Am 5. Oktober 1665 wurde die Universität von Herzog Christian Albrecht (*1641/ 1659-1695†) feierlich im Kieler Schloss gegründet. An der Christiana-Albertina sollte die Elite des Landes ausgebildet werden. Seit dem Abschluss der Reformation in den Herzogtümern 1542 fehlte es an gut ausgebildeten Geistlichen. In den Kriegen und Katastrophen des 17. Jahrhunderts hatte der Adel zudem seine politischen Mitspracherechte weitgehend eingebüßt. Die Verwaltung der Landesherren stützte sich nun vor allem auf Fachleute, Beamte, die noch im Ausland geworben werden mussten. Sie kamen aus Kopenhagen, Rostock sowie Greifswald oder von den international renommierten Hochschulen wie etwa Paris, Leiden oder Bologna. Deshalb hatte der Verfasser der protestantischen Kirchenordnung, Johannes Bugenhagen (*1485-1558 †), angeregt, in den Herzogtümern eine eigene Lehranstalt zu gründen. Doch die Landesteilung von 1544 verhinderte den Plan. Im gottorfischen Teil wurde die Schleswiger Domschule – wenn auch ohne Erfolg – zu einer Art Universität, einem „Paedagogium publicum“, ausgebaut. Der abgeteilte Herzog Hans der Ältere (*1521/1564-1580†) wandelte in seinem Teil Holsteins 1566 das Kloster Bordesholm in eine ähnliche Lehranstalt um. 1580 starb Herzog Hans, und Bordesholm fiel an die Gottorfer, die nun zwei höhere Schulen besaßen, sich aber nur eine leisten konnten. Das Paedagogium publicum in Schleswig schlief ein, wohingegen Bordesholm weiter gefördert wurde.
Verspäteter Start
Am Ende des 16. Jahrhunderts gab es erstmals Pläne, in den Herzogtümern eine eigene, „richtige“ Universität zu gründen. Doch die Wirren des Dreißigjährigen Krieges und die Rivalität zwischen der königlichen und der herzoglichen Linie ließen die Pläne scheitern. In der selben Zeit entwickelte sich Gottorf zu einem geistigen und kulturellen Zentrum Norddeutschlands. Da lag es nahe, sich um eine Universität zu kümmern. Seit 1640 bemühte sich so Herzog Friedrich III. (*1597/1616-1659†) beim Kaiser um ein Privileg, das ihm genehmigte, eine Universität einzurichten. 1652 schließlich wurde es ausgestellt, doch nun lehnten die Stände das Projekt ab, weil es ihnen zu teuer schien. Da der Landtag ihm das Geld versagte, blieb Friedrich III. nur, seinem Sohn Christian Albrecht den Wunsch zu vererben, eine Universität zu begründen. Nach dem Ende des Dänisch-Schwedischen Krieges 1660 war die Stunde gekommen. Christian Albrecht ließ die Pläne durch seinen Kanzler Johann Adolf von Kielmannseck (*1612-1676†) umsetzen. Als Standorte wurden Schleswig und Kiel ins Auge gefaßt. Kiel machte das bessere Angebot. Gegen den Willen der Bürgerschaft, die den verderblichen Einfluss der Studenten auf die Bevölkerung fürchtete, bot der Rat der Stadt der Universität kostenlos das ehemalige Franziskanerkloster an. 1665 nahm die neue Universität ihren Betrieb auf. Den finanziellen Grundstock bildeten die Einnahmen aus dem Verkauf und dem Vermögen der Bordesholmer Schule. 17 Professoren unterrichteten in den Fächern Theologie, Jura, Medizin und den freien Künsten. Der Kern der Bibliothek kam aus Bordesholm und Gottorf. Die Insignien der Universität, vor allem das Zepter und den Mantel des Prorektors sowie die Siegel, stiftete Herzog Christian Albrecht, der auch der erste Rektor der neuen Universität wurde.
Von der Gründung in die Krise
Der Rat der Stadt erhoffte sich von der Universität wirtschaftliche Impulse für Kiel. Die Bürgerschaft dagegen fürchtete nicht nur das ausschweifende Leben der Studenten. Mit der Universität kam auch ein Fremdkörper in die Stadt. Sie bildete dort wie im Land einen Bereich mit eigener Gerichtsbarkeit. Zudem genossen Professoren und Studenten das Privileg der Steuer- und Abgabenfreiheit. Die Sonderrolle der neuen Hochschule wurde auch dadurch deutlich, dass sie als eigener „Stand“ auf dem Landtag vertreten war und damit dem Adel, den adligen Stiften und der städtischen Bürgerschaft gleichgestellt wurde. Am 22. Januar 1666 wurden in Kiel die ersten Doktorprüfungen abgenommen. Damit hatte die Universität ihren Betrieb aufgenommen. Trotz der Privilegien blieb der Aufbau in den Wirren des Zwistes zwischen dem dänischen Königshaus und den Gottorfern stecken. Der Nordische Krieg (1700 bis 1721) setzte dem Streit kein Ende. Immer weniger Geld floss in die Universität, die immer weiter verfiel. Das änderte sich auch nicht, als Kiel nach dem Verlust der schleswigschen Anteile für gut 20 Jahre zur Residenz der Gottorfer aufstieg. 1765 verzichtete man deshalb darauf, das 100jährige Jubiläum zu feiern. Erst Caspar von Saldern (*1711-1786†), nahm sich der Universität wieder an. Er war der Statthalter im Herzogtum Gottorf der zur russischen Zarin avancierten Katharina II. Von Saldern ordnete eine Reform der Christian-Albrechts-Universität an und ließ ihr ein neues Haus bauen. Die neue Universität wurde direkt vor dem Schloß in der Kattenstraße (heute steht dort der Konzertsaal des Schlosses) errichtet. Um die Universität auszulasten, wurde verfügt, dass nur noch der Zugang zu höheren Staatsdienst hatte, wer mindestens zwei Jahre in Kiel studiert hatte (Bienniumsregel).
Glanz- und Erhebungszeit
Die „Christiana Albertina“ hatte bald einen ausgezeichneten Ruf. Glanz und Ruhm setzten sich auch nach der erneuten Vereinigung der Herzogtümer 1773 im dänischen Gesamtstaat fort. Kiel war danach die nördlichste deutsche und zugleich auch die südlichste skandinavische Universität. Die Universität entwickelte sich zu einem kulturellen Zentrum für die Herzogtümer und die Königreiche Dänemark und Norwegen. In der Zeit der Aufklärung wurden die „praktischen“ Wissenschaften entdeckt. So wurden in Kiel Grundlagen für die Fächer Statistik und Kameralistik geschaffen, und die ersten Arbeiten zur Ozeanographie entstanden. Führend waren Wissenschafter aus Kiel auch in den Bereichen Medizin und Geburtshilfe. Während die Ideen der Französischen Revolution wenig Widerhall fanden, wandten sich Geisteswissenschaftler an der Förde intensiv dem im frühen 19. Jahrhundert aufkommenden Nationalismus zu. Historiker wie Friedrich Christoph Dahlmann (*1785-1860†) und Georg Waitz (*1813-1886†) sowie Juristen wie Niels Nikolaus Falck (*1784-1850†) und Albert Hänel (*1833-1918†) wurden zu zentralen Figuren der schleswig-holsteinischen Nationalbewegung. Sie trugen dazu bei, den deutsch-dänischen Gegensatz zu verschärfen. Mit der Niederschlagung der Erhebung 1851 war diese Zeit vorbei. Ein Teil der Kieler Vordenker musste nach Süden abwandern, arbeitete etwa weiter in Göttingen. Mit der Annexion der Herzogtümer durch Preußen 1867 änderte sich der Status der „Christiana Albertina“ grundlegend. Sie verlor Schlag auf Schlag ihre seit 1665 geltenden Privilegien. Am 28. April wurde die Steuerfreiheit der Dozenten, am 26. Juni 1867 die eigene Gerichtsbarkeit der Universität aufgehoben, am 17. September schließlich die „Bienniumsregel“ abgeschafft. Kiel war nun die kleinste der preußischen Universitäten. Nach einer Phase der Stagnation in den ersten preußischen Jahren nahm die Zahl der Studenten seit der Reichsgründung 1871 parallel zum Wachstum der „Gründerzeit“ und dem Aufstieg Kiels zum „Reichskriegshafen“ erheblich zu. Die alten Gebäude an der Kattenstraße reichten nicht mehr. Die preußische Regierung ließ 1876 neu bauen. Das neue Hauptgebäude der Universität lag nun am Ende des Schloßgartens und musste schon 1902 erweitert werden.
NS-Zeit und Wiederaufbau
Im Jahr 1900 waren erstmals mehr als 1.000 Studenten in Kiel eingeschrieben. Acht Jahre später wurden auch Frauen zum Studium zugelassen. Die Umwälzungen in Deutschland im 20. Jahrhundert erfassten auch die Universität in Kiel . Sie wandelte sich von einer kaiserlichen Universität über die Zeiten der Weimarer Republik hin zu einer streng nationalsozialistisch ausgerichteten Lehranstalt (Nationalsozialismus), die sich willig der NS-Ideologie anpasste (Gleichschaltung). Schon sehr früh und rüde wurden jüdische Professoren, Dozenten und Studenten vergrault und vertrieben, was zu erheblichen Einbußen der Qualität von Lehre und Forschung führte. Der Zweite Weltkrieg bedeutete beinahe das Aus für die Kieler Universität. Die meisten Gebäude lagen in der Innenstadt und fielen dem alliierten Bomben zum Opfer. Besonders schlimm traf es die Universitätsbibliothek. Sie wurde 1942 von einer Brandbombe getroffen. Ein Großteil der Bücher ging in Flammen auf. Auch das neue und das alte Hauptgebäude wurden zerstört, ebenso ein Großteil der Kliniken und Institute. In dieser Not wollte die Universitätsleitung 1945 die Hochschule nach Schleswig verlegen. Doch sie blieb in Kiel.
Dem Kieler Geologen Karl Gripp und einer Gruppe beherzter Universitätsmediziner gelang es, neue Räume in Kiel zu finden. Gripp konnte die englischen Besatzer dazu überreden, der Universität am Westring die Fabrikgebäude zu überlassen, in der ELAC (Electroacustik) für die Marine Echolote und Sonargeräte produziert hatte. Dort und auf Schiffen auf der Förde begann der Lehrbetrieb nach dem Zweiten Weltkrieg wieder am 17. November 1945.
Die Massenuniversität
Seit 1945 expandiert die Christian-Albrechts-Universität (CAU). Nach Umbauten auf dem ELAC-Gelände wurden in den 1960er Jahren neue Gebäude am Westring errichtet: 1962 die Universitätsbibliothek, 1965 die Universitätskirche, 1969 das neue Auditorium Maximum. Die Universität hatte sich am westlichen Stadtrand Kiels als Campusuniversität neu etabliert. Ende der 1960er erreichten die Studentenunruhen auch Kiel: Streiks, Besetzungen und Proteste gehörten zum Alltag dieser Zeit. Als Folge wurden die überkommene Struktur der Universität modernisiert, aber auch alle alten Traditionen gekappt.
Seit den frühen 1970er Jahren ist die CAU eine Massenuniversität. Waren 1945/46 gut 2.500 Studenten in Kiel eingeschrieben, wurden Mitte der 1970er 10.000 erreicht. Heute liegt die Zahl der Studierenden bei 20.000. Auch das Angebot der CAU wuchs mit. Zu den klassischen vier Fakultäten sind inzwischen fünf weitere hinzugekommen. Die Gebäude reichten bald nicht mehr. Das Universitätsgelände dehnte sich seit 1972 entlang der Olshausentraße weiter nach Westen aus. Die neue Technische Fakultät entstand sogar außerhalb des Campus auf dem Ostufer der Förde in Gaarden. 2001 wurde mit der neuen Universitätsbibliothek an der Leibnizstraße das vorerst letzte Bauvorhaben abgeschlossen.
Später Erfolg des Kieler Rates
In den fast 350 Jahren ihres Bestehens hat die Christian-Albrechts-Universität in Kiel in vielen Bereichen Impulse und Marksteine gesetzt. Zahlreiche Nobelpreisträger lehrten in Kiel. Zu nennen sind Theodor Mommsen (Literatur 1902), Philipp Lenard (Physik 1905), Max Planck (Physik 1918) sowie Otto Diels (Chemie 1950). Die CAU hat sich in ihrer Geschichte von einer regionalen Lehranstalt zu einer international anerkannten Universität entwickelt. Und sie hat den Wunsch des Rates der Stadt Kiel erfüllt. 1665 hatte der sich gegen den Protest der Bürgerschaft für die Universität eingesetzt, weil er Impulse für die Wirtschaft der Stadt erhoffte. Heute ist die Christian-Albrechts-Universität der größte Arbeitgeber der Fördestadt.
Carsten Jahnke (TdM 0802/0103/0123/0223)
Tipp: http://www.uni-kiel.de/ueberblick/
Literaturhinweise: Carl Rodenberg/Volquart Pauls, Die Anfänge der Christian-Albrechts-Universität Kiel, Quellen und Forschungen zur Geschichte Schleswig-Holsteins, Bd. 31, 1955,Neumünster; Karl Jordan (Hrsg.), Geschichte der Christian-Albrechts-Universität Kiel, 1665-1965, mehrere Bände, Neumünster 1965; SHG; SHLEX; Jürgen Jensen, Peter Wulf, Geschichte der Stadt Kiel, 1991, Neumünster, Wachholtz Verlag
Bildquellen: Siegel, Sportzentrum, neue Bibliothek (Foto: Bernadette Grimmenstein): Pressestelle der Christian-Alrechts-Universität zu Kiel (CAU); Kupferstich von August John, Schleswig-Holsteinische Landesbibliothek (SHLB); Grundriß aus Carl Rodenberg/Volquart Pauls, die Anfänge der CAU, Quellen und Forschungen Band 31, 1955, Neumünster, Wachholtz; Kattenstraße/Gropiusbau 1876 aus Hans-Dieter Nägelke, Der Gropius Bau der Kieler Universität, 1991, CAU; Bibliothek ausgebombt aus Günther Wiegard/Jörg Henning Wolf, die alte Bibliothek: Preußische Universitätsbauten in Kiel, in: Begegnungen mit Kiel hrsg. Von Werner Paravicini, Neumünster 1992, Wachholtz Verlag; Universitätsschiffe/Streik aus Jürgen Jensen, Kiel im Wirtschaftswunder auf Pressefotos von Friedrich Magnussen, Neumünster 1987, Wachholtz Verlag