
Das erste Freilichtmuseum in Deutschland entstand mit dem Ostenfelder Bauernhaus 1899 in Husum. Das größte in Norddeutschland wuchs nach 1965 vor den Toren Kiels auf Bombenschutt des Zweiten Weltkrieges in Molfsee. Auf 40 Hektar Freifläche stehen dort heute über 70 historische Gebäude. Geordnet nach regionaler Herkunft spiegeln die ländlichen Bauten aus vorindustrieller Zeit die in Deutschland einmalige Vielfalt von drei Grundtypen bäuerlicher Höfe in einem Bundesland.
Die verpasste Chance
1953 wurde der Eiderstedter Haubarg „Rothelau“ aus Kating bei Tönning Ministerpräsident Friedrich-Wilhelm Lübke (*1887-1954†) als Geschenk angeboten. Das Land lehnte ab und eine Initiative aus Kultur und Politik zur Rettung dauerten zu lange. Der Haubarg wurde an das Freilichtmuseum Lyngby bei Kopenhagen verkauft. Damit startete in Schleswig-Holstein die Debatte um oder für ein eigenes Freilichtmuseum.
Ein langer Anlauf
Die Idee war geboren, nun begann die Suche nach einem Standort. 1958 wurde ein gemeinnütziger Verein gegründet. Er bestand aus Funktionsträgern des Schleswig-Holsteinischen Heimatbundes, Vertretern der Kreise Rendsburg und Eckernförde sowie der Stadt Kiel. Damit war vorgegeben, wo das neue Museum entstehen sollte. 1961 stimmte der Landtag zu, ein 40 Hektar großes Gelände in Molfsee vor den Toren Kiels zum Freilichtmuseum zu entwickeln. Das Land übernahm 70 Prozent, die Stadt Kiel 20 Prozent und der Verein 10 Prozent der Kosten.
Alfred Kamphausen startet durch
Der Kunsthistoriker Professor Alfred Kamphausen (*1906-1982†) stand in seinen frühen Jahren der Idee eines Freilichtmuseums kritisch gegenüber. In der Diskussion um den Haubarg „Rothelau“ vertrat er die Ansicht, Gebäude ließen sich nicht aus ihrem Zusammenhang reißen und anderenorts wieder aufbauen. Doch er hatte seine Ansicht geändert und wurde am 1. Juli 1962 der Gründungsdirektor des „Schleswig-Holsteinischen Freilichtmuseums“. Bis zur Eröffnung am 19. Juni 1965 gelang es Kamphausen und seinen Mitarbeitern 13 Gebäude im Lande zu sichern und in Molfsee wieder aufzubauen. Bis zu seiner Pensionierung 1978 stieg deren Zahl auf 53 Gebäude.

Wettlauf gegen die neue Zeit
Der Aufbau ging so schnell, weil gerade von den 1960er Jahren an viele traditionelle Bauernhäuser Neubauten weichen mussten. Die Museumsleute arbeiteten gegen die Zeit, um die historische Substanz zu retten. Möglich ist der Umzug der alten Häuser, weil die zum Teil gewaltigen Ständerkonstruktionen gezapft gezimmert und durch Holznägeln gesichert sind. Damit können alte Häuser (im übrigen auch Mühlen) baukastenmäßig auseinandergenommen und wieder aufgebaut werden. Einige wuchsen sogar. So ein Bauernhaus, das Kamphausen mit 24 Fach in der Wilstermarsch ab- und mit 26 Fach in Molfsee neu aufbauen ließ.

Das Land nach Landschaften
Im weitläufigen hügeligen Gelände von Molfsee sind die Häuser – soweit möglich – nach Landschaften sortiert. So stehen die Haubarge oder Gulfhäuser vor allem für Eiderstedt und die Marschgebiete. Das Niedersächsische Hallenhaus war von Süden kommend vor allem in Holstein verbreitet. Es wird durch die große Zufahrt zentral erschlossen. Anders das quergeteilte Haus, wie es vor allem im Landesteil Schleswig anzutreffen ist. Hier gelangt man an der Längsseite mit eigenen Türen in Wohnung, Wirtschaftsräume und Stall. Das Freilichtmuseum bietet dazu noch Bock- und Holländermühlen. Mit einer Dampfmeierei, einem Texaswindrad und einer Apotheke wird der Bogen bis in die Industriezeit gespannt.
Auf- und Ausbau
Als Dr. Carl-Ingwer Johannsen (*1935) 1979 die Nachfolge als Museumsdirektor antrat, war das umstritten. Der wissenschaftliche Beirat des Trägervereins trat geschlossen zurück. Doch Johannsen konnte die Zweifler schnell überzeugen. In seiner Amtszeit bis 2000 stieg die Zahl der Häuser nochmal von 53 auf 74. 2009 bis 2012 sprang er nochmal drei Jahre als Museumsleiter ein. Einen wesentlichen Einschnitt bildete das Jahr 2013. Aus dem „Schleswig-Holsteinischen Freilichtmuseum“ wurde unter dem Dach der „Stiftung Schleswig-Holsteinische Landesmuseen Schloss Gottorf“ das „Freilichtmuseum Molfsee“. Aus dem Trägerverein wurde damit ein Förderverein, der aber Besitzer der Liegenschaften geblieben ist.
Ein neues Tor ins Museum

Seit 1975 betraten die Besucher das Freilichtmuseumdurch durch das Torhaus in das Freilichtmuseum, das nach einem Entwurf aus dem Jahre 1770, geplant für das Gut Deutsch-Niendorf, damals errichtet wurde. Für die Stiftung ergab sich auch die Frage, wohin das bis dahin auf dem Hesterberg in Schleswig beheimatete Volkskundemuseum umziehen sollte. Als neues Tor in das Musuem und im Untergeschoss als neue Heimat für die große Volkskundliche Sammlung wurde das „Jahr100Haus“ vom März 2017 bis zum März 2021 erbaut. Entstanden sind zwei hochmoderne Bauten mit rostbeschichteten Cortenstahl, die von außen wie alte reetgedeckte Scheunen wirken.
Werner Junge (0625*)
Quellen: https://www.freilichtmuseum-ev.de/vereinsgeschichte.html; Alfred Kamphausen, Das Schleswig-Holsteinische Freilichtmuseum, 11. Auflage 1986, Neumünster, Wachholtz Verlag; Dr. Carl-Ingwer Johannsen, Führer durch das Schleswig-Holsteinische Freilichmuseum, 1994, Neumünster, Wachholtz Verlag; Thomas Steensen, Nordfriesland – Menschen von A bis Z, Husum, 2020, Husum Druck- und Verlagsgesellschaft, ISBN 978-3-96717-027-6
Bildquellen: Stiftung Landesmuseen Schloss Gottorf; Werner Junge