort errichteten Gebäude. 1909 kam es zum Konkurs. Die Strecke wurde verkauft, elektrifiziert und nun als „nebenbahnähnliche Kleinbahn“ konzessioniert. Sie war es zwar nicht rechtlich, sah nun jedoch aus wie eine Straßenbahn. Doch auch dieses Konzept scheiterte. Auch auf der Insel machten Autos der „Elektrischen“ zunehmend Konkurrenz. 1921 wurden daher die Oberleitungen endgültig abgeschaltet. Bis 1939 fuhr die Inselbahn wieder unter Dampf Gäste über die Insel. Dann war es fast endgültig vorbei. Im Zweiten Weltkrieg rollten die Züge nur noch sporadisch für „militärische Bedarfsfahrten“. 1944 endete das kurze Eisenbahnzeitalter auf Amrum.
Durch die Sylter Dünen
Die Inselbahnen auf Sylt dienten ebenfalls dem Transport von Feriengästen. Der Flensburger Kleinbahndirektor Emil Hyronimus Kuhrt (*1848-1909†) baute zwischen 1889 und 1903 drei Strecken durch die Dünen. Sie begannen alle in Westerland und führten zu den Fähranlegern Munkmarsch (die Ostbahn), List (die Nordbahn) und Hörnum (Südbahn). Die Bahn war durch ihre einfache Bauweise mit zum Teil nur auf den Sand gelegten Gleisen kostengünstig. Die Züge entgleisten deshalb nicht selten, wenn der Wind den Sand ausgeweht hatte. Schnell war der „Dünenexpress“ auch nicht. Mancher kam zu Fuß deutlich schneller voran. Mit dem Hindenburgdamm war die Ostbahn 1928 überflüssig geworden. Vom Festland kamen in den folgenden Jahren immer mehr Autos auf die Insel. Die beiden verbliebenen Strecke wurden zunehmend unwirtschaftlich. 1959 – in dem Jahr als in Lübeck die letzte „Elektrische“ ihren Betrieb einstellte – wurde die Inselbahn umkonzessioniert zu einer Straßenbahn. Das ersparte teure Signalanlagen. Was durch die Dünen ratterte, waren jedoch eigentlich „Schienen-LKW“, denn 1957 hatte man umgebaute Borgward-Sattelschlepper auf die Gleise gesetzt. Mit 1,3 Millionen Fahrgästen pro Jahr war die Bahn zwar gut ausgelastet, doch das Schienenmaterial war endgültig aufgebraucht. Am 29.Dezember 1970 ging die Nordbahn auf ihre letzte Fahrt. Aus den Sylter Bahntrassen wurden meist Rad- und Wanderwege.
Sven Bracke (0304/0721)
Literatur: Heinz-Herbert Schöning, Die Amrumer Inselbahn, 1979,Pinneberg, Eigenverlag Schöning; Hans-Jürgen Stöver, Von der Inselbahn und den Bäderschiffen Sylts, Schleswig, 1979, SDV, ISBN 3-88242-043-X; Harry Kunz, Thomas Steensen, Sylt Lexikon, Herausgegeben vom Nordfriisk Instituut, 2002, Wachholtz Verlag, ISBN 3-529-05518-2
Bildquellen: Vignette/Dünenexpress/ Borgward: Sylter Archiv; Amrum: Sammlung Günter H. Köhler aus Dieter Höltge, Straßen- und Stadtbahnen in Deutschland, Band 8: Schleswig-Holstein, Freiburg 2002, EK-Verlag GmbH; ISBN 3-88255-339-1