Am 1. Februar 1851 brach die schleswig-holsteinische Erhebung zusammen. Landesversammlung und Statthalterschaft mussten sich an diesem Tag auf Drängen Preußens und Österreichs der dänischen Hoheit wieder unterwerfen. Das Ende war absehbar gewesen. Es trieb auch den bayerischen Artillerieunteroffizier Wilhelm Bauer (*1822 – 1875†). Er startete deshalb gegen 9 Uhr des gleichen Tages in Kiel mit zwei Getreuen zu einer Testfahrt mit dem von ihm entwickelten Unterseeboot. Obwohl es eigentlich noch nicht vollendet und aus Geldmangel auch unvollkommen ausgerüstet war, hoffte Bauer: Er wollte die vermeintlich letzte Chance nutzen, die Einsatzfähigkeit des „Brandtauchers“ unter Beweis zu stellen. Das Experiment in der Förde endete mit einem glücklichen Fiasko. Der “Brandtaucher” sank, Bauer und seine beiden Mitfahrer jedoch retteten sich in letzter Minute durch einen dramatischen Unterwasserausstieg. Den Mißerfolg dieses Sonnabends hat Bauer nie überwunden; gleichwohl hat er mehr Grundlagen für den Bau von U-Booten gelegt als jeder andere. Im Kampf der Schleswig-Holsteiner gegen den dänischen Gesamtstaat kam der Brandtaucher zu spät.
Die Idee vom Alsensund
Wilhelm Bauer wurde am 23.Dezember 1822 in Dillingen an der Donau geboren. Der Schwabe lernte Drechsler und wurde, wie sein Vater, Soldat. Als Korporal der 10. Feldbatterie im bayrischen Hilfskorps nahm er am 13. April 1949 an der Schlacht von Düppel teil. Die Dänen rückten bei Sonderburg über eine Pontonbrücke vor. Das soll Bauer auf die Idee gebracht haben, einen Apparat zu entwickeln, mit dem unter Wasser Sprengladungen angebracht werden können. Vorbild aus der Natur war der Seehund. Der Artillerist aus Bayern begann zu zeichnen. Doch Bauer mußte zurück nach Bayern, denn mit dem Berliner Waffenstillstand vom 10. Juli 1849 war der Einsatz der Truppen des Deutschen Bundes beendet. Beseelt von seiner Idee, bat er um den Abschied, um wieder ans Meer nach Schleswig-Holstein zu kommen. Doch er musste seinen Dienst ableisten. Erst am 30. Januar 1850 konnte der „Ausländer“ als „Unteroffizier II. Classe“ in die Schleswig-Holsteinische Armee eintreten. Stationiert wurde er in Rendsburg. Schon wenige Tage später wandte er sich mit seinen Plänen für einen „Brand-Tauch-Apparat“ an das „Departement des Krieges“. Im März wurde er zur „Verfertigung eines Modells“ seines „eisernen Seehundes“ nach Kiel kommandiert. Die Schleswig-Holsteinische Flottille erhielt den Auftrag, eine Kommission einzusetzen. Anhand von Modell und Plänen sollte sie prüfen, ob die Maschine „im Großen auszuführen“ sei. Das Gremium kam zu einem abgewogenen Urteil. Sie meinte, „daß das projectirte Taucherfahrzeug wohl practisch ausführbar ist, doch nur unter sehr günstigen Umständten wird mit Erfolg angewendet werden können, so kann dieselbe (Kommission) nicht umhin noch darauf aufmerksam zu machen, daß das bloße Vorhandensein solcher Apparate dem Feind wohl Besorgnisse einflössen könne, die ihm zu großer Vorsicht und Zurückhaltung nöthigen möchten“.
Sammeln für den Brandtaucher
Die Baukosten für den Brandtaucher wurden auf gut 9.000 Mark Courant geschätzt. Der kommandierende General Karl Wilhelm von Willisen (*1790-1879†) sah in dem Projekt zwar eine „nicht unerwünschte Verstärkung“ zur Küstenverteidigung, entschied jedoch, es sei nicht der Moment für kostspielige Versuche. Es fehlte nicht nur an Geld, auch der Frieden war in Gefahr: Im Juli brachen die Dänen den Waffenstillstand. Erneut kam es zu Kämpfen. Erst im August 1850 starteten Offiziere der Flottille deshalb den Versuch, Bauers Brandtaucher doch noch zu verwirklichen. Sie fragten an, ob der Plan Bauers ein Staatsgeheimnis sei oder man dafür – wie zuvor schon für andere Schiffe – öffentlich sammeln dürfe. Das Armeekommando entschied: Geld aus dem Etat gibt es nicht, doch eine Subskription wird erlaubt.
Nur schleppend kam in den Herzogtümern Geld ein, schließlich wurde in ganz Deutschland für das Projekt geworben. Wahrscheinlich erst im September 1850 konnte der Bau begonnen werden. In der Kesselbauhalle der „Maschinenfabrik und Eisengiesserei Schweffel & Howaldt“ an der Kieler Förde entstand das erste Eisenschiff an der Ostsee. Am 18.Dezember wurde es ins Wasser gesetzt. Der Brandtaucher war 8,07 Meter lang, 2,02 Meter breit und 3,51 Meter hoch. In den Kiel des fast rechteckigen Rumpfes wurden 20 Tonnen Roheisen als Ballast gestaut. Schwimmend verdrängte das Boot so 27,5 Tonnen. Der Körper war gegenüber dem ursprünglichen Plan auf Rat der Kommission verlängert worden. Obwohl im November das Departement des Krieges doch noch 3.000 Mark Courant bewilligt hatte, fehlten Bauer die Mittel für den Einbau notwendiger Apparate.
Zwei Tauchfahrten und ein Untergang
Aus ungeklärter Ursache versank der Brandtaucher Anfang Januar 1851, als er festgemacht längsseits des Kriegsdampfschiffes „Bonin“ lag. Er wurde jedoch gehoben und wieder instand gesetzt. Schließlich stiegen am Sonnabend, 1. Februar 1851, gegen 9 Uhr Wilhelm Bauer und zwei Freiwillige in den “Brandtaucher”. Der Zimmermann Friedrich Witt und der Heizer Wilhelm Thomsen sollten sich am Handrad zum Antrieb der Schraube und an den Pumpen ablösen. Bauer setzte sich auf das Brett im Bug des Rumpfes. Von dort konnte er durch die Bullaugen sehen und steuern. Die Testfahrt begann vielversprechend.
Zweimal gelang es, zu tauchen und wieder an die Oberfläche zu kommen. Während ein verschiebbares Gewicht am Boden dafür sorgen sollte, das Boot auf ebenem Kiel zu halten, wurde der zum Tauchen notwendige Ballast einfach in Form von 2,8 Tonnen Wasser durch Ventile in den Rumpf eingelassen. Bauer wusste um die Gefahr, die von dieser schwer kontrollierbaren Wassermenge ausging. Doch es hatte ihm das Geld gefehlt, zwei tarierbare Tauchtanks einzubauen. Ermutigt durch die ersten beiden erfolgreichen Versuche, wagte die Besatzung einen dritten Tauchgang. Er sollte klären, wie tief der Brandtaucher gehen konnte. Doch das Boot geriet außer Kontrolle. Über sein Heck wurde es in die Tiefe bis auf den Grund der Kieler Förde gezogen. Der Rumpf gab nach und Wasser brach ein. Bauer, Witt und Thomsen waren in einer verzweifelten Lage. Stetig stieg das Wasser im Rumpf. Bauer wußte jedoch: erst wenn Außen- und Innendruck gleich waren, konnte der Ausstieg gelingen. Die Luftblase wurde immer kleiner, die Zeit verstrich. Von oben wurde inzwischen mit Ankern, Ketten und Leinen verzweifelt nach dem Brandtaucher gefischt. Erst gegen 15 Uhr gelang es mit letzter Kraft, die Luke aufzustemmen. Wie „Champagnerkorken“ wurden die drei U-Bootfahrer vom Luftdruck aus (wahrscheinlich) zehn Meter Tiefe an die Oberfläche katapultiert. Nur einer der beiden Gehilfen Bauers verletzte sich, weil er gegen ein Schiff geschleudert wurde.
Das Erbe Wilhelm Bauers
Der Untergang des “Brandtauchers” machte Bauer berühmt. Überall in Deutschland wurde – fußend vor allem auf Bauers Bericht – die Geschichte gedruckt. Die Marine-Kommission in Kiel stellte Bauer ein anerkennendes Zeugnis aus. Am 15. Februar 1851 übernahm die Schleswig-Holsteinische Flottille das Wrack. Damit konnten die gesammelten 2.100 Mark sowie die 3.000 Mark der Marine ausgezahlt werden. Für Howaldt & Schweffel blieb der Bau bei Kosten von insgesamt 8.000 Mark Courant ein herber Verlust. Bauer kehrte in seine bayerische Heimat zurück. In München baute er ein zweites Modell, das im Deutschen Museum in München erhalten ist.
Technisch interessant ist es vor allem, weil es erkennbar konstruktive Fehler des “Brandtauchers” vermeidet. Am augenfälligsten ist die nun hochovale Form. Sie widersteht Druck weitaus besser als die Kastenform des Brandtauchers. Mit diesem Modell reiste Bauer durch Europa und warb für seine Idee. 1855/56 durfte er schließlich in Rußland seine Idee realisieren. Der „Seeteufel“ glich dem Modell und wurde erfolgreich vor Kronstadt erprobt. Er wurde jedoch noch durch Muskelkraft angetrieben und blieb als Versuchsboot ein Unikat. Bis zu seinem Tode am 20. Juni 1875 entwickelte Wilhelm Bauer seine Ideen weiter. Im Urteil der Technikhistoriker war er einer der beharrlichsten Erfinder und hat mehr Grundlagen als sonst jemand für den Bau von U-Booten geschaffen. Neben am Ende ausgereiften Systemen für den Tauchvorgang entwickelte er den Schnorchel und versuchte, erste außenluftunabhängige Maschinenantriebe zu konstruieren. Eine Aufgabe allerdings, an der ein Tüftler allein scheitern musste. Auch das Problem der unterseeischen Navigation blieb vorerst ungelöst. Die am Bug montierten Sprengsätze, die „Petarden“, die aus dem Boot heraus unter Wasser an feindliche Schiffen angebracht werden sollten, wurden zudem von den Marineexperten der damaligen Zeit (zu recht) als untaugliche U-Boot-Waffe angesehen.
Der Brandtaucher wird geborgen
Schon April 1851 hatte die Schleswig-Holsteinische Flottille ein Anlauf unternommen, den “Brandtaucher” zu heben. Der Versuch scheiterte ebenso wie die der dänischen Marine 1855 und 1856. Nur durch Zufall wurde das Wrack am 5. Juli 1887 bei Baggerarbeiten für den Torpedohafen Ellerbek wiedergefunden. 36 Jahre nach dem Untergang und zwölf nach dem Tod seines Erbauers wurde das Boot gehoben. Es war voll Schlamm und stark zerstört. Daß es eigentlich Schleswig-Holstein und damit inzwischen Preußen gehörte, war vergessen. Deshalb wurde es Sophie Bauer, der Witwe des Erfinders, angeboten. Sie wandte sich hilfesuchend an der bayerischen Prinzregenten, der die Sache „wohlwollend“ dem Kaiser empfahl. Nachdem das Wrack einige Jahre auf der Kaiserlichen Werft und danach im Garten der Marineakademie (Landeshaus) gestanden hatte, kam es schließlich auf Geheiß des Kaisers in das Museum für Meereskunde.
In Berlin überstand es auch den Zweiten Weltkrieg. In den 1950er Jahren wurde versucht, es aus Potsdam zurück nach Westdeutschland zu bringen. Die DDR verweigerte sich jedoch. Von 1963 bis 1965 wurde das Wrack auf der Neptunwerft in Rostock „rekonstruiert“. 1972 schließlich endete seine Odyssee vorerst im Militärhistorischen Museum in Dresden. Nachdem die Deutsche Einheit wieder hergestellt war, wurde der “Brandtaucher” von 1999 bis zur Kieler Woche 2002 wieder an seinem Entstehungsort Kiel gezeigt.
-ju- (0703/0621/0222)
Quelle: Klaus Herold, Der Kieler Brandtaucher, 1993, Bonn, Bernard & Graefe Verlag, ISBN 3-7637-5918-2; Homepage des Deutschen Museums München, Meisterwerke, Tauchboot www.deutsches-museum.de
Bildquellen: Vignette/Innenansicht: Militärhistorisches Museum Dresden; Plan 1850: Deutsches Museum München, Zeichnungs-Nr 22 37; Skizze: Foto Herold; Stapellauf: Stadtarchiv Kiel aus „Weber’s Illustrirte Zeitung“März 1851; Ausstieg: Stadtarchiv Dillingen a.d. Donau; Modell/Seeteufel: Deutsches Museum München, http://www.deutsches-museum.de/sammlungen/verkehr/schifffahrt/tauchbootmodell/